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Blut, Schweiß und Trümmer

10. August 2006

Die Ruinen der wohl berühmtesten Türme der Welt als Grab und Gefängnis: Oliver Stones Film "World Trade Center" ist eine Hommage an jene Retter, die am 11. September selbst zu Opfern wurden.

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Eingebrannt ins kollektive Gedächntis: Die Zwillingstürme des World Trade CentersBild: AP

Diese Woche kommt in den USA mit "World Trade Center" (Deutschlandstart: 28.9.2006) nach "Flug 93" der zweite Spielfilm in die Kinos, der den 11. September thematisiert. Er erzählt die wahre Geschichte zweier Männer, die als letzte Überlebende aus den Geröllbergen der Zwillingstürme gerettet werden konnten: Die New Yorker Polizisten John McLoughlin (gespielt von Nicolas Cage) und William J. Jimeno (Michael Pena) waren an jenem Tag am World Trade Center als Retter im Einsatz. Beim Versuch, einen der Türme zu evakuieren, wurden sie selbst unter den Trümmern begraben. Erst nach langen Stunden voller Schmerzen, Durst und Todesangst konnten sie mühevoll geborgen werden.

Helden statt Terroristen

Filmszene World Trade Center Regie: Oliver Stone
Bedrückende Nähe: Darsteller Nicolas CageBild: AP

Oliver Stone beginnt seine Erzählung mit dem sprichwörtlichen "Tag, wie jeder andere auch": Familien beim Frühstück, Eheleute beim morgendlichen Abschiedskuss, Menschen auf dem Weg zur Arbeit – stets vor dem Hintergrund des gewohnten Stadtpanoramas von Manhattan. Doch dann bricht mit dem ersten Flugzeuganschlag auf den Nordturm des World Trade Center die Hölle auf Erden los. Völlig unvorbereitet auf ein Chaos dieses Ausmaßes, ist bei New Yorks Polizei und Feuerwehr nur noch Improvisation möglich. Als McLoughlin und Jimeno während der Evakuierung verschüttet werden, bleibt das Kinopublikum mit ihnen in dem Grab aus Schutt und Stahl gefangen.

Der Überlebenskampf der beiden Männer dominiert den weiteren Handlungsverlauf. Bis zur Unbeweglichkeit eingeklemmt und vermeintlich todgeweiht, ringen sie mit ihrem Leben, denken an ihre Familien, beten und reden über Gott. Auch in den raren Szenen über Tage konzentriert sich Stone weniger auf eine Chronologie der Ereignisse, sondern stellt das Bangen der Angehörigen in den Mittelpunkt.

Lob und Tadel

Diese Taktik stößt in den Kritiken der US-Medien gleichermaßen auf Beifall und Rüge. Da das Drehbuch in ausführlicher Absprache mit den realen Personen geschrieben wurde, rühmen die Lobredner zu Recht die Faktentreue und emotionale Authentizität. Anderen jedoch ist gerade dieser Schwall an Gefühlsausbrüchen zu anstrengend und das Erzähltempo zu schwerfällig. Aus deutscher Sicht mag die Geschichte der begrabenen Helden sowie die Angst und Trauer der Familien sogar fast ein wenig beliebig erscheinen: Ähnliche Szenen kennt man bereits aus verfilmten Grubenunglücken.

Filmszene World Trade Center Regie: Oliver Stone
Regisseur Oliver Stone am Set von "World Trade Center"Bild: AP

Doch die Kritik geht in den USA über filmästhetische Gesichtspunkte hinaus: Angehörige von Opfern des 11. September werfen dem Filmstudio "Paramount" Geiz und Profitgier vor. Nur zehn Prozent der Einnahmen der ersten fünf Spieltage in amerikanischen Kinos werde an die Hinterbliebenen abgegeben. "Universal" dagegen hatte aus dem Erlös von "Flug 93" eine siebenstellige Summe gespendet.

Sühne eines Abtrünnigen

Regisseur Oliver Stone wird für "World Trade Center" von der amerikanischen Öffentlichkeit jedenfalls so oder so mit seiner Rehabilitation belohnt: Seinen Ruf als Vaterlandsverräter, der ihm nach seinem öffentlich geäußerten Verständnis den Terroristen gegenüber hartnäckig anhaftete, wird er dank seines Epos' über Amerikas unumstrittene Helden nun wohl abschütteln können. (lc)