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Blogger nicht erwünscht

Alexandra Stolz5. Februar 2014

Die Blogosphäre ist in Aufruhr: vielen Autoren politischer Blogs und Online-Journale wurde die Jahresakkreditierung zum Deutschen Bundestag verwehrt. Kritiker sprechen von Zwei-Klassen-Journalismus.

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Bundestag konstituierende Sitzung Plenarsaal 22.10.2013
Bild: Reuters

Markus Beckedahl macht seinem Ärger Luft. Auf seinem Blog netzpolitik.org kritisiert er die Entscheidung des Bundestages, ihn nicht für ein Jahr zur parlamentarischen Berichterstattung zu akkreditieren: "Das benachteiligt mich in meiner Arbeit gegenüber anderen Journalisten. Man kann das auch als Einschränkung der Pressefreiheit und als einen Versuch sehen, kritische Berichterstattung zu erschweren."

Berliner Politikern dürfte Beckedahl kein Unbekannter sein - er war festes Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft" im Bundestag, die im Frühjahr 2013 aufgelöst wurde. Sein Blog ist eins der größten politischen Weblogs Deutschlands, mit Spezialisierung auf Netzthemen. Beckedahl geht davon aus, dass so gut wie jeder Mensch, der in diesem Bereich im deutschsprachigen Raum arbeitet, auch zur Leserschaft gehört.

Tagtäglich informiert die Seite über die neuesten Entwicklungen in der digitalen Welt - und das nicht nur in Textform. Als Blogger ist er auf allen Social Media Kanälen zugange, bietet seiner Leserschaft wöchentlich eine Zusammenfassung der Themen der Woche als Podcast und führt Interviews mit führenden Experten, die er dann als Video ins Netz stellt

Markus Beckedahl
Ist früher im Bundestag ein- und ausgegangen: Netzaktivist Markus BeckedahlBild: Fiona Krakenbuerger

"Damit kommen sie nicht durch"

Beckedahl habe überhaupt kein Verständnis für die Verweigerung, erklärte er der DW. Unter seinen Kollegen ist er nicht der einzige, der mit den Problemen der Jahresakkreditierung zu kämpfen hat. Vielen anderen politischen Bloggern widerfuhr in den letzten Wochen dasselbe. Auch für Tilo Jung, den Kopf hinter dem Online-Format "Jung und Naiv – Politik für Desinteressierte", das auf Youtube läuft, heißt es: draußen bleiben. Seine Reaktion auf Facebook: "Unterscheidung Journalisten erster und zweiter Klasse: Damit kommen sie nicht durch."

Der Bundestag jedoch beharrt auf den Presseausweis. Auch der Deutsche Journalistenverband steht voll dahinter. Denn so, das glaubt der Verband, könne keinem Journalisten mit Presseausweis mehr der Zugang verweigert werden, was früher offenbar oft der Fall war. Journalisten ohne Ausweis, also Blogger und nebenberufliche Journalisten, sind durch diese Regelung natürlich im Nachteil. Das bestätigt der Rechtsreferendar des Kammergerichtes Berlin, Jonas Kahl. Es sei nicht zulässig, den Presseausweis als alleiniges Kriterium dafür heranzuziehen, wer der Presse angehört. Unterschiede zwischen Journalisten und Bloggern könnten nur "einzelfallbezogen gemacht werden, nicht aber generell", so Kahl, denn "Blogs sind keine Presse zweiter Klasse."

Blogs sind in Deutschland nicht sehr populär

Ein Blick auf den Stellenwert von Blogs in der Medienlandschaft wirkt schnell ernüchternd. Laut der jüngsten ARD-ZDF-Onlinestudie vom September 2013 lesen gerade mal 16 Prozent der Bevölkerung "gelegentlich" Weblogs, gerade mal vier Prozent einmal wöchentlich. Dabei wird jedoch nicht nach Themen unterschieden, weshalb die Reichweite für politische Stoffe noch einmal geringer ausfällt. "Blogs haben keine massenhafte Reichweite in Deutschland", erklärt Professor Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut der Universität Hamburg. Dennoch gesteht er Blogs, die sich mit digitalen Bürgerrechten und Netzpolitik beschäftigen, zu, dass sie einen Einfluss auf politische und gesellschaftliche Diskussionen haben können.

Virtueller Rundgang Pressetribüne Deutscher Bundestag in Berlin
Der Presseausweis ist die Eintrittskarte für JournalistenBild: picture-alliance/dpa

Es wird schwerer, aber nicht unmöglich

Aktuell sieht der Bundestag nicht vor, die Bestimmungen zu ändern. Wer die Kriterien zur Akkreditierung nicht erfülle, könne sich andere Wege suchen, hieß es bei der Pressestelle. Etwa indem man sich bei einem Abgeordneten anmelde. Gut gemeint. Aber: Eine Jahresakkreditierung würde den Online-Autoren einiges an Arbeits- und Zeitaufwand ersparen, so dass sie auch spontan über Geschehnisse berichten könnten, ohne sich lange und umständlich eine Zugangsberechtigung zu verschaffen. "Ohne Akkreditierung kann ich zwar als Gast an Ausschusssitzungen teilnehmen, aber mir kann die Nutzung eines Smartphones oder Notebooks untersagt werden, was mir wiederholt passiert ist", berichtet Markus Beckedahl.

Weiter arbeiten die Blogger fleißig an ihren nächsten Posts, sind in den neuen Medien aktiv und machen auf ihre Ungleichbehandlung aufmerksam. Es heißt immer, online sei die Zukunft. Doch das scheint in Berlin im Bundestag noch nicht angekommen zu sein. Offenbar befinden sich immer noch viele Politiker im #Neuland.