1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bildergeschichten (6)

Tillmann Bendikowski21. Juni 2012

1896: Das Kaiserreich stellt seine Kolonien zur Schau "Ich hab’ da eine Hütte in Berlin".

https://p.dw.com/p/15It4
Erste Deutsche Kolonialausstellung" im Treptower Park Copyright bpk / Franz Kullrich bpk / Gerhard Kiesling
Bild: bpk / Gerhard Kiesling

Eine Unterkunft mitten in Berlin, fotografiert im Jahr 1896: Eingeborene aus der damaligen deutschen Kolonie Togo müssen so tun, als seien sie hier daheim – dabei befinden sie sich auf einem 60.000 Quadratmeter großen Gelände im Treptower Park. Anhänger der noch jungen deutschen Kolonialbewegung haben hier "unsere Kolonien" nachempfunden, Palmen und Tropenpflanzen herangeschafft, afrikanische Hütten oder arabische Befestigungsanlagen nachgebaut. Diese "Deutsche Kolonialausstellung" soll Deutschlands Größe im Kleinen spiegeln – und insgesamt 103 "Eingeborenen" aus den fernen Besitzungen sollten der exotischen Schau Authentizität verleihen.

Mit den Veranstaltern haben die Bewohner der Kolonien vertraglich vereinbart, zu festgelegten Zeiten ihre Handwerkskunst zu zeigen oder – nachmittags ab drei Uhr – Vorführungen und Tänze zu präsentieren. Alles ist preußisch-ordentlich organisiert: die regelmäßigen Weckzeiten (um sechs Uhr morgens), die Mahlzeiten (Frühstück mit "Tee und für jede Person 2 Schrippen", Abendessen einschließlich "einer Flasche Bier und einem Esslöffel Rum für jeden") oder die regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen (die allerdings nicht verhindern können, dass drei der Akteure an Lungenentzündung sterben). Die deutschen Besucher dürfen die Hütten der "Eingeborenen" betreten, ihre Gebrauchs- und Kultgegenstände betrachten oder an ihren Festen teilnehmen. Und auf Wunsch gibt es besondere Leckerbissen: So singen Massai-Krieger in voller Kriegsausrüstung "Deutschland, Deutschland über alles", "Die Wacht am Rhein" oder "Heil Dir im Siegerkranz" – das wärmt das deutsche Kolonialherz.

Nachdem die Deutschen tagsüber begeistert durch "ihre Kolonien" gezogen sind und sich an deren Menschen satt gesehen haben, drehen diese aber des Abends zuweilen den Unterhaltungsspieß um: Dann machen sich die "Eingeborenen" einen Spaß daraus, mit nachgemachten Monokeln und Spazierstöcken die Bürger oder Offizieren nachzuahmen, die sie tagsüber begafft hatten…