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Big Brother in der Meerenge

Steffen Leidel2. November 2002

Mit hochauflösenden Infrarotkameras und Radaranlagen überwacht die spanische Polizei die Meerenge von Gibraltar. Dem neuen Überwachungssystem entgeht nichts. Im Visier der Polizisten sind vor allem illegale Einwanderer.

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Illegale Einwanderer an der Straße von GibraltarBild: AP

In der Kommandozentrale des neuen Überwachungssystems in der südspanischen Hafenstadt Algeciras gibt es vor allem Fernseher. In der Mitte des Raumes steht ein Panoramabildschirm, links und rechts daneben sind jeweils acht Monitore installiert. Auf dem großen Schirm erscheint die Meerenge von Gibraltar, voll digitalisiert.

In Gelb erscheinen die Umrisse von Südspanien und Nordmarokko, die Ortschaften sind grün markiert. Über das schwarze Meer wandern helle Punkte. "Die Punkte, das sind alles Objekte, die gerade die Meerenge passieren", sagt Leutnant Alonso, Chef der Zentrale. Ein Mausklick auf einem der Punkte genügt, um ihn ins Visier einer Kamera zu nehmen. Das verdächtige Objekt erscheint dann in Großaufnahme auf dem Bildschirm.

Kein Entkommen

Ein Teil der hochauflösenden Infrarotkameras und Radarsysteme ist auf Türmen entlang der Küste installiert, ein anderer befindet sich auf Patrouillenbooten und in Hubschraubern. Sive, so heißt das neue System, wurde im Sommer erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Selbst einen auf dem Wasser schwimmenden Fußball soll es sichtbar machen können, sogar bei Nacht und Nebel.

Bislang überwacht Sive allerdings nur die engste Stelle der Straße von Gibraltar. Nur 14 Kilometer trennen hier die Kontinente Afrika und Europa. Bis 2005 soll das System die gesamte Südküste Spaniens überwachen. Vor allem nachts versuchen Menschen, in Schlauchbooten zusammengepfercht, die Meerenge zu überqueren. Die Menschen kommen aus Marokko und vor allem aus Ländern südlich der Sahara wie Sierra Leone oder Nigeria. Über 4000 Menschen sollen in den vergangenen fünf Jahren in der Meerenge ertrunken sein, die Dunkelziffer wird mehr als doppelt so hoch eingeschätzt.

Fragwürdiger Erfolg

"Mit Sive sehen wir sogar, wenn die Einwanderer an der marokkanischen Küste in die Boote steigen", sagt Leutnant Alonso. "Dadurch können wird natürlich viel schneller reagieren." Doch Sive diene nicht nur dazu, Einwanderer festzunehmen. "Wir wollen vor allem Leben retten", beteuert Leutnant Alonso immer wieder. "Jetzt können wir durch rechtzeitiges Eingreifen schlimme Unfälle vermeiden." Ob das neue System wirklich Menschen retten wird, ist jedoch fraglich. Trotz Sive kam es auch diesen Sommer zu tragischen Unfällen. Anfang Oktober ertranken neun Menschen, darunter drei schwangere Frauen, als ihr Boot kenterte.

Kritiker halten das System, das über 140 Millionen Euro kosten wird, für unsinnig. "Den Strom der Einwanderer wird es nicht aufhalten", schimpft Francisco Olmos Checa, Universitätsprofessor und Experte für Migration. Sive habe lediglich dazu geführt, dass die Einwanderer nun neue, noch gefährlichere Routen wählen, um das System zu umgehen.

"Augen, die uns alles sehen lassen"

Die Einwanderer setzen an Stellen über, an denen die Meerenge bis zu 60 Kilometer und mehr breit ist. Dadurch steigt das Risiko eines Unfalls. "Auf dem Meer kann man keine Mauern bauen", so Olmos Checa. Leutnant Alonso will die Kritik an dem System, das zum Teil auch von der EU finanziert wurde, allerdings nicht gelten lassen.

"Sive ist keine elektronische Mauer. Sive: das sind einfach Augen, die uns alles sehen lassen und es uns ermöglichen rechtzeitig einzugreifen". Im Visier der Fahnder seien dabei nicht nur die Einwanderer. Sive solle auch helfen, den regen Drogenhandel einzudämmen. 60 Prozent des in Europa gehandelten Haschisch würden laut Polizeiangaben über die Meerenge geschmuggelt.