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Konflikte

Biden läutet Ende der Afghanistan-Mission ein

14. April 2021

Nach fast 20 Jahren will US-Präsident Joe Biden den Militäreinsatz in Afghanistan beenden und alle Truppen bis zum 11. September nach Hause holen.

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Entscheidung mit weitreichenden Folgen: US-Präsident Joe Biden
Entscheidung mit weitreichenden Folgen: US-Präsident Joe BidenBild: Andrew Harnik/AFP/Getty Images

"Es ist Zeit, Amerikas längsten Krieg zu beenden", sagte US-Präsident Joe Biden in einer Rede im Weißen Haus in Washington. "Es ist Zeit, dass die amerikanischen Soldaten nach Hause zurückkehren." Die Vereinigten Staaten könnten nicht ständig ihre Truppenpräsenz in Afghanistan in der Hoffnung aufstocken, die "idealen Voraussetzungen für unseren Abzug zu schaffen", so Biden weiter. Er sei bereits der vierte US-Präsident, unter dem seit Ende 2001 US-Soldaten in Afghanistan stationiert seien. "Ich werde diese Verantwortung (eines Abzugs) nicht auf einen Fünften schieben."

Ein US-Regierungsvertreter hatte am Dienstag Bidens Beschluss bekanntgegeben, alle verbliebenen US-Soldaten in Afghanistan bis zum 11. September abzuziehen. Das symbolische Datum ist der 20. Jahrestag der Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und das US-Verteidigungsministerium in Washington 2001. Die USA waren nach den Anschlägen mit Truppen in Afghanistan einmarschiert und hatten die radikalislamischen Taliban, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida Unterschlupf geboten hatten, von der Macht verdrängt.

Kritiker befürchten ein neues Aufflammen des Bürgerkriegs nach einem Abzug der Truppen der westlichen Länder sowie einen Sturz der Regierung in Kabul durch die Taliban. Biden sagte der afghanischen Regierung jetzt weitere Unterstützung zu, unter anderem für die Sicherheitskräfte. Er betonte zugleich, die USA würden nicht mehr "militärisch" aktiv sein.

Noch 9600 NATO-Soldaten am Hindukusch

"Wir sind wegen eines entsetzlichen Angriffs vor 20 Jahren in Afghanistan einmarschiert", betonte Biden. "Das kann nicht erklären, warum wir im Jahr 2021 dort bleiben sollten." Zuletzt befanden sich nach offiziellen Angaben noch 2500 US-Soldaten in Afghanistan. Zum Höhepunkt vor zehn Jahren waren es etwa 100.000. Insgesamt ist die NATO derzeit mit rund 9600 Soldaten am Hindukusch präsent, unter ihnen rund 1100 Bundeswehrsoldaten. Die Abzugspläne waren am Mittwoch Thema einer Sondertagung des Nordatlantikrates.

Außenminister Antony Blinken informierte derweil die NATO-Verbündeten über die Pläne und erklärte, den Abzug eng mit ihnen abstimmen zu wollen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Allianz werde "in den kommenden Monaten sehr eng gemeinsam an einem sicheren, durchdachten und koordinierten Abzug unserer Truppen arbeiten". Die anderen westlichen Soldaten sind vor Ort erheblich angewiesen auf die USA und deren Logistik. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist es, inmitten einer nach wie vor angespannten Sicherheitslage die afghanischen Sicherheitskräfte auszubilden.

Mit Bidens Entscheidung steht für die Bundeswehr der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte vor dem Ende. 59 deutsche Soldaten ließen in Afghanistan ihr Leben. Davon wurden 35 in Gefechten oder bei Anschlägen getötet. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, sie stehe für einen geordneten Abzug. "Wir haben immer gesagt, wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus."

Afghanistan: Der Krieg im Kopf

Streit um den Rückzugstermin

Bidens Vorgänger Donald Trump hatte den Taliban im Vorjahr einen Truppenabzug bis zum 1. Mai zugesagt. Biden verschiebt diese Frist nun um knapp viereinhalb Monate. Die militant-islamistische Gruppe besteht hingegen auf dem ursprünglich vereinbarten Rückzugstermin. Die Aufständischen hatten zuletzt neue Gewalt gegen NATO-Truppen angedroht, sollte die Frist nicht eingehalten werden. Als Reaktion auf die neuen Pläne der USA schlossen die Taliban eine Teilnahme an einer für Ende April geplanten Friedenskonferenz in Istanbul aus.

In Afghanistan löste die Entscheidung Bidens Enttäuschung und Resignation aus. Ein Verhandler der Regierung bei den Friedensgesprächen in Doha, der namentlich nicht genannt werden wollte, nannte den Beschluss das "Verantwortungsloseste und Egoistischste", was Amerika seinen afghanischen Partnern zufügen könne.

Mit Spannung wird nun erwartet, welche Konsequenzen die Entscheidung für die laufenden Friedensverhandlungen zwischen afghanischer Regierung und Taliban hat. Als Risiko gilt, dass die Taliban kurz nach einem Truppenabzug mit Waffengewalt die Macht übernehmen könnten. Für die junge Demokratie in Afghanistan und Fortschritte bei Frauenrechten oder Medienfreiheit wäre dies wohl der Todesstoß.

kle/sti (afp, rtr, dpa)