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Politik

Beruf Terrorist?

Roman Goncharenko | Vitaly Volkov
17. Januar 2017

Die Festnahme des mutmaßlichen Attentäters von Istanbul, eines Usbeken, lenkt die Aufmerksamkeit auf Zentralasien. Die früheren Sowjetrepubliken sind längst im Visier des "Islamischen Staates".

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Irak Kämpfer des IS
Bild: picture alliance/ZUMA Press/Planet Pix

Die ursprünglichen Berichte, wonach der mutmaßliche Attentäter von der Silvesternacht in Istanbul aus Zentralasien stamme, wurden bestätigt. Die Polizei habe den geflüchteten Hauptverdächtigen am späten Montagabend in einem Stadtteil der Metropole festgenommen, melden türkische Medien. Es handele sich um Abdulgadir M., der 1983 in Usbekistan geboren wurde. Der Mann sei ein Afghanistan ausgebildeter "Terrorist", sagte Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin. Man habe bei dem Verdächtigen große Summen Geld und Waffen gefunden.

In der türkischen Presse hieß es zunächst, der Mann, der 39 Menschen in einem Nachtclub erschossen hatte, sei Kirgise oder Usbeke. Sicherheitsbehörden in Usbekistan seien dabei, Berichte aus der Türkei auszuwerten, meldete am Dienstag die Nachrichteagentur Interfax.

Usbeken und Kirgisen als größte Gruppen

Die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken Kasachstan, Turkmenistan, Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisistan gelten als zunehmend lukratives Rekrutierungsgebiet für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die auch die Verantwortung für den Anschlag auf den Nachtclub in Istanbul übernommen hatte. Schon bei früheren Anschlägen wie dem am Istanbuler Flughafen im Juni 2016 sollen Attentäter aus Kirgisistan und anderen zentralasiatischen Ländern beteiligt gewesen sein.

Türkei Istanbul - Festnahme des Attentäters aus der Silvesternacht
Mutmaßlicher Täter Abdulgadir M. bei der Festnahme in IstanbulBild: picture-alliance/Zuma Press/Depo Photos

Genaue Zahlen über zentralasiatische IS-Kämpfer in Syrien und dem Irak gibt es nicht. Vor rund einem Jahr, im Dezember 2015, schätzte die New Yorker Politikberatungsfirma "The Soufan Group" die Gesamtzahl der IS-Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion auf rund 4700. Mehr als die Hälfte davon seien jedoch russische Staatsbürger, vor allem aus Teilrepubliken im Nordkaukasus: Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan. Von den Kämpfern aus Zentralasien seien Usbeken und Kirgisen mit je 500 Mann die zwei größten Volksgruppen.

Andere Quellen zählen noch Tadschiken in ähnlicher Stärke dazu. Aus Tadschikistan stammt der bisher hochrangigste ehemalige Polizist aus Zentralasien, der sich dem IS angeschlossen hat. Der 41-jährige Oberst Gulmurod Chalimow soll 2015 nach Syrien ausgereist sein. Zu Hause war er Kommandeur einer Eliteeinheit. Das tadschikische Innenministerium hat Chalimow im November 2016 international zur Fahndung ausgeschrieben.   

"Eine Art Arbeitsmigration"

Nach der jüngsten Offensive der internationalen Allianz in Syrien und Irak gegen den IS dürften auch zahlreiche Kämpfer aus Zentralasien umgekommen sein. Russische Experten wie Andrej Serenko vom Zentrum für Afghanistan-Studien glauben zudem, viele seien auf dem Rückzug in ihre Heimatländer über die Türkei. Das bestätigt auch ein anderer Kenner der Region, Lew Korolkow, der in russischen Medien als ehemaliger Geheimdienst-Mitarbeiter genannt wird. "Viele Kämpfer, die auch ihre Familien dabei hatten und dadurch belastet waren, sind in die Türkei gegangen und haben sich dort verstreut", so Korolkow zur DW. Andere seien nach Hause oder in andere Länder gezogen, etwa nach Libyen oder Afghanistan.

Serenko will noch eine neue Tendenz festgestellt haben. Der Einsatz für den IS sei "eine Art Arbeitsmigration" geworden. "Nach Einschätzungen von Fachleuten ziehen inzwischen mehr Menschen aus Zentralasien aus finanziellen als aus ideologischen Gründen in den Dschihad", sagt Serenko. Lew Korolkow verweist darauf, dass viel junge Männer aus Zentralasien, die früher in Russland Arbeit fanden, jetzt nach Hause zurückkehren und leichte Beute für IS-Rekrutierter seien. Moskau betreibt derzeit eine restriktive Migrationspolitik. Das Leben in den muslimisch geprägten zentralasiatischen Staaten ist in den letzten Jahren immer härter geworden. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich mit steigenden Preisen und hoher Arbeitslosigkeit.

Anschläge in Moskau vereitelt    

Aus den zentralasiatischen Republiken und aus Russland kommen fast monatlich Nachrichten über festgenommene oder verurteilte IS-Rekrutierer, aber auch über mutmaßliche Terroristen. So hat ein Gericht in Tadschikistan Anfang Dezember einen Mann zu 17 Jahren Haft verurteilt, der seine Mitbürger für den Krieg in Syrien anwarb und ihnen Flugtickets in die Türkei besorgte. In der südrussischen Stadt Rostow am Don wurden ebenfalls im Dezember ein Russe und ein Kirgise zu langen Haftstrafen verurteilt. Der eine sei in Syrien, der andere im Irak vom IS ausgebildet worden, so die Anschuldigung.

In Russland wurden Ende 2016 mehrere Gruppen festgenommen, deren Mitglieder nach Angaben der Sicherheitsbehörden Anschläge geplant haben, darunter auch in der Hauptstadt Moskau. Die meisten Verdächtigen stammen aus Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisistan.