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Berlin präsentiert die indische Kunstszene

Silke Bartlick22. September 2003

Neue Perspektiven auf Indien verspricht ein Projekt in Berlin. Das "Haus der Kulturen der Welt" stellt Arbeiten von jungen indischen Künstlern aus.

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Nicht nur Exotik: Indien hat auch eine lebendige KunstszeneBild: AP

Motorräder, die zwischen Marktständen parken, in denen Saris feilgeboten werden, junge Frauen, die selbstbewusst die körperbetonte Mode von Hennes & Mauritz ausführen und knallbunte Filmplakate an den Wänden zerfallender Hochhäuser - drei Momentaufnahmen aus dem Alltag des indischen Subkontinents, mit dem in der westlichen Welt gerne die bekannten Bilder von heiligen Kühen, Begräbnis-ritualen, Pilgern am Ganges und farbenprächtigen traditionellen Tänzen verbunden werden.

Bilder, die freilich ausblenden, dass sich das bevölkerungs- reiche asiatische Land längst mitten in einem gewaltigen Umbruchprozess befindet. Dieser verändert insbesondere das Gesicht der Großstädte nachhaltig und formt gewachsene Stadtkörper neu, weil sich Denken, Handeln, Geschmack und Werte der in ihnen lebenden Menschen verändern.

Neue Sicht auf Indien

Aus der Sicht prominenter indischer Kuratoren stellt das "Haus der Kulturen der Welt" mit seinem Programm "body.city" neue Perspektiven aus.

Dabei sind die urbanen Räume Ausgangspunkt der Beschäftigung mit Indien. Denn in den Städten zeigen sich am besten die zahlreichen Facetten dieses zukunfts-orientierten Landes, sagt der Koordinator der Ausstellung Peter Seel: "Die indischen Megastädte wie Delhi, Bombay, Madras, Kalkutta, Bangalore sind Räume enormer extremer politischer, sozialer und kultureller Veränderungen. Es sind Räume der Überlagerung, der Durchdringung von Traditionen und neuen Lebensformen. Es sind Räume, in denen sich lokal formulierte Identitäten mit globalen Antrieben, mit globalen Orientierungen und mit neuen Lebenspraktiken verbinden, aber sich auch im Konflikt ineinander verbeißen."

Ein komplexes Thema, an das der interessierte Westeuropäer im "Haus der Kulturen der Welt" durch zwei Einzelausstellungen umsichtig herangeführt wird.

Bilder prägen Weltanschauungen

Die Ausstellung "Indian Popular Culture - Die Eroberung der Welt als Bild" verdeutlicht zunächst, dass zahllose volkstümliche Bilder aus dem 19. und 20. Jahrhundert wesentlich zur Verfestigung von Hindu-Mythologie und Nationalismus beigetragen haben. Diese nationalistisch- religiösen Tendenzen haben sich heute keineswegs überlebt, sondern gewinnen ob der durch die Globalisierung bedingten Veränderungen sogar an Bedeutung. Massive Ausschreitungen gegen Minderheiten waren beispielsweise die Folge.

Rolle des Künstlers

Welche Rolle der Künstler als Bürger in diesem Prozess spielt, fragt eine zweite Ausstellung "Kunst in den (Un-) Tiefen der Stadt". Damit ist der Gast im "Haus der Kulturen der Welt" in der Gegenwart angekommen ist. Ihre Facetten werden mit Konzerten, Konferenzen, Filmen, Lesungen und Workshops gezeigt.

Koordinator Peter Seel betont die interessante Mischung des Programms: "Es gibt natürlich erstens mal eine Reihe von Konferenzen. Wir bieten aber auch ein Literaturprogramm, das sich sehr stark mit politischen Themen auseinandersetzen wird. Denn gerade Schriftsteller in Indien setzen sich mit den Fragen der Globalisierung auseinanader oder mit ethnischen und religiösen Konflikten. Die Frage, was in der heutigen Zeit "indisch sein" bedeutet, ist interessant. Auch die bildenden Künstler oder die Film- und Tanzkünstler setzen sich durchaus mit politischen Themen auseinander, z.B. mit der Angst vor einer alles gleichmachenden Konformität, aber auch mit den Folgen importierter Moralvorstellungen."

Tradition und Moderne

Zentrale Themen aktueller Theaterprojekte sind der Körper sowie Sexualität und ihre Darstellung. Dabei bedienen sich die Aufführungen moderner Formen der Akrobatik und des Kampfsports, die mit historischen Ritualen verbunden werden, und Live-Musik und Videoprojektionen versetzen die Handlungen klassischer Epen in die heutige Zeit.

Dass auf diese Weise ein unverwechselbarer Stilmix aus Tradition und Moderne entstanden ist, etwas ganz Neues, werden nicht nur Gastspiele indischer Theaterformationen belegen, sondern auch zahlreiche Konzerte. Denn längst gehen auch indische Musiker neue Wege. Und Bollywood, Bhangra Beat und Asian Dub prägen zunehmend die globale Popkultur.

Die Ausstellung "body.city" ist noch bis zum 16. November 2003 im "Haus der Kulturen der Welt", John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin zu sehen.