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Ohne den Mond würde es uns alle nicht geben

Louisa Schaefer pj, ak
15. Juli 2019

Warum ist der Mond für das Leben auf der Erde so entscheidend? Das erklärt Astrophysiker Ben Moore zum 50-jährigen Jubiläum der Mondlandung - in seiner Biografie vom Mond und im DW-Interview.

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Buzz Aldrin am 20. Juli 1969 auf dem Mond mit US-Flagge; fotografiert von Neil Armstrong
Bild: picture-alliance/Photoshot/Neil A. Armstrong

Ben Moores Buch "Mond - Eine Biografie" (2019) ist 50 Jahre nach der ersten Mondlandung Teil eines größeren Œuvres. Darin geht es um "das Verständnis des Ursprungs und der Entwicklung des Universums" und wie sich Sterne, Planeten und Galaxien ausformen. Moore ist Professor für Astrophysik an der Universität Zürich und neben seiner Funktion als Autor auch Musiker, der sich mit den Klängen des Weltraums befasst. Die DW hat mit dem Engländer über die Mythologie des Mondes ein halbes Jahrhundert nach dem "riesigen Sprung für die Menschheit" gesprochen.

Deutsche Welle: Warum sind wir Menschen vom Mond so fasziniert?

Autor und Astrophysiker Ben Moore
Autor und Astrophysiker Ben MooreBild: Maurice Haas

Ben Moore: Ich denke, einer der Hauptgründe ist, dass er im Nachthimmel so schön anzusehen ist. Es ist das am besten sichtbare Objekt, das man mit seinen Augen sehen kann. Weil er so nah ist, können wir Details auf dem Mond erkennen, wie zum Beispiel diese grauen Flecken, die eigentlich erkaltete Lavafelder aus erstarrtem Basalt sind. Verschiedene Kulturen hatten verschiedene Assoziationen damit. Die Chinesen sprachen von einem Kaninchen oder Hasen, die germanischen Kulturen vom Kind oder Mann im Mond.

Warum haben Menschen den Mond interpretiert und Dinge auf ihm erkannt?

Das geht Tausende von Jahren zurück, bevor die Menschheit mehr über den Mond wusste. Er hatte etwas Mystisches und wurde mit Göttern und Volkssagen in Verbindung gebracht, die ganze Generationen überdauerten. In den germanischen Kulturen zum Beispiel wurde der Junge bzw. das Gesicht des Mannes im Mond für jemanden gehalten, der beim Klauen erwischt und für alle Ewigkeit auf den Mond verbannt worden war.

Es kann also sein, dass die Leute mit diesen Geschichten wichtige Lektionen fürs Leben verbanden?

Ja. Die jungen Kulturen versuchten, die Welt um sich herum zu verstehen - ohne das Wissen, das wir heute haben. Sie erfanden Geschichten und so versuchten sie, aus dem Kosmos Sinn zu schöpfen. Die erste fortgeschrittene Zivilisation war die der Sumerer, die die Schrift und das Rad erfanden. Das ist 5000 Jahre her und der Mond war der wichtigste Gott der Sumerer. Sie hatten Astronomen, die ausschließlich den Mond beobachteten und versuchten, Muster im Mond zu erkennen und herauszufinden, wann die Mondwenden stattfanden.Sie verbanden die Mondwenden mit Ereignissen, die auf der Erde passieren würden, wie Kriege oder Hungersnöte. Die Astronomen mussten dem König voraussagen, wann diese Ereignisse bevorstanden. Für solche Zeiten setzten die jeweiligen Herrscher sogar hin und wieder Ersatzkönige ein, die anstelle des echten Königs die negativen Auswirkungen solcher Phasen erleben mussten.Gibt es aktuelle Beispiele für solchen Aberglauben?

Himmelsscheibe von Nebra
Sonne, Mond und Sterne - die Himmelsscheibe von Nebra ist 3600 Jahre alt und damit die weltweit älteste bisher bekannte konkrete Darstellung des KosmosBild: picture-alliance/dpa/A. Pollmann

Das waren die Anfänge der Astrologie - natürlich nicht von jener, die wir heute kennen, die sich mit den Planetenkonstellationen zur Geburt einer Person befasst. Die sumerische Astrologie befasste sich eher mit Omen und Mythen, die mit den Mondwenden und der Erscheinung des Mondes zu tun hatten.

Wenn wir einige tausend Jahre weiterschauen, wird deutlich, dass die Römer diese Mythen immer weiter ausgebaut haben. Ptolemäus (Claudius Ptolemäus; Anm. d. Red.) entwickelte diese Mythen fortführend - seine moderne Astrologie, derer wir uns auch in der Gegenwart noch annehmen.

Buchcover Ben Moore "Mond - Eine Biografie"
Cover von "Mond - Eine Biografie"

Ihr kürzlich veröffentlichtes Buch über den Erdtrabanten liest sich wie eine Biografie...

Mein Buch befasst sich mit dem vollen Umfang der Geschichte des Mondes: der Historie, den bisherigen Erkenntnissen und der Zukunft. Es erzählt wirklich die Lebensgeschichte unseres Mondes, von seinem Ursprung bis zum Ende seiner Zeit. Auch was seine Existenz für Auswirkungen auf die Erde und unser Leben auf der Erde hat. Das ist wahnsinnig faszinierend.

Was sind das zum Beispiel für Auswirkungen?

Eine der interessantesten - der Grund, weshalb ich begonnen habe, den Ursprung des Mondes überhaupt zu erforschen - ist, dass die Erde ohne unseren Mond keine Stabilität haben würde. Sie würde kippen, sich neigen und wackeln wie ein taumelnder Kreisel im Weltall, was innerhalb weniger tausend Jahre zu einem dramatischen Klimawandel führen würde. Die Schwerkraft unseres Mondes zerrt die Sphäre unserer sich drehenden Erde an sich und sorgt dafür, dass diese sich im richtigen Rhythmus dreht. Darüber hinaus hilft er unser Klima stabil zu halten, schon die gesamten 4,5 Milliarden Jahre unserer Erdgeschichte hindurch.

Also besteht seine Auswirkung auf unser Leben darin, dass es uns alle ohne ihn nicht geben würde?

Ganz genau. Die gesamte Evolution wäre anders verlaufen. Man kann es sich so vorstellen: Es entwickelt sich Leben um den warmen Äquator herum oder im Ozean und plötzlich kippt die Erde ein bisschen und verwandelt somit alles in gefrorenes Ödland. Also ist es nur schwer vorstellbar, dass sich unser heutiges Leben überhaupt so entwickelt hätte.

Jetzt haben wir über den Mythos Mond im Allgemeinen gesprochen, aber wie sieht es mit der dunklen Seite des Mondes aus? Pink Floyd hat ja sogar ein Album danach benannt und Sie waren Co-Autor bei einem Kinderbuch, das von Aliens auf der dunklen Seite des Mondes handelt. Wie kommt es, dass Menschen so besessen sind von dieser Idee?

Meiner Meinung nach kommt das daher, dass es der Menschheit nie möglich gewesen ist, die der Erde abgewandte Seite des Mondes zu sehen. Dann hat sie auch noch die Konnotation "die dunkle Seite", was dem Ganzen einen besonderen Reiz verleiht. Natürlich ist diese Seite nicht tatsächlich dunkel. Dort kommt genauso viel Sonnenlicht wie auf die der Erde zugewandten Seite hin. Wir können aber nur diese eine Seite sehen, weil sich der Mond pro Umlauf um die Erde, genau einmal um die eigene Achse dreht.

Wie kommt es, dass Menschen sich vorstellen konnten, zum Mond zu reisen und dort sogar zu landen - so mysteriös wie der Mond sich manchmal präsentiert?

Tatsächlich erzählten schon die ersten Science-Fiction-Erzählungen im 17. Jahrhundert von sagenumwobenen Reisen zum Mond. Autoren schrieben über das Leben, das auf dem Mond existieren könne und wie es sich wohl anfühle auf dem Mond zu stehen. Galileo selber verfasste eines der allerersten Science-Fiction-Bücher. Er schrieb es nach der Erfindung des Teleskops, welches uns die Oberfläche des Mondes ein Stückchen näher brachte.

Es waren also solche Science-Fiction-Erzählungen, die die ersten Raketenwissenschaftler, wie beispielsweise den Russen Konstantin Ziolkowski, dazu animierten, die Mehrstufenrakete sowie die berühmte Raketengrundgleichung zu entwickeln.

Mythos Mond Bildergalerie Astronaut Edwin E. Aldrin
Bild: Getty Images/Nasa

Inwiefern hat Ihrer Meinung nach die erste Mondlandung des US-amerikanischen Raumfahrtprogrammes die Menschheit kulturell verändert?

Es wurde viel Geld in das Apollo-Programm gesteckt und gegenüber den Sowjets eine Überlegenheit im Weltraum bewiesen - das war das Hauptziel. Von einem kulturellen Blickwinkel aus gab es einen wichtigen zweiten Effekt. Nämlich, dass die Menschen die Erde aus einer anderen Perspektive sahen, von einer anderen Welt aus. Sie standen auf dem Mond und schauten hinunter auf die Erde. Jeder Astronaut, der je auf dem Mond war, wird erzählen, wie unglaublich es war, die Erde als Ganzes von so weit weg zu sehen. 

Das hat unseren Planeten letztlich relativiert, wie Carl Sagan (Astrophysiker, Autor und Fernsehmoderator, Anm. d. Red.) sagte: Er war "ein hellblauer Punkt" in einem riesigen Kosmos.

Blick auf die Erde vom Mond; Foto von der Apollo 11-Mission
Die Erde, der "hellblaue Punkt", vom Mond aus gesehen: Aufnahme während der Apollo 11-MissionBild: picture-alliance/dpa/NASA/CNP

Sie arbeiten mit Künstlern zusammen und machen sogar eigene Musik, die, wie Sie sagen, von Träumen über das Weltall beeinflusst ist. Wie integrieren Sie diese Träume in Ihre Musik?

Ich versuche Klänge aus dem All in meine Lieder einzubeziehen. So wie zum Beispiel den Klang des Urknalls - die Expansion des Universums. Diese Klänge können wir nicht mit unseren Ohren hören, aber ich kann die Frequenzen verändern und den Ton so anpassen, dass wir ihn am Computer hören können.

Und dann kann ich diesen Klang - es ist ein zischendes Geräusch - in meine Musik einbauen. Das funktioniert auch mit dem Klang eines explodierenden Sterns. Er hört sich an wie eine Basstrommel.

Ben Moore hat mehrere Sachbücher über die Erde und das Universum geschrieben. Zusammen mit seiner Ehefrau Katharina Blansjaar schrieb er das Kinderbuch "Gibt es auf der dunklen Seite vom Mond Aliens?" (2017). Im Mai 2019 erschien im Verlag "Kein & Aber" sein Werk "Mond - Eine Biografie" (engl. Originaltitel: The Moon: Past, Present & Future). 

 

Das Gespräch führte Louisa Schaefer.