1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ben Alis Partei vor der Auflösung

7. Februar 2011

Inmitten wachsender Spannungen hat das tunesische Innenministerium einen Stopp aller Aktivitäten der ehemaligen Regierungspartei RCD angeordnet. Zuvor waren bei Protesten wieder mehrere Menschen getötet worden.

https://p.dw.com/p/10BZs
RCD-Emblem
Emblem der RCD

Ab sofort dürften keine Parteiveranstaltungen und -treffen mehr stattfinden und alle Büros der RCD müssten geschlossen werden, erklärte am Sonntagabend (06.02.2011) das Innenministerium in Tunis. Außerdem bereite man die Auflösung der Partei von Ex-Präsident Zine el-Abidine Ben Ali vor. Nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur TAP wurden diese Maßnahmen wegen der "extremen Dringlichkeit" der Situation ergriffen, und um "die höheren Interessen der Nation zu bewahren".

Neue Gewalt

Am Wochenende war es in Tunesien zum schlimmsten Gewaltausbruch seit Ben Alis Flucht nach Saudi-Arabien gekommen. In der Stadt Kef im Nordwesten des Landes hatten Polizisten am Samstag das Feuer auf rund 1000 Menschen eröffnet, die eine Polizeiwache mit Steinen und Brandbomben bewarfen. Dabei wurden mindestens zwei Menschen getötet, wie die Behörden bestätigten. Zeugenberichten zufolge hatte der örtliche Polizeichef eine Frau geschlagen und damit viele Bürger erzürnt. Laut TAP griff eine Menschenmenge am Sonntag die Polizeiwache in Kef erneut an. Sie habe das Gebäude geplündert und anschließend in Brand gesteckt. Das Militär umstellte örtliche Regierungsgebäude, um sie zu schützen.

In der südlichen Stadt Kebili starb laut TAP ein Jugendlicher, der von einem Tränengaskanister getroffen wurde. Er habe zu einer Gruppe von Demonstranten gehört, die versucht hätten, einen Posten der Nationalgarde anzugreifen. Sie hätten gegen die Ernennung eines örtlichen Gouverneurs protestiert, hieß es. In Gafsa habe der jüngst ernannte Gouverneur seinen Posten in einem Militärfahrzeug verlassen müssen, nachdem bei einer großen Demonstration sein Rücktritt gefordert worden war, berichtete TAP.

Hilfe für die Provinz

Zerstörtes Auto in Sidi Bouzid (Foto: dpa)
Neue Unruhen: ein Bild vom Wochenende aus Sidi BouzidBild: picture-alliance/dpa

In Sidi Bouzid traf am Sonntag eine rund vier Kilometer lange Kolonne aus Bussen und Autos ein, um die Bevölkerung mit Hilfsgütern zu versorgen. Ähnliche Hilfstransporte sind auch für andere ländliche Gebiete geplant, die sich vom Regime Ben Alis im Stich gelassen fühlten. Auch in Sidi Bouzid waren am Wochenende wieder Hunderte Demonstranten auf die Straße gegangen. Grund für den Protest war laut TAP der Tod zweier Häftlinge in einer Polizeistelle. Sie waren demnach am Freitag bei einem Brand ums Leben gekommen. Die Behörden ordneten eine Untersuchung der Brandursache an. In Sidi Bouzid hatte die tunesische Revolte ihren Ausgang genommen, nachdem sich dort am 17. Dezember ein junger Mann selbst verbrannt hatte.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden bei dem Volksaufstand in Tunesien insgesamt etwa 150 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt. Auf das erfolgreiche Aufbegehren der Tunesier folgten Massenproteste in anderen arabischen Ländern, vor allem in Ägypten.

Tourismus am Boden

Der Aufstand versetzte vor allem der tunesischen Tourismusindustrie einen empfindlichen Rückschlag. Die Zahl der Urlauber und die Einnahmen im Fremdenverkehr brachen im Januar um 40 Prozent ein, wie der neue Tourismusminister Mehdi Houas bekanntgab.

Ein leerer Strand im Urlaubsort Sousse in Tunesien (Foto: dpa)
Ein leerer Strand im Urlaubsort Sousse in TunesienBild: picture-alliance/dpa

Aus Tunesien mussten im Dezember und Anfang Januar tausende Touristen in Sicherheit gebracht werden. Im Februar sei mit einem weiteren Rückgang der Einnahmen zu rechnen, so Houas. Der Tourismus trägt sechs Prozent zur Wirtschaftsleistung in Tunesien bei. Rund 400.000 Menschen oder vier Prozent der Bevölkerung finden dort ihr Einkommen.

Noch am Freitag hatte der Tourismusminister versichert, die Sicherheitslage habe sich deutlich verbessert. Die seit Mitte Januar geltende nächtliche Ausgangssperre und die anderen Sonderregelungen würden in Kürze aufgehoben. Ausländische Touristen könnten wieder sicher sein, ihre Ferien "in totaler Sicherheit und einer Atmosphäre absoluter Freiheit" verbringen zu können.

Autor: Christian Walz (dapd, afp, rtr, dpa)
Redaktion: Hans Ziegler