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Die Faszination des Gentlemen-Betrügers

Sabine Oelze26. Februar 2014

"Die Kunst der Fälschung" heißt ein Film über Wolfgang Beltracchi und seine Frau Helene. Er zeigt, wie der berühmte Kunstfälscher viele Menschen übers Ohr gehauen hat. Leider kommt Beltracchi dabei zu gut weg.

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Wolfgang und Helene Beltracchi Premiere des Films: Die Kunst der Fälschung
Bild: picture-alliance/dpa

Fälscher scheinen ein gutes Images zu haben. Das gilt für den Hauptmann von Köpenick genauso wie für Wolfgang Beltracchi. Der verurteilte Kunstfälscher und seine Frau posieren wie gut gelaunte Medienstars am Premierenabend vor den Kameras. Arm in Arm sonnen sie sich im Licht des Blitzlichtgewitters. Sehr viele Journalisten treten sich am extra ausgerollten roten Teppich auf die Füße. Als würden Brad Pitt und Angelina Jolie erwartet.

Am 27. Oktober 2011 wurde Wolfgang Beltracchi wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu sechs Jahren Haft, seine Frau Helene zu vier Jahren, ihr Komplize Otto Schulte-Kellinghaus zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Wolfgang Beltracchi verbüßt seine Strafe im offenen Vollzug. Tagsüber hat er Freigang und kann in seinem Atelier in der Nähe von Köln arbeiten. Erstaunlich oft für einen Betrüger tritt er in Talkshows auf. Er verlässt sogar das Land, um seine Biographie und einen gerade erschienen Gefängnis-Briefwechsel mit seiner Frau zu vermarkten. Eigenartig genug: Der selbstbewusste Beltracchi hat die Aufmerksamkeitsökonomie fest im Griff.

Schwierige Familienbande

Da wäre auch der erste heikle Punkt von "Die Kunst der Fälschung". Filmemacher Arne Birkenstock ist der Sohn des Beltracchi-Anwalts. Entsprechend ist kein investigativer journalistischer Beitrag entstanden. Das sei auch nicht seine Absicht gewesen, sagt Arne Birkenstock im Gespräch mit der DW.

Helene Beltracchi im O--Ton

Er habe "ausgewogen" berichten wollen und sowohl die "pfiffige, aber auch die großmäulige Seite von Beltracchi darstellen" wollen. Das gelingt nicht immer. Die meiste Zeit darf sich Wolfgang Beltracchi als gewiefter Lebemann, der zu allem bereit ist, um zum Establishment dazu zu gehören, präsentieren: Fast zehn Millionen Euro sprangen für ihn raus, die er in ein Leben in Saus und Braus investierte: Villa in Südfrankreich, Ferien an exotischen Orten, Architektenhaus in Freiburg. Manchmal wirkt es glorifizierend, wenn ein nervig rockiger Sound Bilder dieses extravaganten Lebensstils untermalt.

Spezialgebiet Expressionismus

Trotzdem ist die "Die Kunst der Fälschung" ein aufschlussreicher Film. Er zeigt Beltracchis "Arbeit" aus nächster Nähe. Keinem anderen als Arne Birkenstock wäre das möglich gewesen. Auch wenn viele Szenen nachgestellt wurden, ist es interessant zu sehen, wie gründlich sich der Fälscher in die Künstler eingearbeitet hat. Dieser spezialisierte sich auf Bilder von expressionistischen Künstlern wie Max Ernst, Max Pechstein oder Heinrich Campendonk. 300 Fälschungen sollen es insgesamt gewesen sein, für vierzehn wurde er verurteilt. Die Gemälde schleuste er mit Hilfe seiner Frau und eines weiteren Komplizen in den Handel ein.

Damit hat Beltracchi einen der größten Fälscherskandale auf dem Kunstmarkt ausgelöst. Aber auch der Kunsthandel war bereit, das Spiel mitzuspielen. Der Hunger nach Blue Chips, also Kunstwerken mit sicherer Wertsteigerung, führte zu Nachlässigkeiten: schlampigen Gutachten und leichtfertigen Verkäufen. Wie ein Journalist in dem Film bemerkt: "Niemand hatte ein Interesse, dass Beltracchi auffliegt."

Wolfgang und Helene Beltracchi: "Das ist doch klar, dass wir kein Unrecht empfinden können."

Zu wenig Opfer

Leider kommen nur wenige Geschädigte zu Wort. Die hätten sich vor der Kamera nicht äußern wollen, sagt Birkenstock. Leider unterschlägt der Film auch andere wichtige Informationen: Weder der Komplize Otto Schulte-Kellinghaus noch Bilder von dem Prozess vor dem Landgericht in Köln, der in auffallend schneller Zeit zu Ende ging, tauchen auf. Leider taucht auch Stefan Koldehoff nicht auf. Der Journalist und Buchautor hat über Jahre zu dem Fall geforscht, und sich damit bei den Beltracchis unbeliebt gemacht. Die wollten ihn nicht mal bei der Premiere dabei haben und ließen ihn ausladen.

Geld kommt vor Moral

Der Film schafft Sympathien für Beltracchi. Er ist gewitzt, humorvoll - und ausgesprochen nett zu seiner Frau Helene. Diese ist ihm eine durchaus erfindungsreiche Komplizin, denn sie war es, die Kontakte zu Galerien, Auktionshäusern und Kunstexperten aufnahm, um Werke aus der erfundenen Sammlung Jäger in den Markt einzuschleusen. Was immer wieder erschreckt: Alle ließen sich an der Nase herumführen.

Filmszene Beltracchi: Die Kunst der Fälschung Copyright: Senator/dpa
Filmszene aus "Die Kunst der Fälschung"Bild: Senator/dpa

Beltracchi kommt ohne Frage ein bisschen zu gut weg. Als Gentleman-Gauner, als einer, der nach Alternativen sucht, weil er keine Lust hat, ein leeres Konto zu haben, während es sich andere gut gehen lassen. Aber er redet auch viel Unsinn wie: "Eine Idee macht noch keinen großen Maler. Max Ernst ist kein Genie". Oder: "Ich hätte gerne noch einen Palazzo in Venedig gekauft."

Beltracchi muss für seine kriminelle Vergangenheit büßen. Im Gefängnis malt er weiter. Es soll angeblich eine große Nachfrage nach seiner Kunst geben. Auch unter dem Namen Beltracchi laufen die Geschäfte seiner Werke gut. Moral und Geld sind eben zwei Paar Schuhe.