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Rücktritt vom Rücktritt

18. Juli 2008

Der belgische Ministerpräsident Yves Leterme muss trotz seiner Rücktrittsabsichten vorerst im Amt bleiben. Ein Vermittlergremium soll nun einen Ausweg aus der belgischen Dauerkrise bahnen.

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Yves Leterme hat es nicht leicht, Quelle: AP
Yves Leterme hat es nicht leichtBild: AP

Der belgische König Albert II. hat das Rücktrittsgesuch von Ministerpräsident Yves Leterme abgelehnt. Damit bleibt der belgische Regierungschef vorerst im Amt, wie ein Palastsprecher am Donnerstagabend (17.07.2008) in Brüssel mitteilte. Der 48-jährige Leterme hatte in der Nacht auf Dienstag nach nur vier Monaten im Amt seinen Rücktritt angeboten, nachdem Verhandlungen über eine grundlegende Staatsreform in Belgien erneut gescheitert waren.

Dauerstreit zwischen den Regionen

Die geplante Staatsreform wird durch den Dauerstreit zwischen den beiden großen belgischen Sprachgruppen, den niederländischsprachigen Flamen und den frankophonen Wallonen, behindert. Die Flamen streben mehr Autonomie für ihre Region, das wirtschaftlich prosperierende Flandern, an. Die frankophonen Belgier fürchten, dies werde die wirtschaftliche Kluft zwischen Flandern und Wallonien weiter vertiefen.

Yves Leterme legt im März vor König Albert II. den Amtseid ab, Quelle: dpa
Yves Leterme legt im März vor König Albert II. den Amtseid abBild: picture-alliance/ dpa

Leterme solle das Wirtschaftsprogramm, auf das er sich bereits mit seinen Koalitionspartnern geeinigt habe, umsetzen, hieß es am Donnerstagabend aus dem Königspalast bei Brüssel. Zudem beauftragte der König drei politische Persönlichkeiten damit, "Garantien" für einen "institutionellen Dialog" auszuarbeiten. Überraschend wurde auch der Ministerpräsident der winzigen deutschsprachigen Minderheit in Belgien, Karl-Heinz Lambertz, in dieses Trio berufen.

Vermittlergremium ohne Flamen

Nach dem Willen des Königs sollen nun offenbar zunächst die frankophonen Belgier eine klare Linie finden, wie weit sie den Flamen entgegenzukommen bereit sind. Darauf deutet die Besetzung des Vermittlertrios hin: Ihm gehört kein flämischer Politiker an. Vielmehr beauftragte Albert einen wallonischen EU-Abgeordneten, Raymond Langendries, und einen frankophonen Politiker aus der zweisprachigen Hauptstadtregion Brüssel, François-Xavier de Donnea, mit der Suche nach einer Lösung. Der Dritte im Bunde, Lambertz, gehört ebenfalls einer frankophonen Partei an, weil die deutschsprachige Minderheit in Wallonien lebt. Bis zum Monatsende soll das Trio dem König einen ersten Bericht vorlegen.

Die belgische Fahne, Quelle: AP
Belgien hat eine angeschlagene RegierungBild: AP

Der flämische Christdemokrat Leterme, dessen Partei bei der Parlamentswahl im Juni 2007 stärkste politische Kraft des Landes wurde, hatte bei seinem Amtsantritt im März ein umfassendes Reformpaket versprochen, konnte sich jedoch mit seinen Koalitionspartnern aus den frankophonen und flämischen Landesteilen nicht darauf einigen. Strittig blieb vor allem die Aufteilung des Wahlbezirks der Hauptstadtregion Brüssel. Die flämischen Umlandbezirke von Halle und Vilvoorde mit fast 40 Gemeinden würden dabei aus dem bisher zweisprachigen Wahlkreis herausgenommen. Rund 125.000 frankophone Bewohner des Brüsseler Umlands würden dabei Sonderrechte für die Benutzung ihrer Sprache verlieren.

Leterme stand zudem unter dem Druck seiner eigenen Partei, bei der Staatsreform wichtige Kompetenzen von der förderalen Ebene auf die Regionen zu übertragen. Dazu gehörten die Ressorts Arbeitsmarkt, Gesundheit und Familie sowie eine teilweise Regionalisierung der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung. Brüssel und die Wallonie als die ärmeren Regionen lehnten dies weitgehend ab. Sie fürchten eine Aufkündigung der finanziellen Solidarität zwischen den Regionen, wie sie ähnlich dem deutschen Länderfinanzausgleich bislang auch in Belgien besteht. (stu)