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Belarus: Hunderte Oppositions-Anhänger festgenommen

23. März 2006

Die Wahlstäbe der oppositionellen Präsidentschaftskandidaten stellen fest: Hunderte ihrer Anhänger wurden vor und nach der Wahl festgenommen. Präsident Lukaschenko meint, das geschehe nur auf deren eigenen Wunsch.

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Auch Demonstranten werden wegen "Rowdytums" verhaftetBild: AP

Nach Angaben von Wladimir Labkowitsch, der als Jurist beim Wahlstab des gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten der demokratischen Kräfte Aleksandr Milinkewitsch tätig ist, wurden seit Beginn des Wahlkampfs in Belarus etwa 450 Milinkewitsch-Anhänger festgenommen, von denen mehr als 300 bestraft wurden. Von diesen 300 wurden mehr als 250 zu unterschiedlich langen Gefängnisstrafen verurteilt. Zwei von ihnen, der Führer der Partei Belarussische Volksfront, Winzuk Wetscherko, und das Mitglied der Vereinigten Bürgerpartei, Wladimir Schanzew, erhielten die längsten Strafen. Sie wurden wegen der Organisation nicht genehmigter Kundgebungen zu 15 Tagen Haft verurteilt. Die restlichen Oppositionellen wurden nicht wegen politischer Aktivitäten, sondern wegen „Rowdytums“ inhaftiert.

Am häufigsten wird Oppositionellen vorgeworfen, Schimpfwörter verwendet zu haben. Etwa 100 „schimpfende“ Oppositionelle wurden von der Miliz gefasst. Als Zeugen treten meist die Milizionäre selbst auf. Labkowitsch zufolge wurden während des Wahlkampfes etwa 20 Milinkewitsch-Aktivisten vom Arbeits- oder Ausbildungsplatz entlassen. Der Jurist erklärte, allen Opfern werde materielle und moralische Unterstützung gewährt. Gegen die gefälschten Strafsachen werde Protest eingelegt, aber Labkowitsch sagte: „Wir wissen, dass es keine Chance gibt. Wir wollen aber gegen die schwersten Vorwürfe protestieren, um deutlich zu machen, wie absurd sie sind.“

Oppositionelle wurden mehrfach festgenommen

Mit denselben Problemen haben auch die Aktivisten des anderen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Aleksandr Kosulin zu kämpfen. Dessen stellvertretender Wahlstabsleiter Anatolij Lewkowitsch nannte folgende Zahlen: Während des Wahlkampfs seien etwa 60 Personen bestraft worden. Rund 30 seien zu unterschiedlich langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Lewkowitsch betonte: „Sie nehmen selektiv die Leiter lokaler Wahlstäbe oder Wahlbeobachter fest.“ Kosulins Vertreter sagte, viele Aktivisten würden mehrfach festgenommen und wieder entlassen, um sie an ihrer Arbeit zu hindern. Solche Festnahmen gehen Lewkowitsch zufolge in die Tausende.

Auch Demonstranten werden verfolgt

Seit Sonntag (19.3.) wurden nach Angaben der Opposition etwa 280 ihrer Anhänger festgenommen. Der Vertreter der belarussischen Menschenrechtsorganisation Wjasna, Oles Belazkij, teilte mit, die meisten von ihnen seien gefasst worden, als sie die tägliche Demonstration auf dem Oktober-Platz in Minsk verließen. Aber auch in anderen Landesteilen seien zahlreiche Oppositionsanhänger gefasst worden. Die meisten von ihnen seien wegen Rowdytums zu Haftstrafen von einigen Tagen bis zu zwei Wochen verurteilt worden.

Lukaschenko: Festgenommene sind der Miliz dankbar

Auf seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl erklärte Präsident Aleksandr Lukaschenko, ihm seien Fälle von gesetzwidriger Festnahme und Verurteilungen von Bürgern nicht bekannt. Er betonte, er sei darüber unterrichtet worden, es habe Fälle gegeben, wo Oppositionelle die Miliz gebeten hätten, sie festzunehmen und sie für einige Tage von der Gesellschaft zu isolieren.

Lukaschenko erklärte: „Ich weiß, dass einige Personen – darüber bin ich, wie es üblich ist, in einem Bericht informiert worden – festgenommen wurden. Aber, entschuldigen Sie, sie haben selbst darum gebeten. Man muss doch sein Gesicht wahren. Sie sind doch nicht dumm, sie haben verstanden, dass nichts gelingen wird und dann baten sie darum, am 20. oder 21. wieder entlassen zu werden. Ich hätte gar nicht darüber gesprochen, wenn Sie mir diese grässliche Frage nicht gestellt hätten. Also die Festgenommenen – ein Teil von ihnen ist unserer Miliz dankbar dafür, dass sie in aller Ruhe in Hotels untergebracht wurden, zu essen und zu trinken bekamen, und sie alle sind wahrscheinlich schon wieder zu Hause.“

DW-RADIO/Russisch, 23.3.2006, Fokus Ost-Südost