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Todesstrafe in Belarus

6. Oktober 2010

2007 hat der Europarat den 10. Oktober zum Europäischen Tag gegen die Todesstrafe erklärt. Belarus ist das einzige Land in Europa, in dem es die Todesstrafe noch gibt. Eine Abschaffung ist nach wie vor nicht in Sicht.

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Gefängnis in Minsk (Foto: RIA/Novosti)
Anstatt Todesstrafe lebenslange Haft gefordertBild: RIA Novosti

Amnesty International (AI) zufolge wurden in Belarus im März dieses Jahres trotz internationaler Proteste erstmals seit 2008 wieder Todesstrafen vollstreckt. Die Behörden informieren die Angehörigen von Hingerichteten über die Vollstreckung der Strafen meist erst im Nachhinein. Nach geltendem belarussischen Gesetz müssen Angaben zum Zeitpunkt der Vollstreckung und zur Grabstätte des Hingerichteten nicht offengelegt werden.

Europarat in Straßburg (Foto: dpa)
Europarat fordert Abschaffung der TodesstrafeBild: picture-alliance/ dpa

Der Europarat, dem Belarus nicht angehört, verurteilte die diesjährigen Hinrichtungen scharf. Es sei ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen, das Land den europäischen Werten näher zu bringen. Man wolle Belarus dabei helfen, seine Isolation in Europa zu beenden. Dafür sei es aber nötig, dass Hinrichtungen unterblieben, verlautete aus Straßburg.

Die letzten Exekutionen gab es nach offiziellen belarussischen Angaben 2008. Damals wurden fünf Menschen zum Tode verurteilt, vier davon hingerichtet. Seit 1991 wurden laut einer Schätzung von Amnesty International insgesamt bis zu 400 Menschen mit einem Schuss in den Hinterkopf exekutiert. Genaue Zahlen liegen aber nicht vor, da die Behörden so gut wie keine Angaben über Todesurteile und Hinrichtungen veröffentlichen.

Wie steht die Öffentlichkeit zur Todesstrafe?

Belarussische Menschenrechtler in Minsk (Foto: DW)
Ales Beljazkij (links): Öffentlichkeit gespaltenBild: DW
Der Europarat, die EU und Menschenrechtsorganisationen haben von der Führung in Minsk wiederholt die Abschaffung der Todesstrafe gefordert. Minsk verweist aber auf ein Referendum aus dem Jahr 1996, bei dem sich 80 Prozent der Belarussen für die Beibehaltung der Todesstrafe ausgesprochen haben sollen. Ferner berufen sich die Behörden auf Umfragen staatlicher Stellen. Danach seien nur vier Prozent der Belarussen für die Abschaffung der Todesstrafe.

Diese Zahlen hält der belarussische Menschenrechtler Ales Beljazkij für falsch. "Faktisch ist die Öffentlichkeit in dieser Frage in etwa zwei gleichgroße Lager gespalten", sagte er. Nach einer im März 2010 durchgeführten Umfrage des unabhängigen belarussischen Forschungsinstituts NOVAK unterstützen heute 39 Prozent der Belarussen die Abschaffung der Todesstrafe, dagegen sind 48 Prozent. 13 Prozent der Befragten wollten sich nicht festlegen.

Immer noch kein Moratorium

Umfrageergebnisse dürften aber nicht als Argumente in der Diskussion um die Todesstrafe dienen, meint Andrea Huber von Amnesty International. "Die Entscheidung, ob der Staat Menschen tötet oder nicht, kann nicht auf Umfragewerten basieren, da Politiker die Meinung der Menschen beeinflussen und sie können sie auch überzeugen, dass die Todesstrafe nicht der richtige Weg ist", betonte sie. Damit könne man also nicht entschuldigen, dass Belarus ein Moratorium weiter hinauszögere.

Portrait von Andrea Huber, stellvertretende Direktorin der AI-Abteilung "Europe and Central Asia" (Foto: DW)
Andrea Huber von Amnesty International fordert ein sofortiges MoratoriumBild: Andrea Huber

Ein Moratorium, also die Aussetzung der Todesstrafe, wäre ein erster Schritt in Richtung Abschaffung. Doch dazu war bislang die Führung in Minsk nicht bereit. Sie führte aber immerhin als alternatives Strafmaß eine lebenslängliche Haftstrafe ein. Menschenrechtler sehen darin einen Fortschritt und glauben, dass sich dadurch die Anzahl der Hinrichtungen verringert haben könnte. Als weiteren Fortschritt werten Beobachter auch die Tatsache, dass sich seit einiger Zeit ein Ausschuss im belarussischen Parlament mit der Todesstrafe befasst.

Gnadengesuche werden abgelehnt

Andrea Huber von Amnesty International warnt aber: "Einerseits gibt es positive Anzeichen, so wird ein Parlamentsausschuss gebildet, und es gibt auch positives Feedback, was die Bemühungen um ein Moratorium angeht. Aber andererseits, wenn es um Urteile geht, dann sehen wir eine sehr, sehr negative und beunruhigende Tendenz."

Nach Angaben belarussischer Menschenrechtler wurden jüngst vom Obersten Gericht Todesstrafen gegen zwei Männer bekräftigt. Sie können jederzeit vollstreckt werden, oder sind vielleicht schon vollstreckt worden. In einem weiteren Fall bemühen sich die Anwälte eines zum Tode verurteilten Mannes, das Urteil anzufechten. Gnadengesuche an den Präsidenten haben so gut wie keinen Erfolg. In seiner gesamten 16-jährigen Regierungszeit unterschrieb Aleksandr Lukaschenko nur eine einzige Begnadigung.

Autor: Markian Ostaptschuk
Die Interviews führten: Natalia Grigorieva, Viktoria Sarjanka
Redaktion: Fabian Schmidt