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Chinas Navigationssystem "Beidou" komplett

Mu Cui
12. August 2020

Chinas Satellitennavigationsnetz "Beidou" ist jetzt im Vollbetrieb. Trotz Reibungen mit dem europäischen System "Galileo" überwiegen laut Experten die Vorteile mehrerer Systeme.

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Beidou Navigation
Chinas Beidou-SystemBild: picture-alliance/dpa

Ende Juli verkündete Chinas Staatspräsident Xi Jinping in einer Zeremonie in der Großen Halle des Volkes den Beginn des Vollbetriebs des chinesischen satellitengestützten Navigationssystems "Beidou". Es handelt sich um den Abschluss der 3. und letzten Ausbaustufe, bestehend aus rund 35 voll funktionsfähigen Satelliten. Beidou ist nach dem Sternbild "Großer Wagen" benannt. Es sei bereits jetzt in über der Hälfte aller Länder im Einsatz, erklärte ein Außenamtssprecher. Zuvor hatte China Ende Juni den letzten noch fehlenden Satelliten für "Beidou 3" in die Erdumlaufbahn gebracht.Das Navigationssystem Beidou steht potentiell in Konkurrenz zum amerikanischen GPS, dem russischen Glonass und dem europäischen Galileo.

China Raketenstart letzter BeiDou Satellit
Start des letzten Beidou-Satelliten am 23.06.2020Bild: picture-alliance/Xinhua/H. Xujie

Kooperation mit Galileo gescheitert

Ursprünglich wollte sich China an Galileo beteiligen. Im Oktober 2004 wurde ein Kooperationsabkommen zwischen beiden Seiten unterzeichnet. Mit einer Investitionssumme von 200 Millionen Euro wäre Peking der wichtigste außereuropäische Partner des Galileo-Projekts gewesen. Doch schnell wurde klar, dass China und Europa unterschiedliche Vorstellung von dieser Zusammenarbeit hatten.

Den beteiligten europäischen Unternehmen ging es um verbesserten Zugang zu den lukrativen chinesischen Verkehrs- und Kommunikationsmärkten, China um Technologietransfer. Denn Anfang der 2000er Jahre hatten chinesische Ingenieure noch Schwierigkeiten, eigenständig ein solches System zu entwickeln.

Robert Weber, Experte für Satellitennavigation an der Technischen Universität Wien, sagte gegenüber der DW, dass es damals vor allem Sicherheitsbedenken aus den USA gab. "Somit wurde zwar von China ein finanzieller Beitrag verlangt, aber es wurden faktisch keine technischen Informationen angeboten. Damit war der Deal geplatzt."

Pekings System schon lange geplant

Weber betont auch, dass Beidou von Anfang an geplant gewesen sei. Durch den Einstieg beim Galileo-Projekt hätten die Chinesen mit den dadurch gewonnen Daten ihr eigenes Projekt leichter und schneller verwirklichen können.

Tatsächlich reichen die Pläne für ein eigenes chinesisches Satellitennavigationssystem bis Anfang der 90er Jahre zurück, noch bevor Europa sein Galileo-Projekt angedacht hatte. Es war vor einigen Jahren in chinesischen Staatsmedien zu lesen, dass die präzisen Lenkflugkörper der USA, die im Golfkrieg 1990/91 gegen den Irak zum Einsatz kamen, die Pekinger Führung "tief beeindruckt" hätten. Die chinesische Armee habe sich aber nicht vom amerikanischen GPS abhängig machen wollen. So kam es, dass China im Herbst 2000 seinen ersten Beidou-Satelliten ins All schoss.

Galileo Satellitensystem
Vier bestehende Satellitennavigationssysteme: Galileo (Bild), GPS, Beidou und Glonass Bild: ESA/Illustration: Pierre Carril

Konflikt mit Galileo wegen Frequenzen

Der erste Testsatellit des Galileo-Systems kam hingegen erst 2005 ins All. Für die ungefähr 30 Galileo-Satelliten, die inzwischen in ihre jeweiligen Positionen gebracht wurden, ergibt sich nun folgendes Problem: Die Frequenzen, die Galileo braucht, sind teilweise schon von den Beidou-Satelliten belegt.

Für Europa sei das ärgerlich, denn nach den Regeln der Internationalen Fernmeldeagentur ITU sei das chinesische Nutzungsrecht nicht zu beanstanden. Günter Hein, Satellitennavigationschef für Galileo der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zwischen 2008 und 2014, erklärt im Gespräch mit DW, dass die Europäer laut internationalen Regeln die chinesische Frequenzbelegung anerkennen müssten. "Aus Sicherheitsgründen hatte Europa gegenüber China den Wunsch geäußert, die Frequenzbelegung zu ändern. Dazu kam es leider nicht. Die sehr langwierigen Verhandlungen, an denen ich teilgenommen habe, führten zu keinem Ergebnis."

Besonders strittig sind diejenigen Frequenzen, die von staatlichen Sicherheits- und Rettungsdiensten genutzt werden. Zwar gibt es technische Möglichkeiten, dass beide Systeme mit denselben Frequenzen arbeiten. Aber wenn zum Beispiel Beidou gezielt gestört würde, würde auch Galileo beeinträchtigt.

"Ja, das Problem ist nach wie vor da. Aber wir können damit leben. Auch weil in Europa die zweite Generation von Galileo neu entwickelt wird und man dann dieses Problem lösen wird", sagt allerdings Günter Hein.

Auch Matthias Petschke, bei der EU-Kommission für das Galileo-System zuständig, glaubt an eine Lösung des Problems. Der Abstimmungsprozess mit China gehe immer noch weiter. Außerdem habe China seit 2015 einige Änderungen an Beidou vorgenommen, um die bestehende Frequenzüberlappung weiter zu reduzieren.

Deutschland Montage Navigationssatellit Galileo bei OHB Systems AG Bremen
(Archiv) Ein Galileo-Satellit wird in Bremen montiertBild: picture-alliance/U. Baumgarten

Kooperation der Systeme mit Einschränkungen

Die chinesische Behörden erwähnen den Streit um die Frequenz so gut wie nicht. Beidou Pressesprecher Ran Chengqi bekräftigte vergangene Woche, dass es zwischen GPS, Glonass, Galileo und Beidou "enormes Potential zur Zusammenarbeit" gebe. Als Beispiel erwähnte er, dass die meisten Smartphones heutzutage sowohl Beidou- als auch GPS- und Galileo-Signale empfangen können. "Nur iPhones schließen Beidou-Signale aus. Aber früher oder später wird Apple auch diesen Schritt tun, weil Beidou ein gutes System ist."

Nach Angaben von Günter Hein ist diese Interoperabilität Ergebnis von langen Verhandlungen. "In zivilen Bereichen gibt es fast keine Galileo-Empfänger oder Beidou-Empfänger mehr. Alle Geräte sind sogenannte Multisystem-Empfänger."

Auch Robert Weber von der Technischen Universität Wien lobt die Zusammenarbeit zwischen allen vier Satellitennavigationssystemen im zivilen Bereich. "Dies führt zu einer höheren Positionierungsgenauigkeit und vor allem zu einem einfacheren Positionieren in signalabgeschatteten Regionen." Allerdings gebe es bei verschlüsselten Signalen große Sicherheitsbedenken auf beiden Seiten. "Da ist keine Zusammenarbeit denkbar. Diese Sicherheitsbedenken gelten natürlich auch zwischen Galileo einerseits und GPS oder Glonass andererseits."