1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Männerfreundschaft ohne Einfluss

Michael Knigge28. April 2012

Die Verbindung zwischen Mitt Romney und Benjamin Netanjahu sorgt im US-Wahlkampf für Aufregung. Sie dürfte aber keine große Rolle spielen - selbst wenn Romney Präsident wird.

https://p.dw.com/p/14mMG
Der amerikanische Präsidentschaftskanditat Mitt Romney trifft Benjamin Netanjahu (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Mitt Romney und Benjamin Netanjahu sind alte Freunde. Es war nicht wirklich neu und unbekannt, als die New York Times kürzlich über diese langjährige Verbindung zwischen dem wahrscheinlichen republikanischen US-Präsidenschaftskandidaten und dem israelischen Premierminister berichtete. Aber es war das erste Mal, dass ein breites, internationales Publikum davon erfuhr. Und das ausgerechnet in der Endphase des innerparteilichen republikanischen Wahlkampfs um die Präsidentschaftskandidatur und während der internationalen Debatte über einen möglichen israelischen Angriff auf den Iran - auch deshalb erhielt das Thema große Aufmerksamkeit.

Freunde seit Jahrzehnten

Romney und Netanjahu begegneten sich erstmals 1976, als beide für die Unternehmensberatung Boston Consulting Group arbeiteten. Die New York Times zitiert Romney, der erzählt, dass er und Netanjahu sich fast blind verstünden, dass sie gleiche Erfahrungen gemacht hätten und ähnliche Ansichten verträten. Entsprechend stellt sich die Frage, welchen Einfluss diese Freundschaft auf die Beziehungen der beiden Länder und letztlich auch auf die Weltpolitik haben könnte. Vor allem, weil das Verhältnis des derzeitigen US-Präsidenten Barack Obama zu Netanjahu als extrem schwierig gilt.

Präsident Barack Obama und Israels Premer Netanjahu bei einer Besprechung im Weißen Haus (Foto: dapd).
Angespanntes Verhältnis: Netanjahu und ObamaBild: dapd

Ausgelagerte Nahost-Politik

Angeheizt wurde die Debatte von Romney selbst, der in einer Rede seinen Kontrahenten Newt Gingrich für eine Aussage über die Palästinenser kritisierte: "Bevor ich solch eine Aussage machen würde, würde ich meinen Freund Bibi Netanjahu anrufen und sagen: 'Wäre es hilfreich, wenn ich das sagen würde? Was sollte ich deiner Meinung nach tun?'"

Martin Indyk, der unter US-Präsident Bill Clinton amerikanischer Botschafter in Israel war, sieht in Romneys Aussage die Ankündigung, dass er die "Nahost-Politik an Israel auslagern“ wolle. Und das, so ergänzte Indyk in dem Artikel der New York Times, sei unangebracht. Der israelische Botschafter in Washington wiederum sah sich durch die Publikation veranlasst, einen Leserbrief zu schreiben: Israel mische sich nicht in die inneren Angelegenheiten der USA ein und schätze die Unterstützung durch beide Parteien sehr, so der Botschafter.

Nationale Wählerschaft hat Vorrang

Wie groß also sind die Auswirkungen der engen Freundschaft zwischen Romney und Netanjahu auf die israelisch-amerikanischen Beziehungen? Zwei von der Deutschen Welle befragte Experten betonen, dass die Debatte über mögliche Konsequenzen der Männerfreundschaft auf einer Doppel-Annahme beruht: nämlich, dass Romney US-Präsident wird und Netanjahu Premierminister bleibt – beides ist ungewiss.

Hier die Experten-Analyse in aller Kürze: Die Freundschaft der beiden wird einen geringen politischen Einfluss haben, dieser wird jedoch positiv sein, wenn die politischen Voraussetzungen stimmen. Das persönliche Vertrauen unter hochrangigen Politikern spielt eine bedeutende Rolle in zwischenstaatlichen Beziehungen, betont Mark Heller, USA-Kenner am Institute for National Security Studies in Tel Aviv. Aber es sei ebenso wichtig, diesen Faktor nicht zu überschätzen, ergänzt er.

Die südliche Ansicht des Weißen Hauses in Washington (Foto: UPI/Ron Sachs/POOL /Landov).
Sollte Romney ins Weiße Haus einziehen - was hieße das für die amerikanische Nahost-Politik?Bild: picture alliance / landov

"Man darf nicht vergessen, dass beide als Führungsfiguren ihrer Länder sich hauptsächlich damit befassen, die Interessen ihrer eigenen Länder zu verstehen“, so Heller. Im Klartext: Die über lange Zeit gewachsenen nationalen Interessen ändern sich nicht plötzlich, nur weil zwei Staatsmänner gute Freunde sind. Schließlich, so betont der Experte, lebten demokratisch gewählte Führungsfiguren nicht in einem Vakuum, sondern seien Teil eines fein gesponnenen Netzes aus politischen, wahlgetriebenen, wirtschaftlichen und medialen Beziehungen. Der nationalen Wählerschaft zu dienen, sei ungleich wichtiger als die Pflege persönlicher Beziehungen.

Gegenseitiges Verständnis ist hilfreich

Dennoch sei ein gutes persönliches Verhältnis in der Politik von großem Vorteil, sagt Arthur Hughes, Israel-Experte am Middle East Institute in Washington. "Netanjahu hat die Neigung, zu informieren und sogar zu dozieren, um seine Perspektive und die seines Landes bis ins kleinste Detail zu erklären“, sagt Hughes. Doch innerhalb einer Freundschaft sei es für Romney auch möglich, seine eigene Meinung offen darzulegen. Dazu sei Obama derzeit vermutlich nicht in der Lage, weil sein Verhältnis zum israelischen Premierminister bereits so angespannt sei. Romneys Aussage bezüglich des Anrufs bei seinem "Freund Bibi" bewerten Hughes und Heller als innenpolitische Wahlkampfstrategie, um israelfreundlichen Wählern zu demonstrieren, dass Romney ein Freund des Landes ist. Eine Auslagerung amerikanischer Nahost-Politik sei selbstverständlich nicht zu erwarten.

Wahlkampf-Aussage

Würde die Beziehung zwischen Romney und Netanjahu dann überhaupt einen Einfluss haben auf die zwei wichtigsten Nahost-Themen: das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern und das iranische Atomprogramm? Unwahrscheinlich, betonen die Experten übereinstimmend.

Beim Streit um Tehrans Atomprogramm arbeiteten beide Regierungen bereits jetzt sehr eng zusammen. Ein Präsident Romney würde daran nichts ändern. Was das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinenser betrifft, so hat Präsident Obama erfahren müssen, dass Netanjahu nicht zu etwas zu bewegen ist, das er nicht will. Es ist nicht zu erwarten, dass ein Präsident namens Romney daran etwas ändern könnte.