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"Beauté Congo" - Große Schau kongolesischer Kunst in Paris

Christoph Trost4. August 2015

Bunt, schrill, ungewöhnlich: 90 Jahre Kunst aus dem Kongo sind erstmals in einer umfassenden Schau der Pariser Fondation Cartier zu sehen. Leihgaben aus dem Kongo sind in dieser Retrospektive allerdings nicht dabei.

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Installation von Boys Isek Kingelez in der Ausstellung "Beauté Congo" in Paris (Foto: Luc Boegly)
Bild: Luc Boegly

Der Kunstsammler und Kurator André Magnin kam 1987 in den Kongo. Das Land war damals unabhängig. Zehn Jahre später brach der Bürgerkrieg aus. Heute nennt sich der Kongo eine Demokratische Republik. In seiner bewegten Geschichte trug er zwischen 1971 und 1997 auch den Namen "Zaire". In all den Jahren hat Magnin kongolesische Künstler unterstützt und ihre Kunst nach Europa gebracht. Er wollte den Nachrichten von Armut und Krieg in Afrika entgegenwirken und die bunte Lebensperspektive der Künstler einem westlichen Publikum vorstellen. Im Pariser Kunstzentrum Fondation Cartier zeigt Magnin einen Rückblick auf 90 Jahre moderner kongolesischer Kunst. Einige der 350 Werke in der Ausstellung "Beauté Congo" stammen aus Magnins eigener Sammlung. Andere hat er in europäischen Archiven ausgegraben.

Georges Thiery als Kunst-"Entdecker" in der belgischen Kolonie

Bereits 1927, als der Kongo noch unter belgischer Kolonialherrschaft stand, hatte sich ein belgischer Kunstkenner auf die Suche nach der Kunst Zentralafrikas begeben. Georges Thiery war der erste von vier Geburtshelfern, die der modernen kongolesischen Kunst halfen, das Licht der internationalen Kunstwelt zu erblicken. Doch Thiery war nicht frei von – wenn auch gut gemeinten – Vorurteilen. Für ihn, so schrieb er einst, lagen die Wurzeln aller Kunst in der "Primitivität Afrikas." Diese Ansicht bewog Thiery zusammen mit dem Bibliothekar Gaston-Denys Périer, kongolesische Kunst nach Europa zu bringen.

1927 streifte Thiery durch ein kongolesisches Dorf und entdeckte einen Mann, der eine Gruppe von Kriegern auf seine Lehmhütte malte. Thiery gab dem Mann, der Djilatendo hieß, Papier und Stift und ließ ihn malen. Das war die erste Entdeckung Thierys – freilich nur für den Europäer eine Entdeckung. Auch Albert Lubaki, Elfenbeinschnitzer von Beruf und seine Frau Antoinette entdeckte er – und war verzückt von ihren lebensfrohen Werken, trotz des rauen Lebens. Thiery schrieb 1930, dass solche fröhlichen Bilder nur wegen des "guten Humors der Schwarzen und ihres Sinnes für das Schöne" möglich wären – und das trotz der kargen Gegend und der Fesseln der belgischen Zwangsarbeit.

Ausstellung kongolesischer Kunst floppt in Brüssel

Zusammen mit Périer organisierte Thiery 1929 eine Ausstellung im Palais des Beaux-Arts in Brüssel mit den entdeckten Werken. Die Ausstellung war ein Flop. Ihre guten Absichten, traditionelle Kunst zu schützen und zu exponieren, waren zunächst gescheitert. Die Werke, die die beiden aus dem Kongo mitgebracht hatten, verschwanden in den Archiven, bis André Magnin sie für die Ausstellung "Beauté Congo" hervorholte.

Pierre-Romain Desfossés schafft mit "Le Hangar" eine Kunst-Oase

Nach dem zweiten Weltkrieg kam ein französischer Marineoffizier und Amateurmaler, um die moderne Kunst des Kongos voranzubringen. 1946 setzte Pierre-Romain Desfossés talentierte Maler unter einen Baum und ließ sie malen, was auch immer sie sahen. Die besten Künstler nahm er als seine "Kinder" unter die Fittiche. In der kriegsgebeutelten Kolonie gab er ihnen Pinsel und Leinwand und ließ ihnen freies Geleit in seinem Atelier "Le Hangar" in Kongos zweitgrößter Stadt Lubumbashi. Auch Desfossés war überzeugt von der Reinheit der "afrikanischen Seele".

"Le Hangar" hinterließ seine Spuren im kongolesischen Kunstgedächtnis: Maler wie Mwenze Kibwanga (1925-1999) und Pili Pili Mulongoy (1914-2007) wirkten dort. Auf beide sind die Kongolesen auch heute noch stolz. Ihre Werke werden inzwischen für fünfstellige Preise verkauft und hängen unter anderem im Museum of Modern Art in New York – nicht zuletzt weil André Magnin sie protegierte.

Akademisierung der Kunst im Kongo

1960 gewann Kongo seine Unabhängigkeit und Künstler studierten nun in staatlichen Kunsthochschulen, wie der Académie des Beaux-Arts in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Dort lernen auch heute noch Nachwuchskünstler Grafik, Malerei und Bildhauerei. Vor allem aber ist die Académie des Beaux-Arts eine Stätte der "Hohen Kunst". Volkstümliche Straßenkünstler blieben schon in den 60er-Jahren außen vor.

Diese Künstler fingen alltägliche Szenen im Stadt-Trubel des modernen Kinshasas ein und verdienten kaum Geld damit. Chéri Samba (geb. 1956) ist einer von ihnen. In diese alternative Kunstszene tauchte der französische Kunstsammler André Magnin Ende der 80er-Jahre ein.

Chéri Samba und Bodys Isek Kingelez: auch international erfolgreich

Er traf auf zeitgenössische Künstler wie Chéri Samba und Bodys Isek Kingelez (1948-2015). Deren Mut und Originalität fesselte Magnin. Er war fasziniert von Bodys Isek Kingelez' futuristischen Städten aus Karton oder Chéri Sambas Gemälde eines Kindersoldaten, der sagt: "Ich bin für den Frieden, deswegen liebe ich Waffen." Sambas Werke werden mittlerweile für bis zu 55.000 US-Dollar verkauft. Magnin reist immer wieder in den Kongo und hat inzwischen auch die verschollenen Werke von Thiery wieder gefunden.

Die Ausstellung "Beauté Congo" (bis November 2015) zeigt die Werke von Djilatendo aus den Dreißigern über Pili Pili bis Kingelez. Magnin hegt vor allem die Hoffnung, "die Leidenschaft mit einer westlichen Öffentlichkeit zu teilen, die mich 30 Jahre antrieb, die besten Künstler des Kongos zu suchen."

Magnin scheint sein Ziel erreicht zu haben. Einige der kongolesischen Künstler müssen ihre Werke nicht mehr für 200 Dollar auf den Straßen Kinshasas verkaufen, und Europas Bild von Afrika dürfte nach der Ausstellung vielfältiger und bunter sein.

Ausstellung "Beauté Congo": Bewusstsein für kongolesische Kunst schaffen

Für Magnin ist es nicht "die Technik, die einen Platz in der Kunstgeschichte bringt, sondern Innovation", verriet er der französischen Zeitung "Le Monde". Nach wie vor sind es aber die westlichen Kuratoren und Institutionen, die bestimmen, was innovativ ist und die beeinflussen, welche Werke einen Platz in der Kunstgeschichte bekommen. Es sind Museen wie das Centre Pompidou, das Museum of Modern Art New York, oder die Fondation Cartier, nicht etwa das Musée National in Kinshasa. So bemängeln Kritiker auch, dass die Schau leider nur Bilder aus europäischen Sammlungen und nicht aus dem Kongo selbst zeige.

Immerhin ist die kongolesische Kunst in Europa angekommen. Ein gewaltiger Aufwand war dafür nötig: vom Bibliothekar über den Marineoffizier bis zum Sammler. Was noch fehlt, ist ein vergleichbar großer Aufwand, mehr kongolesische Kunst im Kongo selbst auszustellen.