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Baustelle Internetauftritt

Corinna Nohn1. April 2006

Die eigene Homepage ist für Abgeordnete inzwischen Standard. Doch wenn nicht gerade Wahlkampf ist, fristen viele Seiten ein trauriges Dasein - als ob das Internet nicht für Aktualität und Schnelllebigkeit bekannt wäre.

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Nach dem Wahlkampf werden viele Politiker-Homepages zu WaisenkindernBild: AP

Wer auffallen will, muss mehr bieten als "nur eine Homepage", könnte man meinen und an Videobotschaften, Blogs oder Podcasts denken. Doch mancher Politiker täte besser daran, seine Seite gründlich zu entrümpeln, bevor er versucht, den neuesten multimedialen Trends zu folgen. Klickt man sich zum Beispiel auf die Internetseite des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Rudolph Scharping, dann gähnt einen die Rubrik "Termine" weiß und leer an, ein Artikel vom Herbst letzten Jahres findet sich unter "Aktuelles".

Wahlen Deutschland Bundestag Plakat CDU und SPD
Plakatekleben reicht nicht mehrBild: AP

Viele Abgeordnetenseiten seien erschreckend unaktuell, sagt David Rose vom Informationsdienst "politikerscreen.de": "Da finden sich veraltete Informationen, Ankündigungen für abgelaufene Termine oder Blogs, in die nur einmal im Monat jemand was hineinschreibt." Besonders im Anschluss an Wahlkämpfe sei zu beobachten, dass zahlreiche Seiten vernachlässigt würden: "Vor den Wahlen wird die Seite groß aufgezogen, und es wird viel Geld investiert. Viele unterschätzen aber, wie wichtig es ist, das Angebot auch im Alltag interessant zu gestalten."

"Rausgeschmissenes Geld"

Ein weiteres Manko sei, dass Abgeordnete die eigene Homepage oft schlecht in den Gesamtauftritt integrierten. "Manche weisen in Emails oder Briefköpfen nicht einmal auf die Homepage hin, oder sie drucken die Adresse auf den Wahlplakaten viel zu klein ab. Das ist rausgeschmissenes Geld", meint Achim Weidner, Eigentümer einer Internetagentur in Rüsselsheim. Da kann die Seite noch so gut gestaltet sein – Wähler und Mitglieder stoßen nur per Zufall auf sie, der Aufwand war umsonst. Davon zeugen auch Studien, die belegen, dass viele Abgeordnetenseiten niedrige Besuchzahlen aufweisen und kaum Feedback generieren.

Manchmal konzipiert der Webmaster die Seite auch schlichtweg an der Zielgruppe vorbei. Hauptadressaten seien laut Weidner schließlich "die eigenen Leute", eventuell auch noch Unentschlossene: "Die will man mobilisieren, zur Unterstützung oder zum Spenden aufrufen. Viele Webseiten gleichen aber eher einer Kontakt- und Informationsseite für Medienvertreter." Und in solchen Fällen bleibt ein großer Vorteil ungenutzt, erklärt Jürgen Stern, Politikwissenschaftler der Universität Passau: "Die Parteien haben ja durch das Internet die Chance, die klassische Selektion durch die Medien umgehen und die Wähler direkt anzusprechen."

Authentizität, Aktualität und Interaktivität

Hauptziel einer Homepage sollte es deshalb sein, authentisch zu wirken und die Nutzer zu Rückmeldungen zu animieren. Denn so können die Parteien, die fast alle unter massivem Mitgliederschwund leiden, den Kontakt zur Basis halten. Authentizität und Interaktivität, im besten Fall auch Aktualität – da bietet sich zum Beispiel ein Weblog an. Diese Möglichkeit, auf lockerem und persönlichem Weg Ideen zu äußern und sich an die Anhänger zu richten, nutzen immer mehr Politiker. Doch Stern warnt: "Die Abgeordneten haben in der Regel keine Zeit, alle interaktiven Angebote wie Blogs oder Foren selbst zu warten. Wenn aber klar ist, dass ich da eigentlich nur mit einem Mitarbeiter kommuniziere, geht dem Ganzen natürlich der Reiz verloren."

Privatklinik
Bild: AP

Fest steht also: Wer authentisch wirken und gleichzeitig professionell auftreten will, den Ansprüchen der eigenen Mitglieder sowie denen der Medienvertreter genügen möchte, sollte sich einen Profi für die Gestaltung seiner Homepage suchen. Denn so mancher Computerfreak kann sicherlich eine technisch einwandfreie Seite erstellen, leicht verliert er dabei aber die Inhalte oder die Zielgruppe aus den Augen. So berichtet Rose, der mit "politikerscreen.de" regelmäßig die Internetseiten deutscher Abgeordneter testet: "Manchmal fehlen dann so grundlegende Dinge wie ein Lebenslauf oder die Pressemitteilungen. Es ist eben finanziell und personell sehr aufwendig, eine Homepage so zu pflegen, dass sie immer die richtigen Informationen parat hat und dabei auch einlädt, noch einmal wiederzukommen."