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PolitikThailand

Bauen deutsche Firmen die Ost-West-Landbrücke für Thailand?

David Hutt aus Bangkok
22. November 2023

Thailand plant eine neue Logistikroute, um die Ost- mit der Westküste des Landes zu verbinden. Dem Milliardenprojekt fehlen Investoren. China steht in der ersten Reihe. Bangkok sucht aber nach Alternativen.

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Symbolbild Thailand Landbrücke
Eine Bahnbrücke in der Nähe von Lopburi in ThailandBild: URS/Zoonar/picture alliance

Seit seiner Amtseinführung im August 2023 pendelt der thailändische Premierminister Srettha Thavisin zwischen asiatischen und amerikanischen Großstädten hin und her. Er bezeichnet sich als den "Obersten Geschäftsmann" seines Landes. Srettha Thavisin hat eine Vision für sein Land. Er will eine Landbrücke bauen, die die Ost- mit der Westküste verbindet.

90 Kilometer Autobahn und parallel dazu Schienenstrecken sollen für diese neue Verbindung zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean gebaut werden. Zwei neue Tiefseehäfen an beiden Enden sollen errichtet werden. Die Standorte stehen schon fest: Chumphon am Golf von Thailand und Ranong an der Andamanensee. Somit müsste der internationale Handel nicht mehr über die stark befahrene Straße von Malakka vorbei an Singapur abgewickelt werden, sondern direkt über eine Landverbindung in Thailand selbst.

Dafür braucht der Premier händeringend Investoren. Für dieses Projekt warb er im Oktober zuerst auf dem Gipfel der Seidenstraßeninitiative (BRI) in Peking, im November auf dem APEC-Gipfel in San Francisco. Nach seinen Worten ist Thailand für alle Investoren offen, auch für deutsche Firmen.

Thailands Premierminister Srettha Thavisin
Thailands Premier Srettha Thavisin Bild: Athit Perawongmetha/Reuters

Interesse aus Deutschland?

Der deutsche Botschafter in Bangkok, Ernst Reichel, soll Anfang des Monats thailändischen Regierungsvertretern versichert haben, dass er deutsche Firmen für das Projekt begeistern werde. Deutschland sei eindeutig an dem Landbrückenprojekt interessiert, wurde der thailändische Verkehrsminister Suriya Jungrungreangkit in der Lokalpresse zitiert. "Der Botschafter wird der Bundesregierung über das Projekt berichten. Er selbst glaubt, dass es für viele deutsche Investoren interessant sei", sagt Jungrungreangkit. Infrage käme zum Beispiel der deutsche Weltkonzern Siemens, der Teile des Nahverkehrsnetzes in Bangkok gebaut hatte.

Aus deutschen diplomatischen Kreisen hieß es allerdings, deutsche Firmen würden sich gegebenenfalls nur auf die Entwicklung von Tiefseehäfen konzentrieren, wenn sie den Zuschlag erhalten sollten. Eine deutsche Beteilung sei aber insgesamt nur begrenzt wahrscheinlich. Die deutsche Botschaft in Bangkok hat auf eine Anfrage der DW bislang noch nicht reagiert.

China feiert zehn Jahre "Neue Seidenstraße"

Die meisten Experten gehen davon aus, dass das finanzstarke China im Rahmen seiner weltumspannenden Seidenstraßeninitiative die beste Chancen hat. Aus Regierungskreisen in Bangkok ist aber zu hören, die neue Thai-Regierung wolle ihre Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren. Analysten deuten diese Aussage als Zeichen für einen Balanceakt zwischen China und dem Westen.

Nach dem derzeitigen Plan soll diese Landbrücke bis 2040 fertiggestellt werden - wenn alles gut läuft. Jährlich sollen dann 20 Millionen Container über die neue Logistikroute umgeschlagen werden, rechnet das Amt für Transport und Verkehrsplanung (OTP), das das Projekt leitet.

Vom Kanal zur Landverbindung 

Die Idee einer Verbindung zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean durch Thailand hindurch geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Schon im Königreich Ayutthaya (1351-1767), das auch als Siam bekannt war, war Thailand ein blühenden Handelsplatz. Damals wollte man eine Wasserstraße bauen, einen sogenannten "Kra-Kanal". Später - im 19. und 20. Jahrhundert - wurde die Idee des Kanals erneut mehrmals wieder aufgegriffen. Doch die Kosten des Projekts waren zu hoch.

2020 nahm die damalige Militärregierung Thailands die Planung für eine kostengünstigere Landverbindung ins Visier. Schienenstrecken und Autobahnen statt Wasserstraße; das war der Plan. Eine Machbarkeitsstudie dazu wurde bereits in Auftrag gegeben.

Eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur soll das Wachstum in den östlichen Provinzen ankurbeln, glauben die Befürworter des Vorhabens. Dort soll ein attraktiver Standort für Produktion, Forschung und Dienstleistungen ausländischer Investoren entstehen. Außerdem könnte sich die Bahntrasse an die Hochgeschwindigkeitslinie China-Laos-Thailand anschließen. Auch das Nachbarland Kambodscha wäre dann schnell über Schienen zu erreichen.

Nach OTP-Angaben wird das thailändische Kabinett Anfang 2024 darüber informiert werden, welche internationalen Investoren Interesse bekunden. Ein Termin für eine Ausschreibung wird zwischen April und Juni 2025 angepeilt.

Infografik Panasiatisches Eisenbahnnetz DEU

China hat Interesse

In Südostasien ist China inzwischen der größte Investor für Infrastrukturprojekte. Peking baut ein panasiatisches Eisenbahnnetz als Alternative zu den Seewegen durch die Straße von Malakka. Schon jetzt arbeitet die thailändische Firma Gulf Energy Development zusammen mit der staatlichen China Harbor Engineering Company an der Modernisierung des größten Überseehafen in Laem Chabang.

In Thailand würden chinesische Firmen nur mit einem lokalen Partner der thailändischen Regierung arbeiten, sagt Antonio Rappa, Professor für Management- und Sicherheitsstudien an der Singapore University of Social Sciences. Deutsche Investitionen hätten dort keine Expertise für die Erschließung von Logistikwegen, betonte Rappa.

"Daher wäre es für deutsche Unternehmen klug, nicht in dieses Megaprojekt zu investieren, selbst wenn sie über das nötige technologische Know-how verfügen", fügte er hinzu. "Deutsche Firmen werden wahrscheinlich nur eine marginale Rolle spielen,  wenn überhaupt."

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Folgen für Umwelt noch nicht analysiert

Seit Premier Srettha Thavisin das Projekt zum wiederholten Mal auf den Plan gerufen hat, protestieren die Anwohner in der Region mehrmals gegen den Regierungsplan. Vor Baubeginn müssten mindestens tausend Familien umgesiedelt werden. Auch der Tourismus und die Fischerei würden mit dramatischen Verlusten rechnen.

Mark Cogan, Thailand-Experte an der japanischen Kansai-Gaidai-Universität, sagt zudem, dass die Umweltauflagen für europäische Investoren ein Stolperstein sein könnten. Die ökologischen und sozialen Folgen seien noch nicht abschließend analysiert.

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"Premier Srettha Thavisin muss beweisen, dass die geplante Landbrücke nicht nur rentabel ist, sondern auch keine zusätzlichen Kohlenstoffemissionen verursacht", so Cogan.

US-Beamte haben auch davor gewarnt, dass China über dieses Projekt möglicherweise die Kontrolle über die kritische Infrastruktur in Thailand, insbesondere über die Seehäfen, erlangen könnte.

Bangkok sei aber klar entschlossen, sich bei diesem Vorhaben nicht ausschließlich auf chinesische Finanzmittel zu verlassen, so die Analysten. Möglicherweise wäre das Vorhaben interessant für die "Global Gateway Initiative" der EU. Bis 2027 will die EU bis zu 300 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur in Entwicklungsländern zu verbessern.

Premier Srettha Thavisin hat diesen Geldtopf im Visier. Der ehemalige Geschäftsmann studierte Wirtschaft im US-Bundesstaat Massachusetts und kann gut rechnen. In Personalunion ist er auch zugleich der Finanzminister des Landes. Er beziffert das gigantische Projekt mit 25,5 Milliarden Euro. Die versprochene Summe der EU dürfte dafür ausreichen.

Der Beitrag wurde vom Englischen adaptiert.