Bosnien: Republika Srpska feiert verbotenen Jahrestag
11. Januar 2025Der Konflikt, der 1992 zum Krieg in Bosnien und Herzegowina führte, ist 33 Jahre danach noch immer nicht geklärt. Damals wie heute wollen muslimische Bosniaken (rund 43 Prozent der Bevölkerung des Westbalkanlandes) ein zentral regiertes Staatswesen. Bosnische Serben (31 Prozent) und Kroaten (17 Prozent) dagegen erstreben einen serbischen bzw. kroatischen Teilstaat innerhalb einer bosnischen Konföderation - und eventuell einen späteren Anschluss an die jeweilige Mutternation, also die Nachbarstaaten Serbien und Kroatien.
Der Streit eskaliert seit Jahren anlässlich des "Tages der Republika Srpska". Am 9. Januar 1992 proklamierten nationalistische bosnische Serben eine Republik des serbischen Volkes in Bosnien, damals ein Teil Jugoslawiens . Seitdem ist der 9. Januar in der Republika Srpska ein Feiertag.
Im Jahr 1992 erklärte sich Bosnien für unabhängig. Der Krieg, der daraufhin ausbrach und bis Ende 1995 dauerte, kostete rund 100.000 Menschen das Leben. Zudem wurden Millionen Bosnierinnen und Bosnier aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit innerhalb des Landes vertrieben. Die damaligen "ethnischen Säuberungen" sind der Grund für die heutige ethnische Verteilung der Bevölkerung Bosniens.
Bei Kriegsende im Dezember 1995 wurde die Republika Srpska (RS) im Dayton-Friedensabkommen als eine der beiden "Entitäten" Bosnien und Herzegowinas bestätigt. Dort leben bis heute mehrheitlich Serben. Bosniaken und Kroaten dominieren die andere Entität, die "Föderation Bosnien und Herzegowina" heißt.
Hauptredner aus dem Nachbarland
Dieses Jahr beging die RS-Führung den 9. Januar mit einem Aufmarsch von schwer bewaffneten Spezialeinheiten der Polizei der Republika Srpska und über dreitausend Teilnehmern. Die Festrede hielt ein Politiker aus dem Ausland: der stellvertretende Ministerpräsident des benachbarten Serbiens, Aleksandar Vulin, der als "Senator der Republika Srpska" vorgestellt wurde. Der starke Mann der RS, Milorad Dodik, war aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend.
Der nationalistische Hardliner und Putin-Bewunderer aus Serbiens Hauptstadt Belgrad betonte in seiner Rede, dass 1995 in Dayton nicht etwa Bosnien als Garantiemacht für die Existenz Serbiens und der Republika Srpska definiert worden sei. Vielmehr sei Serbien als Unterzeichner des Abkommens zum Hüter des Friedens in Bosnien geworden. "So, wie Sie die Republika Srpska behandeln, behandeln Sie auch Serbien", so Vulins Botschaft an die anderen Bevölkerungsgruppen in Bosnien und die Institutionen der internationalen Gemeinschaft im Land.
Protest aus Bosniens Hauptstadt
Die Reaktion aus der bosnischen Hauptstadt Sarajevo kam umgehend: "Die Unterstützung illegaler Aktivitäten durch die höchsten Behörden der Republik Serbien, die gegen die Verfassungs- und Rechtsordnung Bosniens gerichtet sind, halten wir für gefährlich und schädlich für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sowie für die Sicherheit der Region", so Außenminister Elmedin Konakovic in einer Protestnote.
"Bosniens außenpolitische Aktivitäten stellen keine Gefahr für das Verfassungs- und Rechtssystem Serbiens dar - und wir erwarten von den serbischen Behörden, dass sie die Verfassung und die Gesetze von Bosnien und Herzegowina in gleicher Weise respektieren", so der Minister weiter.
Einspruch macht vergessenen Jahrestag populär
Den Konflikt um den Tag der RS gibt es seit zehn Jahren. Damals, 2015, legte der bosniakische Politiker Bakir Izetbegovic beim bosnischen Verfassungsgericht Einspruch gegen den Jahrestag ein. Bis dahin war der 9. Januar - wenn überhaupt - kaum gefeiert oder ganz ignoriert worden.
Nun aber erklärte der Sohn des ersten Präsidenten des unabhängigen Bosnien und Herzegowina, Alija Izetbegovic, dass der Tag der RS nicht von allen Völkern in dieser Entität gleich wahrgenommen werde. Während die Serben den 9. Januar 1992 als Tag der Befreiung wahrnähmen, stünde er für Bosniaken und Kroaten für den Beginn der "ethnischen Säuberung - ihrer Vertreibung aus den von serbischen Truppen kontrollierten Teilen Bosniens, die 1995 im Völkermord von Srebrenica gipfelten.
Tag verboten - Feiertag nicht
Das Verfassungsgericht gab Izetbegovic recht und erklärte den 9. Januar für verfassungswidrig - nicht jedoch eine Tag der Republika Srpska an sich. Die RS-Behörden hätten also die Möglichkeit gehabt, ein anderes Datum für ihren Entitäts-Feiertag zu wählen. Stattdessen aber begann die Führung der serbischen Entität in Bosnien, den 9. Januar groß zu feiern: mit Massenaufmärschen, Polizeiparaden und ausländischen Besuchern, vor allem aus Serbien und Russland. Und begleitet von Protesten aus dem In- und Ausland.
Auch in diesem Jahr hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Bosnien den für die Einhaltung des Dayton-Friedensvertrages verantwortlichen Hohen Vertreter für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, bereits im Vorfeld aufgefordert, die Feierlichkeiten am 9. Januar zu verhindern. Sie stellten eine Verherrlichung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit dar.
"Für die überlebenden Opfer ist das Versäumnis, diese Feierlichkeiten zu stoppen, ein klares Signal, dass sie nicht auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zählen können", so Belma Zulcic, Direktorin der bosnischen GfbV, zur DW. Die "Untergrabung des Staates Bosnien und Herzegowina durch die Regierungen der Republika Srpska und Serbiens" dürfe nicht hingenommen werden. Der Hohe Vertreter müsse endlich Maßnahmen ergreifen.
Fingerzeig vom Hohen Vertreter
Maßnahmen blieben bisher aus - aber einen interessanten Hinweis gibt es in der Stellungnahme zum Tag der RS aus dem Büro von Christian Schmidt: "Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung klar gemacht, dass die Wahl des 9. Januar als Datum für den Feiertag der RS nicht die Symbolik einer kollektiven gemeinsamen Erinnerung hat, die zur Stärkung der kollektiven Identität beitragen kann", so der wichtigste internationale Beamte in Bosnien - denn in diesem Fall könnten sich Bosnierinnen und Bosnier, die keine Angehörigen der serbischen Nation sind, aber in der RS leben, als Bürger zweiter Klasse fühlen.
Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit sind in Bosnien strafbar. Schmidts Anmerkung kann daher als indirekte Aufforderung an die Staatsanwaltschaft gelesen werden, zu reagieren. Entsprechende Ermittlungen gegen RS-Politiker und Beamte wurden durch eine Änderung des bosnischen Strafgesetzbuchs möglich, die der Hohe Repräsentant 2024 per Erlass erzwungen hatte.