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Bündnis gegen Dresdner Nazi-Aufmärsche

12. Februar 2012

Am 13. Februar gedenkt die sächsische Landeshauptstadt ihrer Zerstörung kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Seit Jahren missbrauchen Rechtsextremisten das Erinnern für ihre Zwecke - mit immer weniger Erfolg.

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Rechtsextreme mit NPD-Plakaten demonstrieren unter Polizeischutz. (Foto: Sebastian Willnow / ddp)
Bild: dapd

Es war kurz nach 22 Uhr, als am 13. Februar 1945 mehrere Hundert überwiegend britische Bomber am wolkenlosen Himmel über Dresden auftauchten. Sie brauchten nur 15 Minuten, um drei Viertel der Innenstadt in Schutt und Asche zu legen. Wenige Stunden später folgte eine zweite Angriffswelle, die einen orkanartigen Feuersturm auslöste. Mehr als 20.000 Menschen fielen dem Flammen-Inferno zum Opfer.

Über den militärischen Sinn der Zerstörung Dresdens, wegen seiner barocken Architektur auch Elbflorenz genannt, streiten sich Historiker noch heute. Dem Durchhaltewillen des nationalsozialistischen Deutschlands hat die Zerstörung der Stadt auf jeden Fall einen schweren Schlag versetzt. Knapp drei Monate später kapitulierte das sogenannte "Dritte Reich" bedingungslos.

Alle Kirchenglocken läuten

Blick aus der Vogelsperspektive auf das am 13. und 14. Feb. 1945 zerstörte Dresden. (Foto: AP Photo / file)
Ruinen, so weit man blicken kann: Dresden nach den Luftangriffen 1945.Bild: AP

In Erinnerung an die Bombardierung läuten seit 1946 an jedem 13. Februar die Dresdner Kirchenglocken. Doch seit 1998 liegt ein brauner Schatten über dem Gedenken. Rechtsextremisten inszenieren seitdem Veranstaltungen, auf denen sie die deutsche Kriegsschuld und den Holocaust leugnen. Was mit weniger als hundert Teilnehmern begann, entwickelte sich zu einer Massenkundgebung. Bis zu 6500 Neonazis beteiligten sich in den vergangenen Jahren an einem - wie sie es nennen - "Trauermarsch" durch die Innenstadt.

Um dem regelmäßig wiederkehrenden rechtsextremen Spuk ein Ende zu setzen, leisten die Dresdner und viele Menschen von außerhalb zunehmend Widerstand. Rund 15.000 Menschen beteiligten sich 2011 an einer Menschenkette. Das Bündnis "Dresden nazifrei" initiierte eine erfolgreiche Sitzblockade gegen den braunen Aufmarsch. Dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die massiv gegen Anti-Nazi-Demonstranten vorging. Aus Sicht der Landesregierung sind Sitzblockaden gegen behördlich genehmigte Demonstrationen Straftaten.

Zentralrat der Juden befürwortet Sitzblockaden

Portrait von Stephan Kramer, Generalsekretär Zentralrat der Juden in Deutschland.
Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden in DeutschlandBild: picture-alliance/Sven Simon

Wie sich später herausstellte, hatten die Sicherheitsbehörden im Umfeld der Blockierer über eine Million Verbindungsdaten von Mobiltelefonen abgefragt. Betroffen waren auch die überwiegend friedlichen Teilnehmer und unbeteiligte Anwohner. Politiker und Behörden in Sachsen sehen sich seither dem Vorwurf ausgesetzt, Neonazi-Gegner zu kriminalisieren. Von einer "Verdrehung der Rechtslage" und "Stigmatisierung" spricht der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Er befürwortet Sitzblockaden ausdrücklich. Auch der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, unterstützt nach Angaben des Bündnisses "Dresden nazifrei" diese Form des Protestes.

Einen gemeinsamen Protestaufruf haben drei türkischstämmige Abgeordnete des Deutschen Bundestages verfasst. Sevim Dağdelen von den Linken, die Sozialdemokratin Aydan Özoğuz und der Grüne Memet Kılıç hoffen vor allem auf eine rege Beteiligung von in Deutschland lebenden Migranten. Mit Bussen und Bahnen sollen möglichst viele Teilnehmer aus der Hauptstadt Berlin und anderen Landesteilen nach Dresden fahren. Migranten beteiligen sich allerdings vergleichsweise wenig an Demonstrationen - Kılıç erklärt das damit, dass das Ausländerrecht lange Zeit restriktiv gewesen sei und politisches Engagement erschwert oder gar untersagt habe. Viele Migranten und Ausländer empfänden sich eher als Objekte der Politik, weniger als Subjekte, meint Kılıç. Es müsse aber deutlich werden, "dass wir uns mit unserer Gesellschaft und unserem Grundgesetz solidarisieren", betont der Grünen-Politiker.

Gemeinsamer Aufruf der christlichen Kirchen

Zum Protest gegen Rechtsextremismus haben auch evangelische und katholische Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung aufgerufen. Unter dem Eindruck der im November 2011 bekannt gewordenen Mordserie der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) sei es in diesem Jahr "besonders wichtig, dass viele Menschen über die Grenzen der Stadt hinaus ein deutlich sichtbares Zeichen gegen rechten Terror und menschenfeindliche Einstellungen setzen", heißt es in dem Aufruf. Allerdings befürworten nicht alle Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen den Aufruf zu Sitzblockaden.

Neonazis marschieren mit Fackeln und schwarzen Fahnen durch Dresden. (Foto:Petr David Josek / AP /dapd)
Neonazis wollen wieder einen Fackelmarsch durchführenBild: dapd

Dem Protest am Jahrestag der Bombardierung Dresdens wird fünf Tage später, am 18. Februar, eine weitere Kundgebung folgen, zu der ein Bündnis aus Politik, Gewerkschaften und Kirchen aufgerufen hat. Unter dem Motto "Mit Mut, Respekt und Toleranz - Dresden bekennt Farbe" wollen sich die Teilnehmer den Neonazis entgegenstellen. Ob die an diesem Tag wirklich in Erscheinung treten werden, ist indes unklar. Angemeldete Demonstrationen wurden von den rechtsextremen Organisatoren offiziell wieder abgesagt.

Resignation in der Neonazi-Szene?

Sicherheitsexperten werten den Rückzug als Zeichen der Resignation und Uneinigkeit innerhalb der Szene. Die ist nach dem Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie in die Defensive geraten. Das gilt auch für die rechtextremistische NPD. Über ein Verbotsverfahren gegen diese in zwei deutschen Landtagen vertretene Partei wird zur Zeit intensiv diskutiert.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Beate Hinrichs