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Ausweg aus der Abhängigkeit

Das Gespräch führte Olga Solonari2. Januar 2007

Der Gasstreit zwischen Russland und Weißrussland hat gezeigt, dass die Gaszufuhr nach Europa auf unsicheren Füßen steht. Claudia Kemfert, Energieexpertin des DIW, wagt einen Blick in die Zukunft.

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Claudia Kemfert leitet seit April 2004 die Abteilung "Energie, Verkehr, Umwelt" am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und hat den Lehrstuhl für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität Berlin inne
Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) setzt auf erneuerbare Energien, aber auch auf AtomenergieBild: presse

DW-WORLD.DE: Der Gasstreit zwischen Russland und Weißrussland hat gezeigt, dass sich Moskau nicht scheut, die Energiefrage als Machtinstrument einzusetzen. Welche Auswirkungen hat dieser Streit auf die europäische und deutsche Energiepolitik?

Claudia Kemfert: Deutschland und Europa sehen durch diesen Streit, dass wir von den russischen Energieimporten abhängig sind. Die europäische Energiepolitik hat dies explizit thematisiert und deutlich gemacht, dass man versuchen sollte, die Energieimporte zu reduzieren. Das bedeutet, dass man verstärkt heimische Energieträger nutzen sollte, wie erneuerbare Energien, aber auch Atomenergie. Gleichzeitig sollten Energieengpässe dadurch vermieden werden, dass Energie in Zukunft auch von anderen Anbieterländern bezogen wird.

An welche anderen Anbieterländer denken Sie?

Es gibt zur Zeit ohnehin Lieferungen aus Norwegen. Aber auch das norwegische Gas wird nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Dann gibt es Länder wie Katar, die Gas nach Europa liefern können. Schließlich gibt es neue Pipelines, die aus diesem Grund gebaut wurden. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass man verflüssigtes Gas, so genanntes liquified natural gas (LNG), nach Europa bringt. Deutschland hat es in der Vergangenheit versäumt, entsprechende Terminals zu bauen. Es ist einer in Wilhelmshaven geplant, der allerdings nicht vor 2010 fertig gestellt sein wird. Ein Terminal wird auch nicht ausreichen. Hier wird deutlich, dass man sich nicht sehr gut auf eine Diversifikation des Angebots vorbereitet hat.

Welche Änderungen muss es in der Politik geben, damit man Energie auch aus anderen Quellen beziehen kann?

In der Vergangenheit hat man sich zu sehr auf einen Anbieter verlassen. Russland ist ein sicherer Anbieter, keine Frage, nur gibt es Transitländer, in denen Russland politische Interessen durchsetzen möchte. Es könnte zu Lieferproblemen kommen, wenn zum Beispiel Weißrussland die Pipelines blockiert oder es wieder einen Streit mit der Ukraine geben sollte. Ausgeschlossen sind auch nicht Situationen, in denen auch Europa in einen Streit mit Russland geraten könnte - aus welchen Gründen auch immer. Dann könnte die Energielieferung gefährdet werden. Europa muss heimische Energieträger fördern, um insgesamt weniger abhängig von Energie zu werden. Dabei ist es auch wichtig die Energieeffizienz zu verbessern.

Sie haben auch die Kernenergie erwähnt. Sollte Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie überdenken?

Natürlich können Probleme entstehen, wenn Atomkraftwerke durch Gaskraftwerke oder konventionelle Kohlekraftwerke ersetzt werden müssen. Bei den Gaskraftwerken haben wir die Gefahr, dass wir von Energieimporten - beispielsweise aus Russland - zu abhängig werden. Bei der Kohle wissen wir, dass sie zuviel Kohlendioxid-Emisssionen verursacht und damit den Klimawandel voranschreiten lässt. Außerdem haben wir das Kyoto-Protokoll unterschrieben, so dass wir Gefahr laufen, die vorgesehenen CO2-Minderungen nicht einhalten zu können. Insofern plädieren wir dafür, dass man die sicheren Atomkraftwerke länger am Netz lässt, damit man genug Zeit hat, die heimischen Energieträger zu stärken. Man sollte aber die Zukunft nicht auf Atomenergie ausrichten, sondern die erneuerbaren Energien stärken, damit man einen Energiemix erhält.

Deutschland hat in der Vergangenheit sehr stark auf die Gaslieferungen aus Russland gesetzt und das hat auch die deutsche Position innerhalb Europas beeinflusst. Wird die Diversifizierung diese Situation ändern?

Ein wenig. Deutschland wird im Zuge der Ratspräsidentschaft deutlich machen, dass Deutschland die Politik ändern und mehr diversifizieren will. Außerdem sollte klargestellt werden, dass man sensibilisiert ist, dass es Lieferengpässe geben könnte und Deutschland für mehr Transparenz im russischen Energiemarkt eintreten will. Man wird Russland klarmachen müssen, dass auch wir Interessen haben, aber gleichzeitig anerkennen, dass Russland auch Interessen hat, Energie zu verkaufen. Diese Interessen sind legitim, aber wenn politische Interessen mit eine Rolle spielen, muss deutlich werden, dass Westeuropa und Deutschland da nicht mitmachen möchten. Wenn man in Zukunft auch auf andere Anbieter setzen will, könnten die sehr guten deutsch-russischen Beziehungen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung "Energie, Verkehr, Umwelt" am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und hat den Lehrstuhl für Umweltökonomie an der Humboldt-Universität Berlin inne.