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Das gebrochene Herz

Gudrun Heise14. Februar 2016

An gebrochenem Herzen sterben - das kann in der Tat passieren. Das Broken-Heart-Syndrom hat aber meist nichts damit zu tun, dass der Liebste oder die Liebste einen verlassen hat.

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Symbolbild Trennung
Bild: imago/Steinach

Liebeskummer kann schmerzhaft sein. Manchmal dauert es lange, bis die seelischen Wunden verheilt sind, und das gebrochene Herz wieder im Takt schlägt. Beim Broken-Heart-Syndrom aber geht es nicht um verschmähte Liebe.

Der Name komme daher, dass die Symptome immer mit einem eingreifenden, seelischen oder psychischen Ereignis einhergehen, sagt der Kardiologe Heribert Brück aus Erkelenz. "Nicht selten spielen ganz persönliche Dinge eine Rolle. Deshalb hat man gesagt: 'Da bricht einem das Herz' - im wahrsten Sinne des Wortes. Daraus ist dann das Broken-Heart-Syndrom geworden."

Schwierige Diagnose

Brustschmerzen und Atemnot, die kleinen Herzkranzgefäße ziehen sich krampfartig zusammen. Der Herzmuskel wird schlecht durchblutet - Symptome wie bei einem Herzinfarkt. So erging es auch Monika Vogler: "Ich hatte Brustschmerzen und habe nur schwer Luft bekommen. Mein Arzt hat sofort ein EKG gemacht; es ist sehr schlecht ausgefallen. Ich kam dann sofort ins Krankenhaus." Drei Tage blieb die 75-Jährige auf der Intensivstation. Die Diagnose: Broken-Heart-Syndrom.

Eine korrekte Diagnose zu stellen, ist meist schwierig, denn die Anzeichen gleichen denen eines Herzinfarkts. "Mangeldurchblutung führt zu einer ausgeprägten Herzschwäche", erklärt Brück. "In dieser Phase können auch lebensgefährliche Herz-Rhythmus-Störungen auftreten."

Herzschlag EKG Foto: Sebastian Kaulitzki, Fotolia.com
Das Herz kann schnell aus dem Takt geratenBild: Fotolia

Das Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu versterben, liegt bei ein bis drei Prozent. Meist bilden sich die Veränderungen am Herzmuskel innerhalb einiger Wochen wieder vollständig zurück. Für diejenigen aber, die ein solches Broken-Heart-Sydnrom erleben, ist es ein Schock.

Stress als Ursache

Neueste Untersuchungen zeigen, dass Patienten mit Broken-Heart-Syndrom in der Herzspitze besonders viele Rezeptoren haben. Das sind Bindungsstellen für Stresshormone wie Noradrenalin und Adrenalin. "Wenn jemand unter körperlichen oder seelischen Stress gesetzt wird, schüttet er ganz viele dieser Stresshormone aus", erläutert die Erfurter Kardiologin Jana Boer. "Durch die vielen Bindungsstellen in der Herzspitze können dort besonders viele Stresshormone aufgenommen werden. Das wiederum führt zu einer akuten, plötzlichen Fehlfunktion der Herzmuskelzellen."

Im Ultraschallbefund mache es den Eindruck eines akuten Herzinfarkts in der Herzvorderwand, erklärt die Ärztin weiter. "Die Patienten haben eine herabgesetzte Herzpumpleistung, genauso wie beim akuten Infarktereignis. Ihre Herzkranzgefäße sind aber völlig frei."

Große Wissenslücken

Beim Broken-Heart-Syndrom sind die Veränderungen am Herzmuskel meist schnell wieder verschwunden, das EKG wieder normal. Noch immer aber gibt es zu wenige Ärzte, die sich damit auskennen. "Wir haben in unserem Berufsverband jetzt ein Register gestartet, in dem wir beispielsweise Patientendaten zentral erfassen. So wollen wir herausfinden, welche Medikamente gegeben werden sollten. Dieses Register gibt es seit etwa fünf Jahren", erzählt Boer.

Herz
Wenig bekannt unter Ärzten: Broken-Heart-Syndrom

Ärzte tauschen Erfahrungen zur Behandlung ihrer Patienten aus. Priorität Nummer Eins: Betroffene müssen Stress reduzieren. "Wir haben festgestellt, dass es sehr wichtig ist, diese Patienten auch einer laufenden Psychotherapie zu unterziehen, damit es nicht wieder zu solchen Stresssituationen kommt."

Boer ist der Ansicht, Ärzte müssten besser geschult werden. "Es gibt einige Kollegen, die noch nie etwas mit dem Broken-Heart-Syndrom zu tun gehabt haben und die dem Patienten dann sagen: Ihre Herzkranzgefäße sind frei. Sie hatten keinen Herzinfarkt, sie sind gesund."

Mittlerweile gibt es ein Register in Zürich, an dem auch Italien, Frankreich und Deutschland beteiligt sind. Auch Ärzte aus den USA liefern Daten. "Wir müssen noch viel Wissen sammeln, wie wir am besten mit Patienten mit Broken-Heart-Syndrom umgehen", sagt Boer.

Frauensache

Broken-Heart-Patienten sind zu 90 Prozent Frauen. "Man geht davon aus, dass die Östrogenrezeptoren eine Rolle spielen", erklärt Kardiologe Brück. "Sie sind nahe verwandt mit den Nitrat-Rezeptoren, die zu einer Erweiterung der Gefäße führen."

Frauen ab 50 und in den Wechseljahren seien besonders gefährdet. "Das weibliche Geschlechtshormon, das Östrogen, schützt uns weitestgehend vor dem Broken-Heart-Symptom", sagt Boer. "Frauen in den Wechseljahren reagieren sensibler auf Stress. Der Östrogenspiegel sinkt, und durch den Wegfall des Östrogenschutzes sind Frauen anfälliger für die Wirkung von Stresshormonen. Das wirkt sich auch auf das Broken-Heart-Syndrom aus."

Das Herz und der Tintenfisch

Es waren Japaner, die das Broken-Heart-Syndrom im Jahr 1990 erstmals beschrieben. In dem asiatischen Land gibt es viele Forschungsprojekte, die sich mit akutem Stress und dessen Auswirkungen beschäftigen. Einer der Gründe sind die häufigen Erdbeben. Wissenschaftler haben untersucht, wie solche Naturkatastrophen auf Menschen wirken. "Man hat festgestellt, dass im Rahmen dieser Erdbeben akute Todesfälle auftreten, die nichts mit einem Infarkt zu tun haben", sagt Brück.

Giant Pacific Octopus Foto: Jens Büttner dpa/lno
Was hat das Broken-Heart-Syndrom mit einem Wirbellosen zu tun?Bild: picture alliance/dpa/J. Büttner

In Japan hat die Erkrankung die klangvolle Bezeichnung Tako-Tsubo-Kardiomyopathie. Tako-Tsubo beschreibt eine traditionelle japanische Tintenfischfalle. Es ist ein runder Topf, der ins Meer gelassen wird. "Die Tintenfische wandern hinein, und dann werden die Töpfe hochgezogen. Die Tintenfische sind dann in dem Topf gefangen", erklärt Boer. Das Herz hat im Ultraschallbefund die gleiche Form wie dieser Tintenfisch-Topf - daher der Name. Das allerdings ist eine Bezeichnung, die man wohl kaum mit Liebeskummer oder gar mit einem gebrochenen Herzen in Verbindung bringen würde.