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Aufstieg und Fall des Zockerkönigs

19. Mai 2011

Im Prozess um den größten Wettskandal der Fußballgeschichte Europas hatte Drahtzieher Ante Sapina nach einem umfassenden Geständnis auf ein mildes Urteil gehofft. Doch die Richter bestraften den Wiederholungstäter hart.

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Ante Sapina blickt im Landgericht Bochum nach unten (Foto: AP)
Hoffte vergeblich auf ein mildes Urteil: Ante SapinaBild: dapd

Es war ein Urteil, mit dem die Richter ein Zeichen setzen wollten: Fußball-Wettbetrüger Ante Sapina ist vom Bochumer Landgericht am Donnerstag (19.05.2011) zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Sapina hatte gestanden, zwischen 2008 und 2009 über 20 Fußballspiele manipuliert zu haben. Dazu waren Spieler und Schiedsrichter bestochen worden. Sapinas Wettgewinne sollen sich auf über 2,3 Millionen Euro belaufen haben.

Ante Sapina (r) im Landgericht Bochum mit seinen Verteidigern Stefan Conen (M) und Markus Bündgens (Foto: AP)
Fünf Jahre und sechs Monate Haft für Sapina (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Mittäter Marijo C. wurde zu ebenfalls fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, Dragan M. zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung. Vor allem der Kopf des Wettbetrugsnetzwerks, Ante Sapina, hatte dank seines umfassenden Geständnisses auf ein mildes Urteil gehofft. Dazu kam es nicht, denn Ante Sapina ist ein Wiederholungstäter aus Überzeugung.

Ziel: ein globales Wettbetrugs-Netzwerk

Rückblick: Im Sommer 2006 erlebte Deutschland sein Fußballmärchen. Die Welt war zu Gast - und mitten in Berlin, im "Café King", schmiedete Ante Sapina große Pläne. Der Deutsch-Kroate wollte den Wettbetrug globalisieren.

Sapina war damals bereits eine feste Größe in der Wett-Szene - wenige Monate vor der WM 2006 wurde er im Zuge der Hoyzer-Affäre zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt. Sapina zog damals in einem gut organisierten Wettbetrugs-Netzwerk im Hintergrund die Fäden, während unter anderem der Schiedsrichter Robert Hoyzer Spiele für ihn manipulierte. Sapina löste damit die größte Krise im deutschen Fußball seit dem Bundesliga-Skandal von 1971 aus. Die Strafe dafür schreckte Sapina aber nicht ab, im Gegenteil: Während der Fußball-WM 2006 lernte er Marijo C. und andere kennen, die ihm helfen sollten, seine kühne Idee vom globalen Betrugs-Netzwerk zu verwirklichen. Seine Komplizen verschafften ihm Zugang zum asiatischen Wettmarkt. Dort gab es praktisch keine Begrenzungen, keine Regeln. Ein Markt mit geschätzten Jahresumsätzen von bis zu 100 Milliarden Euro.

"Champions League der Wettbetrüger"

Ante Sapina lächelt im Gerichtssaal (Foto: dpa)
Notorischer Spieler: Sapina lernte nicht aus seiner StrafeBild: picture-alliance/dpa

Der Freigänger Sapina verbrachte die Nächte in einem Berliner Gefängnis, tagsüber widmet er sich seiner großen Leidenschaft: dem Wetten. "Er ist ein Spieler gewesen, ein Wetter gewesen seit frühester Jugend", sagte der Jurist Stefan Conen über Sapina. "Aber er ist nicht nur ein Wetter gewesen, er liebt auch den Sport!" Der Berliner Anwalt hat Sapina beim Prozess vor dem Bochumer Landgericht verteidigt. Dem Deutsch-Kroaten wurde Betrug im bis dahin größten Wettskandal vorgeworfen. Er und fünf Mitangeklagte sollen 47 Spiele verschoben haben - von der Oberliga bis zur Champions League und sogar bis hin zu WM-Qualifikationsspielen. Nicht betroffen war die deutsche Bundesliga, so der derzeitige Kenntnisstand.

Ganze Teams wurden laut Anklage zum "Schaulaufen" gezwungen, beziehungsweise per Schmiergeldzahlung motiviert - ihre Fans waren ahnungslos. Als Ante Sapina auspackte, war selbst der Richter Wolfgang Mittrup beeindruckt: "Wenn Sie irgendwann mal draußen sind, gibt es vielleicht einen Lehrstuhl für Wetten!" Der Staatsanwalt Andreas Bachmann bezeichnete Sapina & Co. sogar als die "Champions League der Wettbetrüger".

Der Hauptangeklagte Sapina hatte im Prozess Schmiergeldzahlungen an Spieler, Schiedsrichter und an einen UEFA-Funktionär gestanden. "Ich habe mich an den Kosten beteiligt, wenn Spieler Geld bekamen", erklärte der Wettbetrüger und räumte ein: "Wir haben einige Spiele manipuliert." Zusammen mit seinem Kompagnon Marijo C., ebenfalls ein Deutsch-Kroate, organisierte und finanzierte er zum Beispiel ein Trainingslager des bosnischen Klubs NK Travnik in der Schweiz, um so einen engeren Kontakt zum Verein zu knüpfen. Das Ziel dahinter war klar: Die Betrüger wollten Einfluss gewinnen, um dann auf manipulierte Spiele hohe Beträge wetten zu können. Ein lukratives Geschäft, denn nur bei einer einzigen Begegnung in der Schweiz beliefen sich die Wettgewinne auf etwa 116.000 Euro.

Werben um willfährige Profis

Marijo C. im Gerichtssaal (Foto: dpa)
Ebenfalls im Fokus der Justiz: Sapinas Komplize Marijo C.Bild: picture-alliance/dpa

Die Kreativität der Zockerbande kannte keine Grenzen. Sie übernahm einen belgischen Zweitligisten, installierte "gehorsame" Spieler, die auf dem Rasen die Wünsche der Bosse ausnahmslos in Erfüllung gehen ließen. Mehrere Schiedsrichter und Spieler, darunter auch einige aus Deutschland, wurden verdächtigt, Schmiergelder kassiert zu haben. Es handelte sich dabei oft um Fußballer, die auch selbst gern und ausgiebig zockten und offenbar zum Teil hohe Schulden bei den Wettpaten hatten. Das war der Beginn eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Spielern und Wettbetrügern, das Letztere geschickt für sich nutzten.

So berichtete Marijo C., Inhaber mehrerer Wettbüros in Nürnberg, unter anderem über einen sehr bekannten ehemaligen Bundesliga-Spieler, der "so süchtig war, dass ich ihn gelegentlich über Nacht in meinem Spielsalon einsperren musste." In ihrem Werben um willfährige Profis, die zu einer Spielmanipulation animiert werden sollten, hatte die Zockerbande offenbar allzu oft leichtes Spiel. Das jüngste Geständnis des früheren St. Pauli-Stürmers René Schnitzler, seit seinem 18. Lebensjahr spielsüchtig zu sein und 100.000 Euro vom einem Wettpaten erhalten zu haben, passt in das Bild, das Marijo C. und Ante Sapina vom Netzwerk des Wettbetrugs zeichneten.

Internationalisierung des Geschäftes

Stürmer Rene Schnitzler im Trikot des FC St. Pauli (Foto: dpa)
Rene Schnitzler gestand Gelder angenommen zu habenBild: picture-alliance/dpa

Das Geschäft lief reibungslos: Wettbetrüger Sapina setzte im Durchschnitt nach eigenen Angaben pro Monat eine Million Euro auf Sportwetten, machte täglich Einsätze auf etwa 30 Spiele, darunter war mindestens eine manipulierte Partie. Er arbeitete mit Kontaktmännern in Malaysia und Hongkong, sie "wuschen" seine Wettgelder und transferierten die Gewinne wieder nach Europa.

Sapina verdiente viel Geld mit Wetten. Wie viel, weiß keiner ganz genau. Er besitzt Geheimkonten auf der Isle of Man und hat auch Geld in Kroatien und anderen Ländern versteckt. Die Bochumer Staatsanwaltschaft war sogar in Russland, China und Malaysia auf der Suche nach seinem illegalen Vermögen.

Die Lebenslüge eines Betrügers

Ante Sapina am 18.10.2005 im im Gerichtssaal von Berlin-Moabit (Foto: dpa)
2005: Ante Sapina kündigt Besserung an und zockt weiterBild: dpa

Ein Großteil der Wetten hatten Sapina & Co. wohl in Asien platziert. Über das Konto eines Londoner Buchmachers wurden zwischen 2008 und 2009 angeblich 32 Millionen Euro Umsatz gemacht. Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass Ante Sapina durch manipulierte Fußballspiele Wetteinnahmen von rund 3,5 Millionen Euro erzielte. Der Reingewinn sei allerdings deutlich niedriger, da Wetteinsätze abgezogen werden müssten. Der Fall Ante Sapinas ist die Geschichte vom rasanten Aufstieg und tiefen Fall eines Mannes der das schnelle Geld machen wollte und auch machte. Innerhalb weniger Jahre war er vom mittellosen Studenten der Volkswirtschaftslehre zum global operierenden Zockerkönig aufgestiegen. Er investierte Millionen in seine "Geschäfte", sein Lebensstil wurde immer aufwendiger.

Nach seiner ersten Verurteilung vor sechs Jahren versprach er: "Jetzt fange ich ein neues Leben an. Das Kapitel Skandal ist für mich abgeschlossen!" Trotz seiner Beteuerungen stieg er nur wenige Wochen nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wieder ins Geschäft ein. Mit dem Urteil der Richter erhielt er nun die Quittung dafür.

Autor: Srecko Matic
Redaktion: Joscha Weber