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Aufregung um Fan-Spitzel

Jens Krepela (mit sid, dpa), Olivia Fritz9. Januar 2013

Einzelne Bundesländer in Deutschland setzen V-Leute ein, um bestimmte Gruppen von Fußball-Fans zu überwachen. Die Politik spricht von Gefahrenabwehr. Die Fans sind empört.

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Fans des VfB Stuttgart hissen ein Transparent aus Protest gegen die DFL (Photo by Thomas Niedermueller/Bongarts/Getty Images)
Bild: getty

Rockerbanden, Rauschgiftringe oder Terroristen - in diesem Zusammenhang kennt man den Einsatz von V-Personen, die Informationen an die Sicherheitsbehörden weitergeben. Nun stehen in drei deutschen Bundesländern auch Fußball-Fans im Fokus des Verfassungsschutzes. Auf Anfrage hat Nordrhein-Westfalens Innenministerium bestätigt, dass eine geringe Zahl von Informanten in Fan-Kreisen eingesetzt wird. "Es geht nicht darum, Fußball-Fans auszuspionieren oder zu bespitzeln", versuchte Ministeriumssprecher Wolfgang Beus die Wogen zu glätten. Ziel sei vielmehr, Gewalt- und schwere Straftaten zu verhindern. Die Informanten seien nicht eingeschleust worden, sondern bereits Teil der gewaltbereiten Fanszene gewesen.

Es habe in der Vergangenheit viele Fälle gegeben, bei denen aufgrund der Informationen schwerwiegende Straftaten verhindert werden konnten, sagte Beus im Gespräch mit der Deutschen Welle. Vor allem die Vereitelung schwerer Körperverletzungen, etwa durch Pyrotechnik oder Schlägereien außerhalb der Stadien, stünden im Fokus. Auch Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sammeln aus diesem Grund Informationen von V-Leuten, die für ihre Hinweise auch Aufwandsentschädigungen oder kleine Belohnungen erhalten.

Empörung bei den Fans

Das sorgt für neuen Zündstoff in der Diskussion über die Sicherheit im deutschen Fußball. Während sich das Gros der Stadionbesucher wohl erst einmal wundert, sparen einzelne Fan-Vertreter nicht mit heftiger Kritik: "Das ist eine völlig neue Qualitätsstufe. Wo soll das denn hinführen? Wollen wir den totalen Überwachungsstaat?", sagte Rene Lau von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte. Auch Philipp Markhardt, Sprecher der Aktionen "ProFans" und "12:12", äußerte sich sehr kritisch. "Ich frage mich, wie weit unser Land gekommen ist, wenn man Fußball-Fans mit politisch Extremen gleichsetzt. Hat das Land keine größeren Probleme als Fußball-Krawalle?"

Als "sehr negativ" bewertet auch Sozialarbeiter Andreas Schmidt vom Kölner Fanprojekt den Einsatz von V-Leuten in der Fanszene. "Das ist ein weiterer Schritt in der Spirale der Diskriminierung von Fußballfans", sagte er gegenüber der Deutschen Welle. Die organisierten Fans seien sowieso schon vorsichtig und skeptisch gegenüber äußeren Einflüssen. Vertrauensbildend seien solche Maßnahmen nicht, kritisierte Schmidt. Deutliche Worte fand auch Mark Fauler vom Fan-Projekt des 1. FC Köln: "Bei Fußballfans handelt es sich schließlich nicht um Terroristen. Niemand wird erfreut sein, wenn er erfährt, ausspioniert worden zu sein. Wohin so etwas führen kann, sollte in Deutschland bekannt sein. Elementar wichtig ist daher, dass solche Vorgänge tatsächlich angemessen sind, etwa bei ganz konkreten Möglichkeiten zur Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten." Fauler kündigte an, dass das Thema, das aktuell in den Fankreisen heftig diskutiert wird, beim Bundestreffen der deutschlandweiten Interessensgemeinschaft "Unsere Kurve" am kommenden Wochenende zur Sprache kommen werde.

Jan-Henrik Gruszecki, Sprecher der Fan-Initiative 12:12, steht am 08.01.2013 vor der Zentrale der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt am Main (Hessen). Nach monatelangen öffentlichen Auseinandersetzungen in der Sicherheitsdebatte hatte die DFL Fanvertreter, auch aus der Ultra-Szene, nach Frankfurt/Main zu einem Arbeitsgespräch eingeladen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)
Fan-Sprecher Gruszecki: "Wir sind fassungslos"Bild: picture-alliance/dpa

Gerade erst war der Fan-Ärger um das im Dezember verabschiedete neue Sicherheitskonzept verebbt. Es sieht schärfere Einlasskontrollen und die Einschränkung von Kartenkontingenten für Auswärtsspiele vor. Am Dienstag (08.01.2013) hatten sich deshalb Spitzenfunktionäre der Deutschen Fußball Liga (DFL) mit Fan-Verantwortlichen auch aus der Ultra-Szene getroffen. Eine vorsichtige Annäherung zeichnete sich ab. "Die DFL hat klargestellt, dass sie künftig die Faninteressen noch mehr in den Mittelpunkt stellen wird", betonte Jan-Henrik Gruszecki als Sprecher des Aktionsbündnisses "12:12". Dass auch V-Leute in den Stadien eingesetzt werden, dürfte nicht nur die Fans, sondern auch die DFL überrascht haben. Sie wollte sich dazu bisher nicht äußern.

Fanforscher sind sich uneinig

Gerüchte über V-Leute in der Szene gewaltbereiter Fans hat es schon länger gegeben. Die Wut über die Bestätigung ist dennoch groß. Sportsoziologe Gunter A. Pilz, einer der renommiertesten deutschen Gewalt- und Konfliktforscher, findet das übertrieben: "Ich tue mich schwer, dies als Frontalangriff auf die Fans zu sehen. Das kann auch ein Stück Schutz für die Fans sein, wenn extreme Elemente beobachtet werden. Das muss man differenziert sehen."

Anderer Meinung ist Harald Lange, Leiter des Instituts für Fankultur der Universität Würzburg. "Solche Maßnahmen ließen sich nur rechtfertigen, wenn tatsächlich ein wirklich gefährlicher Grund vorliegen würde – gerade auch hinsichtlich der gegebenen Relationen zu anderen Feldern, in denen V-Leute systematisch eingesetzt werden", erklärte der Fanforscher im Interview mit der Deutschen Welle. "Falls diese V-Leute irgendwelche Themen im Umfeld der Fankultur recherchieren sollten, dann wäre ich schon irritiert", erklärte der Wissenschaftler und verwies auf die gerade in jüngerer Zeit "recht originellen und gewaltfreien Protestbewegungen und -aktionen" wie zum Beispiel dem Projekt 12:12. Der Einsatz von Pyrotechnik rechtfertige seiner Meinung nach in keinem Fall derartige Maßnahmen. "Falls gegen Fanthemen in so einer Weise ermittelt würde, wäre das natürlich ein riesengroßer Vertrauensverlust."

Inzwischen ist auch klar geworden, dass keine flächendeckende Überwachung stattfindet. Auf Anfrage erklärte der überwiegende Teil der Bundesländer, ohne die Informationen von Spitzeln auszukommen.