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Aufmüpfige Osterinsel

Luna Bolívar Manaut (stl)25. November 2006

Die Bewohner der Osterinsel fühlen sich nicht als Chilenen, sondern als Rapanui. Sie wollen die Geschicke ihrer Insel selbst bestimmen. Deshalb fordern sie mehr regionale Macht und weniger Zentralismus.

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Steinere Skultpuren, so genannte Moai, auf einem Berg
Die steinernen Skulpturen, die Moai, haben die Insel weltberühmt gemachtBild: DW/Luna Bolivar

Am Ostersonntag, 5. Abril 1722, ergänzte der Holländer Jacob Roggeveen die bis dahin bekannte Weltkarte um eine neue polynesische Insel. Das kleine Eiland von 166 Quadratkilometer mitten im pazifischen Ozean ist der abgelegenste Ort der Erde.

Viel ist über den ursprünglichen Namen der Insel spekuliert worden. Manche sagen, die ersten Siedler hätten sie "Te Pito o te Henua", Nabel der Welt, genannt. Andere überliefern die Namen "Te Pito o te Kainga", die Erdenmutter, und "Mata ki te rangi", was so viel heißt, wie die Augen, die gen Himmel blicken. Aber das ist, wie so vieles, was über die Osterinsel gesagt wird, Spekulation. Die Bewohner nennen ihre Insel, Rapanui, sie selbst nennen sich Rapanui und ihre ursprüngliche Sprache heißt: Rapanui.

Steinerne Skulpturen im Gegenlicht
Die Erosion macht den uralten steinernen Skulpturen zu schaffenBild: DW/Luna Bolívar

Aufgrund der Abgeschiedenheit hat die Geschichte auf der Osterinsel ihren eigenen Lauf genommen. Durch den Tourismus und ihr beeindruckendes archäologisches Erbe ist die Insel in der ganzen Welt bekannt. Das politische Schicksal wird vom chilenischen Zentralstaat bestimmt. Damit wollen sich die Bewohner aber nicht abfinden. Zwar wollen sie die Fessel, die sie an Chile bindet, nicht komplett lösen, aber zumindest entscheidend lockern. Keine Unabhängigkeit fordern sie, aber Autonomie.

3700 Kilometer meereinwärts

1888 trat die Insel ihre Souveränität an Chile ab und wurde dafür unter Schutz gestellt. Doch es liegt viel Wasser zwischen der Osterinsel und dem chilenischen Festland, mehr als 3700 Kilometer. Das Interesse der Regierung in Santiago hielt sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr in Grenzen. Die Osterinsel wurde de facto zu einem schwimmenden Gefängnis, ihre Bewohner durften die Insel nicht verlassen.

Die steinernen Riesen halten Totenwache für die Vorfahren
Die steinernen Riesen halten Totenwache für die VorfahrenBild: DW/Luna Bolivar

Die Insel war außerdem zur Ausbeutung freigegeben. Die reichen archäologischen Schätze der Rapanui-Kultur wurden geplündert. Zwischen 1895 und 1953 nutzte das britische Unternehmen Williamson & Balfour die Insel als große Schafzuchtanlage. Den Einheimischen war es untersagt, sich frei über die Insel zu bewegen. 1966 wurde die Osterinsel der Region Valparaíso zugeordnet. Die chilenische Armada war dabei der einzige Kontakt zum Festland.

Kein Land an Festland-Chilenen

Die Insel erhielt quasi als Wiedergutmachung einen speziellen juristischen Status. Die Einheimischen werden für die gleichen Straftaten milder bestraft als Fremde. Die Osterinsel ist zudem steuerfrei. Das begünstigt die Inselbewohner jedoch nur zum Teil, denn die lokalen Behörden sind komplett abhängig von den Mitteln, die sie vom Festland erhalten. Dieses Budget ist immer defizitär. Das Gesetz von 1966 erkannte jedoch an, dass die Osterinsel Eigentum der Rapanui ist. Seitdem ist es verboten, Land an Ausländer zu verkaufen. Auch Festland-Chilenen dürfen keine Ländereien erwerben.

Doch die Rapanui wollen keine Geschenke, sie wollen eine Stimme. Sie fordern, dass sie über die Geschicke der Insel entscheiden dürfen. "Wir brauchen niemanden, der uns sagt, was das Beste für uns ist", sagt Pedro Edmunds Paoa, Rapanui und seit über einem Jahrzehnt Stadtrat.

Der Einfluss des Festlands

Eine Vielzahl von Organisationen hat diverse Kompetenzen für die Insel. Da ist zum Beispiel CONAF, die nationale Forstbehörde. Diese der Zentralregierung zugeordnete Institution kümmert sich um die Verwaltung des Nationalparks Rapanui, der einen großen Teil der Insel umfasst.

Die oberste Autorität der Insel ist ein Gouverneur, derzeit eine Frau. Sie ist zwar eine Einheimische, das letzte Wort über die Besetzung des Amtes hat aber die Zentralregierung in Santiago. 35 Behörden mit Sitz auf dem Festland reden mit bei Entscheidungen, die die Insel betreffen. Die Gemeinden sind die einzigen Instanzen mit einem direkt gewählten Repräsentanten, den Bürgermeister.

Im Hafen von Hanga Roa, Haupstadt der Osterinsel.
Im Hafen von Hanga Roa, Haupstadt der Osterinsel.Bild: DW/Luna Bolivar

Für die Rapanui steht fest.: Das ihnen aufgezwungene System ist ineffizient und chaotisch. Deshalb hat sich Edmunds Paoa entschieden, lautstark gegen den Zentralismus zu kämpfen. Chile müsse seine Verfassung ändern, sagt er.

"Wir können ja ein Land bleiben, aber Chile ist sicher kein Einheitsstaat", sagt der Stadtrat. "Wenn uns die Zentralregierung nicht hilft und uns unterwerfen will so, als ob wir eine Region unter vielen wären, und wenn es seine zentralistische Haltung aufrechterhält, bleibt uns keine andere Wahl, als uns an internationale Instanzen zu wenden, die uns zuhören und die uns helfen, Chile unter Druck zu setzen", sagt Edmunds.

Edmunds möchte die Vereinten Nationen anrufen, sollte Santiago der Insel nicht zugestehen, eine Regionalregierung zu bilden. "Wir sind ein kleines Volk, das Opfer eines schädlichen Systems ist. Die chilenische Regierung weiß das", schimpft Edmundo. Die Regierung liefere den Festlandchilenen Anreize, die Osterinsel zu "kolonisieren", der Einfluss der Rapanui würde dadurch vermindert. "Wir haben nichts dagegen, chilenische Staatsbürger zu sein, trotzdem wollen wir über unser Schicksal frei entscheiden."