1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jäger wirft Polizei Versagen vor

Helena Baers, Düsseldorf11. Januar 2016

Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln sind noch viele Fragen offen. Antworten sollte der NRW-Innenminister Jäger im Düsseldorfer Landtag geben. Von dort berichtet Helena Baers.

https://p.dw.com/p/1HbKV
Demonstration der Pegida Gegner vor Kölner Dom. Foto: Oliver Berg/dpa
Demonstranten warnten am Wochenende vor genereller Verunglimpfung von FlüchtlingenBild: picture-alliance/dpa/O.Berg

"Nach dem Alkohol- und Drogenrausch kam der Gewaltrausch und das gipfelte in der Auslebung sexueller Allmachtsfantasien", so fasst der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger die Ereignisse in der Silvesternacht am Hauptbahnhof in Köln zusammen. Der SPD-Politiker sitzt im Landtag in Düsseldorf vor zwei Luftaufnahmen des Tatorts: Dem Platz zwischen Bahnhof und Kölner Dom. Die Opposition hatte die Sondersitzung des Innenausschusses zu den Vorfällen beantragt und erwartete Antworten von Jäger, wie es so weit kommen konnte in Köln - bekam aber nicht die erhofften Antworten.

Denn auch wenn die Oppositionspolitiker den Minister ins Kreuzverhör nahmen und nachhakten und unterbrachen - Jäger blieb bei seiner Darstellung, dass allein die Polizei in Köln Schuld daran trägt, dass die Lage auf dem Domvorplatz so eskalierte, nicht aber sein Innenministerium: "Das Bild, dass die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel." Minister Jäger legte dem Ausschuss einen Bericht zu den Ereignissen vor. Der offenbart: Die Opfer wurden in der Nacht weitgehend alleingelassen, vor allem, weil viel zu wenige Polizisten vor Ort waren. Die hätte die Kölner Polizeileitung demnach ohne Probleme anfordern können, tat es aber nicht. Jäger betonte, es sei richtig, dass er den Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand versetzt habe.

Ralf Jäger Innenminister von Nordrhein Westfalen kommt durch Tür im Landtag. Foto: REUTERS/Ina Fassbender
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger vor der Sondersitzung des InnenausschussesBild: Reuters/I. Fassbender

"Gefühl, von der Polizei im Stich gelassen worden zu sein"

Die Vorfälle in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof hatten weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Dort hatten sich nach Angaben der Polizei aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen haben sollen. Laut Bericht war die Lage für die Opfer in der Nacht dramatisch. Denn zum einen habe die Polizei keine Kontrolle über die Lage gehabt "und konnte quasi vor und unter ihren Augen nicht vermeiden, dass Frauen sexuell geschädigt und bestohlen beziehungsweise beraubt wurden. Dadurch wurde das Ansehen der Polizei bei Geschädigten und im Anschluss bei der breiten Öffentlichkeit erheblich beeinträchtigt und geschädigt", so las es Landespolizeiinspektor Bernd Heinen vor.

Außerdem gab es offenbar nicht ausreichend Beamte, die Anzeigen aufnehmen konnten. Das führte zu chaotischen Szenen in der Dienststelle. Die zum Teil stark emotionalisierten und weinenden Opfer mussten laut Bericht lange warten und verließen die Wache deshalb. "Dadurch entstand insbesondere bei den Opfern sexueller Straftaten der Eindruck, von der Polizei im Stich gelassen worden zu sein", heißt es aus dem Innenministerium. Viele Opfer meldeten sich erst in den Tagen nach Silvester. Nach Angaben des Innenministeriums gibt es inzwischen mehr als 500 Anzeigen, davon in fast 240 Fällen wegen Sexualstraftaten.

Tatverdächtige sind vor allem Asylbewerber aus Nordafrika

Bisher richte sich der Tatverdacht gegen 19 Personen ohne deutsche Nationalität, sagte Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann. Zehn haben demnach aktuell den Status "Asylbewerber", fast alle sind im letzten Quartal 2015 nach Deutschland eingereist. Neun weitere Verdächtige halten sich vermutlich illegal in der Bundesrepublik auf. 14 der 19 Verdächtigen stammten aus Marokko und Algerien.

Die Kölner Polizei hatte in den Tagen nach Silvester unglücklich agiert: Noch am Neujahrsmorgen hatte sie in einer Pressemitteilung von einer überwiegend ruhigen Nacht gesprochen. Deshalb gab es schnell Kritik von rechter Seite, dass die Taten wegen der Herkunft der Täter nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Das Vorgehen der Beamten hatte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu scharfer Kritik an der Polizei verleitet - das ist ungewöhnlich, weil er als Bundesinnenminister der oberste Chef aller Sicherheitskräfte ist.

Köln Pegida Demo -Polizei mit Wasserwerfern. Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay
Rechte Demonstranten versuchen die Ereignisse für ihre Ziele zu nutzen - die Polizei schreitet einBild: Reuters/W. Rattay

Übergriffe auf Ausländer in Köln

Köln bleibt zudem wegen Gewalttaten weiter in den Schlagzeilen: Am Sonntagabend griffen Gewalttäter Menschen aus Pakistan und Syrien an und verletzten einige davon. Bei den Angriffen handelt es sich nach Erkenntnissen der Polizei um "fremdenfeindliche Straftaten". Hier hätten sich gezielt Leute über die sozialen Netzwerke verabredet, um auf augenscheinlich "nicht-deutsche Menschen" loszugehen, sagte Norbert Wagner von der Kölner Polizei. "Es ist ein alarmierendes Signal, das wir sehr ernst nehmen". Die Zahl der regulären Streifeneinsätze werde erhöht, die Umgebung speziell um Dom und Hauptbahnhof regelmäßig kontrolliert, teilte die Polizei weiter mit. Eine Demonstration der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in Köln hatte die Polizei am Samstag abgebrochen, weil Protestierende immer wieder Böller warfen.

Der NRW-Innenminister Jäger, kündigte an, dass die Aufarbeitung der Vorfälle in Köln sehr schwierig sei. "Die Vielzahl an potenziellen Tätern macht sie extrem aufwändig." Es werde sich zeigen, wie viele Täter letztlich ermittelt werden könnten und auch, wie viele dann verurteilt würden. Der SPD-Politiker mahnte zudem, wer jetzt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Zuwanderung und Gewaltaktionen herstelle, der spiele Rechtsextremisten in die Hände.