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Auf der 'Autobahn Gottes'

Thomas Mösch/Mansour Bala Bello/Geraldo Hoffman12. September 2007

Pfingstkirchen in Afrika versprechen Seelenheil, Gesundheit und Reichtum. Beten, Geld spenden und dafür göttlichen Beistand erfahren gehört zum Geschäft der Pfingstler in Nigeria. Auch ein Deutscher mischt kräftig mit.

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Nigerianerin im Pfingsttaumel, Quelle: AP
Hunderttausende wollen das Pfingstereignis selbst erfahren - wie diese Frau in Nigerias Hauptstadt LagosBild: AP

Lagos, die Millionenmetropole an der Atlantikküste Nigerias, ist nicht nur das wirtschaftliche Zentrum des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas. Es ist auch ein Zentrum christlicher Mission. Von der kleinen Stadtteilgemeinde bis hin zum religiösen High-Tech-Zentrum mit Kathedrale, Universität und Einkaufszentrum findet sich hier eine kaum überschaubare Vielfalt von Pfingstkirchen. Der Erfolg der Pfingstkirchen strahlt inzwischen auch auf die traditionellen christlichen Kirchen in Afrika aus: Rhythmische Musik, lautstarke Predigten, der Kampf gegen böse Geister und Wunderheilungen finden immer mehr Anhänger.

"Lager der Erlösung" und "Autobahn Gottes"

Jeden Sonntag wollen in Lagos Hunderttausende das Pfingstereignis selbst erfahren, den Heiligen Geist spüren. Dann strömen die Gläubigen in die zahllosen kleinen und großen Kirchen der Stadt. Die erfolgreichsten unter ihnen haben an der Ausfallstraße nach Ibadan wahre Kathedralen errichtet mit Platz für Zehntausende. Über den Eingängen prangen Überschriften wie "Berg des Feuers und der Wunder" oder "Botschaft Christi" oder "Redemption Camp", "Lager der Erlösung". Dieser "Religions- Highway", die "Autobahn Gottes", ist bereits weltweit zu einem Symbol geworden für den Erfolg, den die charismatischen Kirchen in Afrika haben.

Mitglieder einer Pfingskirche warten auf die Predigt, Quelle: AP
Mitglieder einer Pfingstkirche warten auf die PredigtBild: AP

Nach Angaben der "World Christian Database" in Boston steht Nigeria weltweit an dritter Stelle, was die Zahl der Mitglieder der Pfingstkirchen betrifft (etwa 3,9 Millionen), hinter Brasilien mit mehr als 24 Millionen und den USA mit rund 6 Millionen. Was die Menschen zu diesen Kirchen hinzieht, ist angeblich die Hoffnung auf Erlösung von Armut und Krankheit schon im Diesseits. Während traditionelle Kirchen allzu oft auf das Jenseits vertrösten, versprechen die Pfingstler direkte Hilfe durch Gottes Segen.

Ein Prophet mit Mission

Der Ingenieur Ejiah Ndifon hat zu diesem Zweck selbst eine Kirche gegründet, die Royal Kingdom Citizen International. Seitdem nennt er sich Prophet und erklärt seine Mission so: "Es gibt so viele Leben, aus denen etwas Großes werden könnte, aber sie können ihr Schicksal nicht verwirklichen, weil es niemanden gibt, der ihre Visionen unterstützend begleitet. Royal Kingdom Citizen bietet genau diese Begleitung, bringt Menschen und deren Leben in Einklang mit der Reinheit Gottes."

Und so lernen die Gläubigen, dass der Heilige Geist ihr Schicksal ganz direkt zum Guten wenden kann. Denn Krankheit und Misserfolg plagen nur den, der sich nicht gegen das überall gegenwärtige Böse wehrt und kein gott-gefälliges Leben führt. In diesem Kampf gegen das ganz reale Böse liegt einer der Gründe für den Erfolg der Pfingstkirchen, erklärt Erhard Kamphausen, langjähriger Leiter der Missionsakademie an der Universität Hamburg.

"Alte afrikanische Traditionen, die durch das Missionschristentum nicht absorbiert oder marginalisiert wurden, werden voll aufgenommen. Hexerei, Magie sind Realität, man hat nur die entsprechende Macht, dagegen anzugehen", so Kamphausen. Diese Macht, gegen das Böse anzugehen, erfahren die Gläubigen im Gottesdienst: Glaubensbrüder und -schwestern, denen der Heilige Geist geholfen hat, legen Zeugnis ab; Priester betätigen sich als Wunderheiler.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie ein Deutscher versucht, den Afrikanischen Kontinent zu bekehren.

"Mähdrescher Gottes" aus Deutschland

Missionar Reinhard Bonnke während einer Predigt, Quelle: AP
Der Deutsche Reinhard Bonnke ist "vermutlich der erfolgreichste Missionar unserer Tage"Bild: AP

Auch der deutsche Prediger Reinhard Bonnke aus Frankfurt am Main ist im religiösen Geschäft in Afrika, besonders in Nigeria tätig. Seit fast 30 Jahren führt er nach eigenen Angaben Großevangelisationen auf dem schwarzen Kontinent durch. Eine dieser Massenevangelisationen in Lagos sollen 1,6 Millionen Menschen besucht haben. Ein Mega-Event dieser Art in Oshogbo, Nigeria, im Februar dieses Jahres wurde von "God TV" in 200 Länder übetragen. Die Zeit bezeichnete ihn bereits als "vermutlich erfolgreichsten Missionar unserer Tage".

Auf der Website seines Bibelvereins "Christus für alle Nationen" berichtet Bonnke, der sich als "Mähdrescher Gottes" bezeichnet, von Wunderheilungen und "Ausgießung des Heiligen Geistes" über seine Anhäger. In sieben Sprachen preist er dort seine Bücher und andere Werbeartikel - wie eine Filmserie auf DVD für 249 Euro - an. Ein Online-Studium zum Thema Evangelisation gibt es ebenfalls im Angebot. Überhaupt benutzen die Pflingstler zunehmend das Internet für "virtuelle Bekehrungskreuzzüge".

Das "normale" Geschäft mit Gott

Die Gläubige Ayimah Hondeh besucht in Lagos eine "reale" Gemeinde der in Nigeria am weitesten verbreiteten Pfingstkirche, der Redeemed Christian Church of God, also der "Erlösten christlichen Kirche Gottes". Auch sie hat schon Zeugnis abgelegt, zum Beispiel über jenen 31. Dezember 2005, an dem sie in einem Schnellrestaurant in der Warteschlange stand. Ein junger Mann drängelte sich vor, erzählt sie. Weil sie genervt war, aber keinen Streit wollte, wechselte sie in eine andere Schlange. "Kurz danach kamen Räuber in das Restaurant. Die Leute in der ersten Schlange wurden zuerst Opfer dieser Räuber. Ich glaube, es war Gottes Wille, dass ich zur Seite gegangen war. Die Bewaffneten haben mich nicht angerührt und mir nichts gestohlen", erzählt sie.

Ein paar Wochen zuvor habe der Pastor in ihrer Kirche die Gläubigen daran erinnert, dass sicher noch nicht alle in jenem Jahr den Segen Gottes erfahren hätten. Ayimah Hondeh wiederholt seine Worte: "Geht nicht in das neue Jahr, ohne den Segen für dieses Jahr empfangen zu haben. Und er sagte, dass wir unsere Gebete verdoppeln sollten und auch unsere Spenden. Wenn wir bisher 500 Naira gespendet hätten, sollten wir das verdoppeln. So habe ich dann statt 500 jeden Sonntag 2000 Naira gespendet. Ich weiß, dass Gott mir an jenem Tag in dem Restaurant geholfen hat."

Geld spenden und dafür ganz direkt göttlichen Beistand erfahren - das ist für Pfingstkirchler ein ganz normales Geschäft. Umgekehrt gilt derjenige, der keinen Erfolg im Leben hat, oft als selbst Schuld an seinem Elend. Kein Wunder also, dass diejenigen Pastoren oder Kirchengründer als die besten gelten, die selbst den meisten Reichtum angehäuft haben.

Kein Tag ohne Wunder

Ein weiteres Gut, dass die Pfingstkirchen anbieten, ist Gesundheit. Insbesondere bei den Bekehrungskampagnen, die gern auch Kreuzzüge genannt werden, stehen Wunderheilungen im Zentrum, betont auch der Missionswissenschaftler Erhard Kamphausen. "Das Wunder spielt eine große Rolle. Selbst relativ aufgeklärte deutsche Pfingstler sagen, für einen Pfingstler darf es keinen Tag geben, wo kein Wunder geschieht."

Grundsätzlich habe das mit Scharlatanerie genauso wenig oder so viel zu tun, wie die Wunderheilungen, die aus Lourdes und anderen von der Amtskirche anerkannten Wallfahrtsorten gemeldet würden, meint Kamphausen. Trotzdem warnt der Theologe vor den aggressiven Missionsmethoden charismatischer Kirchen in Afrika, die insbesondere den Islam als Gegner begreifen (nach offiziellen Angaben sind rund 50 % der Nigerianer Muslime, 40 % Christen und die restlichen 10 % bekennen sich zu einer Naturreligion). Gerade im muslimisch dominierten Norden Nigerias haben solche Kampagnen wiederholt Massaker ausgelöst. "Da bin ich der Meinung, dass die meisten Kirchen, die ihre Crusades im Norden durchführen, dass die absolut gefährlich sind und die Spannungen zwischen Islam und Christentum ungemein verstärken."