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Auf den Spuren von Ungarns Diva Katalin Karády

Luisa von Richthofen
2. Dezember 2018

Femme Fatale, ungarische Zarah Leander, die Spionin, die Emigrantin - all das war Ungarns Film-Diva Katalin Karády. An ihr Leben wird demnächst im Museum of Contemporary Art of Barcelona (MACBA) erinnert.

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Ungarn Schaupielerin Katalin Karady
Bild: Ani Molnár Gallery

Wer in den späten 1930er Jahren an den Paramount-Studios in Hollywood vorbei spazierte, konnte auf einem Schild über der Tür zum Filmstudio lesen: "Es reicht nicht aus, Ungar zu sein, um Filme zu machen. Man muss auch Talent haben." So zahlreich waren die ungarischen, oft jüdischen Emigranten, die sich in die amerikanische Filmhauptstadt abgesetzt hatten. Auch in ihrer Heimat erlebte das Kino in den 1940er Jahren eine Goldene Zeit. Die Namen Pál Jávor, Klári Tolnay und Zita Perczel lassen heute noch die melancholischen Augen der Magyaren aufleuchten. Doch kein Stern im ungarischen Star-Kosmos leuchtet so hell wie Katalin Karády. 

Ungarn Schaupielerin Katalin Karady
Katalin Karády bleibt eine der beliebtesten Schauspielerinnen in der ungarischen Film Geschichte.Bild: CC 2.0 Kisdobos

"Karády ist die aufkommende Sonne geworden, der blaue Wundervogel. Das Haupt einer Löwenkönigin, ihr geheimnisvolles Gesicht, (…) ihre wunderbare Stimme, aus der man reine Unschuld und Leidenschaft zugleich heraus hört, das hat nur sie." So schreibt der Journalist Zoltán Egyed im Jahre 1938 über Karády. Er ist es, der die junge Katalin Kanczler, das siebte Kind eines gewalttätigen Schuhmachers, eines Nachts in einem Café entdeckt, in dem sie alleine auf der Bühne singt. Er überzeugt die schöne Brünette davon, sich nur noch kurz "Karády" zu nennen. Denn im Jahr 1938 nimmt man sich vor allem Deutschen in Acht, auch vor deutsch-klingenden Namen.

Ungarns erstes Sex-Symbol

Nach einigen wenig bemerkten Bühnenauftritten ist es ein Film, der der 28-Jährigen ersten Ruhm verschafft. "Tödlicher Frühling" (Halálos Tavasz) macht sie über Nacht zum Star. Es ist die subtile Erotik, die Karády ausstrahlt, die die Ungarn verrückt macht. Im Gegensatz zu anderen typischen weiblichen Filmfiguren der Zeit ist sie nicht die naive und sentimentale junge Frau, sondern eine entschiedene Verführerin. Sie raucht ununterbrochen Zigaretten und trägt sogar Hosen. Sie entwickelt sich zur Stilikone des Landes: Ihre Frisur wird von Hunderttausenden imitiert, und Karády-Fan-Clubs sprießen in Ungarn wie Pilze aus der Erde. In den folgenden sechs Jahren tritt sie in 22 Filmen auf.

 "Glimmernde Zigarettenspitze auf einem Aschenbecher, bis zum Ende lautlos brennend, Kleine Zigarette, glaub mir, wenn ich sage, dass man mich auch noch immer brennend wegschmiss", um Karádys raue Altstimme zu hören, drängen sich die Ungarn ans Radio. Zurecht wird sie mit Marlene Dietrich verglichen. Ihre Lieder, voller Melancholie und Weltschmerz, treffen genau den Zeitgeist. 

Im Zweiten Weltkrieg verliert sie alles

Im März 1944 besetzten deutsche Truppen Budapest. Einen Monat später verhaften Gestapo-Offiziere Karády während einer Radioaufnahme. Der Grund ist die Beziehung zu ihrem Verlobten, István Újszászy, dem Leiter des ungarischen Militärgeheimdienstes. Er soll mit den Alliierten Geheimverhandlungen wegen eines Bündnisses geführt haben und wird am selben Tag wie Karády verhaftet.  

Als Karády am Ende des Sommers freigelassen wird, haben sie die wochenlangen Verhöre und Folterungen gebrochen. Trotzdem nützt sie ihre Kontakte zu Újszászy, um Juden zu retten. Sie steckt einem Offizier einen Goldring in die Tasche und verhindert so, dass jüdische Kinder am Donauufer erschossen werden. Sie veranlasst die Freilassung ihrer Künstlerfreunde mit jüdischer Herkunft. Sie versteckt Familien in ihren drei Villen. Dafür wird sie 2004 als "Gerechte unter den Völkern" von Yad Vashem ausgezeichnet.

"Venom - A Diva in Exile" Péter Forgács, Ani Molnár Gallery

Doch es ist die Befreiung Budapests durch die Sowjetische Armee, die Karády zum Verhängnis wird. Für Karády ist in Ungarn kein Platz mehr. Ihr Verlobter wird vom sowjetischen Geheimdienst entführt. Sie trifft ihn nie wieder. Die kommunistische Elite will sie nicht mehr auftreten lassen, denn sie gilt nun als Vertreterin einer dunklen Ära, in der Ungarn mit Deutschland kollaborierte. 1951 geht sie in die Emigration. Für die USA erhält sie kein Visum. Auf dem Höhepunkt der antikommunistischen Hysterie des Kalten Krieges, wird sie von amerikanischen Einwanderungsbehörden des Kommunismus verdächtigt. Es ist, als komme Karády überall zur falschen Zeit an.

Eine Diva im Exil

Schließlich landet sie in São Paulo. Viel ist nicht über diese Zeit bekannt. Dieser Lücke haben sich der ungarische Medienkünstler Péter Forgács und die Schriftstellerin Zsófia Bán gemeinsam angenommen. In einer Installation für das Videokunst-Festival Loop in Barcelona greifen sie die Anonymität, die Fremdheit des Exils, das Trauma auf. Ausgezeichnet mit dem prestigeträchtigen Loop Acquisition Prize wird das Werk bald im Museum of Contemporary Art of Barcelona (MACBA) zu sehen sein.  

Das Einzige, was man über Karádys Zeit in São Paulo sicher weiß: Sie eröffnet ein kleines, durchaus erfolgreiches Hutgeschäft. Weil sie Angst davor hat, auf ihre Landesgenossen zu stoßen, hält sie sich ausschließlich im hinteren Bereich des Ladens auf. Nur 17 Jahre später zieht sie nach New York, betreibt dort ein modisches Hutgeschäft auf der Madison Avenue.

Brasilien São Paulo
São Paulo, etwa zu der Zeit als Karády weiter nach Amerika emigrierte.Bild: Getty Images/Keystone

Bis zu ihrem Tod 1990 tritt sie nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Auch als die Karády-Nostalgiewelle in den 1980er Jahren in Ungarn ihren Höhepunkt erreicht, weigert sie sich immer noch, in ihr Heimatland zurückzukehren. Aber das Land hält an dem Mythos fest. Elf Tage nach ihrem Tod in New York wird ihr Sarg in Budapest ausgestellt. Wen sehen die Tausenden Trauernden, die in die Stephanskirche kommen, in Karády? Die Femme Fatale? Die Judenretterin? Die Ikone eines kosmopolitischen, erfolgreichen Ungarns? Katalin Karády hatte so viele Gesichter.