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Atomkraftgegner im Internet

14. März 2011

Im Internet kann man sich informieren und seine Meinung äußern. Jetzt posten auch die Atomkraftgegner.

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Symbolbild Facebook (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

"Atomenergie - Nein, Danke! Wir schreiben unserem Umweltminister" - so heißt eine der vielen Internetaktionen, die erreichen wollen, dass die deutsche Atompolitik auf den Prüfstand gestellt wird. Der beschlossene "Ausstieg aus dem Ausstieg" bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland wird von vielen nicht mehr einfach so hingenommen.

Das Kernkraftwerk Fukushima (Quelle: AP)
Das Unglückskraftwerk im japanischen FukushimaBild: AP

In Foren, die es im Internet in immer größerer Zahl gibt, äußern viele Menschen ihre Bedenken. Es reicht ihnen offenbar nicht mehr, dem Bundestagsabgeordneten, den ihr Wahlkreis nach Berlin entsandt hat, ihre Sorgen mitzuteilen und dann zu hoffen, dass er sie im parlamentarischen Alltag formuliert. Die Internet-User wollen direkt teilnehmen. Sie wenden sich lieber ohne Umwege an die vermeintlichen Entscheidungsträger wie beispielsweise den Umweltminister. Norbert Röttgen hat seit dem Sonntag (13.3.2011) hunderte von E-Mails besorgter Bürger bekommen.

Gewaltiges Echo

Der Ton der Atomkraftgegner oder -skeptiker ist bei dem, was im Internet veröffentlicht wird, nur selten polemisch. Hier und da ist nur ein kurzer Imperativ wie "Abschalten!" zu lesen, doch die meisten User gegen sich erkennbar mehr Mühe. "Sehr geehrter Herr Röttgen!", heißt es da zum Beispiel. "Unsere Gedanken sind seit Tagen in Japan und bei allen den Betroffenen. Was muss noch geschehen, damit die Bundesregierung erkennt, dass die Atomtechnologie durch den Menschen nicht beherrschbar ist? Es gibt Alternativen. Worauf warten Sie? Setzen Sie ein Zeichen!"

Ein deutscher Atomkraftgegner hält bei einer Anti-Atomenergie-Demonstration ein "Atomkraft Nein Danke"-Symbol in die Höhe (Foto: dpa)
Viele Atomkraftgegner sehen sich in ihrer Skepsis jetzt bestätigtBild: picture-alliance / dpa

Auch Nachdenkliches ist in den Foren zu lesen. So ist vielen bewusst, dass ein sofortiges Abschalten der Atomkraftwerke in Deutschland ohne weiteres gar nicht möglich ist. Diese User verweisen darauf, dass es noch Jahre dauern wird, bis alternative Energiequellen die Atomkraft ganz verzichtbar machen können. Wieder andere appellieren an die Vernunft: "Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, wir sind fassungslos und entsetzt über die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Ziehen Sie daraus die Konsequenzen: Machen Sie die Laufzeitverlängerung rückgängig und schalten Sie Atomkraftwerke ab - jetzt und endgültig! Mit freundlichen Grüßen" Am Montag (14.03.2011) hatten um 11:30 Uhr bereits 53.500 Internetuser diesen Aufruf unterschrieben, eine Stunde später waren es schon 57.000, weitere drei Stunden später 61.000.

Sorge um die Umwelt

Seit dem vergangenen Samstag läuft eine andere Internetpetition, die an die Kanzlerin und den Umweltminister gerichtet ist. Ihr Titel: "SuperGAU in Japan - AKWs abschalten!" Das besondere an dieser Aktion ist, dass man nicht nur mit einer Unterschrift seine Unterstützung bekunden kann, sondern dass die User auch Kommentare hinzufügen können. Es fällt auf, dass hier jede Altersgruppe vertreten ist. Dabei wird deutlich, wie verschieden die Facetten der Angst und der Wut bei den Atomkraftgegnern in Deutschland sind: "Ich, Bürger Deutschlands, will endlich gehört werden und ich habe laut Verfassung ein Mitsprache-Recht, das mir aber 'von ganz oben' vorenthalten wird, dadurch, dass man mich wie alle anderen Menschen in Deutschland vor vollendete Tatsachen stellt und uns das Mitsprache-Recht verweigert. Es IST aber unser gutes RECHT, mit zu entscheiden!"

Die deutschen Kernkraftwerke und ihre erwartete Laufzeit (Grafik: DW)

Sehr viele Menschen wollen einfach ihrer großen Sorge Ausdruck verleihen. Dabei erinnern sie sich der Reaktorkatastrophe von 1986 in Tschernobyl. Vor 25 Jahren war eine große Wolke mit radioaktiv strahlenden Partikeln aufgestiegen und hatte bis nach Skandinavien und Westeuropa ihre gefährliche, lebensbedrohende Spur gezogen. "Die Tage von Tschernobyl sind mir sehr gegenwärtig. Die aktuellen Ereignisse von Japan sind eine weitere Bestätigung für das, was wir schon lange wissen: Die Atomkraft kann nicht wirklich von den Menschen beherrscht werden." Der User fügt dieser Feststellung den Grund hinzu, warum er sich gerade jetzt engagieren will: "Ich jedenfalls möchte mich in 30 Jahren nicht fragen lassen: Warum habt ihr nichts unternommen?"

Ob sich die Bundesregierung von den zahlreichen Protesten im Internet nun hat beeinflussen lassen, ist pure Spekulation. Jedenfalls hat Angela Merkel am Nachmittag des 14. März verkündet, dass die gerade erst beschlossene Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke ausgesetzt wird. Drei Monate soll dieses Moratorium andauern, in denen die Sicherheitsstandards der Atommeiler in Deutschland überprüft werden.

Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Kay-Alexander Scholz