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PolitikAsien

Atom-Sabotage erschwert Iran-Gespräche

Shabnam von Hein
14. April 2021

Mit dem Sabotageangriff auf die Atomanlage Natans könnte Israel die Wiener Gespräche stärker beschädigt haben als das iranische Atomprogramm.

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Iran Hassan Rouhani und Ali Akbar Salehi
Bild: Office of the Iranian Presidency/AP Photo/picture alliance

Allen Widerständen der Hardliner zum Trotz ist Irans Vize-Außenminister Abbas Araghchi nach Wien gereist, um an weiteren Verhandlungen über die Wiederbelebung des Atomabkommens teilzunehmen. Zu diesem Zweck hatten sich vergangene Woche zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von Joe Biden die Vertreter der im Atomabkommen verbliebenen Staaten sowie der USA in Wien eingefunden. Die Gespräche finden unter Vermittlung der EU statt, wobei von der iranischen Seite ein direkter Kontakt mit den Vertretern der USA bislang verweigert wird.

"Warum sollen wir verhandeln und uns verpflichten, unser Atomprogramm zurückfahren, wenn unsere Atomanlagen durch Sabotage zerstört werden?" fragt Abdollah Gandschi, Chefredakteur der den Revolutionsgarden nahestehenden Zeitung "Dschawan" auf Twitter. Seiner Meinung nach stecken die USA und Israel hinter der Explosion in der Wiederaufbereitungsanlage Natans. Gandschi vermutet eine Arbeitsteilung zwischen Israel und den USA im Rahmen einer Politik von "Zuckerbrot und Peitsche".  

"Kein nachhaltiger Schaden für Irans Atomprogramm"

Vize-Außenminister Araghchi, der iranische Chefdelegierte bei den Verhandlungen in Wien, kündigte in der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA an, der Iran werde als Reaktion auf den Natans-Angriff seine Uran-Anreicherung auf 60 Prozent steigern. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sei darüber schriftlich informiert worden.

Indirekte Atomgespräche zwischen dem Iran und den USA
Vize-Außenminister Araghchi (l) ist zugleich der iranische Chefdelegierte bei den Verhandlungen in WienBild: Georges Schneider/XinHua/dpa/picture alliance

Nach Angaben der iranischen Atomorganisation AEOI sollten die Vorbereitungen für die 60-prozentige Konzentration in der Atomanlage Natans bereits am Dienstagabend beginnen, trotz der schweren Beschädigung der Anlage. "Solche Angriffe werden längerfristig die Entwicklung des iranischen Atomprogramms nicht stoppen", prognostiziert der Iran-Experte Trita Parsi von der Washingtoner Denkfabrik "Quincy Institute for Responsible Statecraft". "Weder die bisherigen Sabotageakte noch die Attentate auf Atomwissenschaftler haben einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung des iranischen Atomprogramms gehabt. Sie haben dieses Programm vielleicht für ein paar Monate zurückgeworfen, ihm aber auf längere Sicht keinen Schaden zugefügt."    

"Nuklearer Terrorismus"

Am vergangenen Sonntag meldete das iranische Fernsehen, es habe in der Wiederaufbereitungsanlage Natans einen "Vorfall" bzw. einen "Unfall" im Stromnetz gegeben. Erst am Samstag, dem Nationalen Tag der Atomtechnologie, waren in Natans rund 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Teheran in Anwesenheit von Präsident Rohani neue moderne Zentrifugen feierlich in Betrieb genommen worden - ein weiterer Verstoß gegen einschlägige Bestimmungen des Atomabkommens.  

Über das genaue Ausmaß der Beschädigungen und die Ursache gab es zunächst keine klaren offiziellen Angaben und auch keine Bilder. Allerdings machte unter anderem Außenminister Dschawad Sarif deutlich, dass es sich für Iran um einen Akt von "nuklearen Terrorismus" durch Israel handele. Der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, erklärte, ein Cyberangriff auf das Stromnetz der Anlage habe zu einer Explosion geführt. Salehi warf Israel vor, hinter dem Angriff zu stecken.

Ohne direkt auf die Anschuldigungen aus dem Iran einzugehen sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: "Ich werde es dem Iran nie erlauben, Atomwaffen zu erlangen, um sein Ziel des Völkermords und der Auslöschung Israels zu erreichen." Netanjahu lehnt die Wiener Verhandlungen für die Wiederbelebung des Atomabkommen mit dem Iran ab und betont, ein Abkommen mit dem Iran wäre für Israel "in keiner Weise bindend".

Auftrieb für Hardliner

Israel wird nicht nur vom Iran als Urheber verschiedener verdeckter Attacken der jüngsten Zeit gesehen: Zwei Sabotageanschläge auf die zentrale Atomanlage Natans, das tödliche Attentat auf Mohsen Fachrisadeh, den Kopf des iranischen Atomprogramms, und eine Reihe von Attacken auf iranische Schiffe, zuletzt vor der eritreischen Küste. Trita Parsi sieht eine gewisse Paradoxie im israelischen Vorgehen: "Wenn die Israelis wirklich erfolgreich wären und das iranische Atomprogramm nachhaltig beschädigten, würde das wahrscheinlich in der iranischen Führung die Fraktion stärken, die argumentiert, dass der Iran sich einfach aus dem Atomwaffensperrvertrag zurückziehen und die Atombombe anstreben sollte."

Tatsächlich freuen sich die Hardliner im Iran schon jetzt. Wie etwa Fereydoun Abbasi-Davani, ehemaliger Chef der iranischen Atomenergiebehörde. Abbasi, 2013 vom damals neu gewählten Präsidenten Rohani abgesetzt, ist Mitglied der Revolutionsgarden und Parlamentsabgeordneter.

Als Gegner der Atomverhandlungen gab er am Montagabend im Fernsehen Einzelheiten über den Angriff auf Natans preis, die der Iran bis dahin verschwiegen hatte. Demnach hat die Explosion sowohl ein Umspannwerk als auch eine unterirdische Notstromversorgung zerstört. "Der Feind ist geduldig und plant seine Angriffe von langer Hand." Fast schon begeistert fügte er hinzu: "Wissenschaftlich betrachtet ... war der Plan des Feindes sehr schön".