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Syriens Unterstützer

Thomas Kohlmann5. Juni 2012

Der Schlüssel zur Lösung des Syrien-Konflikts liegt in Moskau. Russlands Emissäre gehören zu den wenigen, die in Damaskus überhaupt noch Gehör finden.

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Russischer Präsident Putin und chinesischer Präsident Hu im Gespräch (Foto: dpa)
Hu Jintao Wladimir Putin China Beijing TreffenBild: picture-alliance/dpa

"Beihilfe zum Mord" warf der grüne Europa-Abgeordnete Werner Schulz dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor - unter dem Eindruck des Massakers an Frauen und Kindern in der Stadt Hula Ende April. "Russland tut alles, um diese Diktatur zu stützen, überhaupt tut Russland alles, um Diktaturen weltweit zu stützen", prangerte Schulz die russische Haltung in der Syrien-Frage an.

Doch mit dem erhobenen Finger auf Moskau zu zeigen und die moralische Keule herauszuholen sei kein geeigneter Weg, um Moskaus Kooperation beim Krisenmanagement in Syrien einzufordern, meint Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Es ist nie politisch hilfreich, jemanden, den man zum Teil der Lösung machen will, vorher ins moralische Abseits zu stellen." Natürlich sollten alle beteiligten Mächte, die an einer politischen Lösung in Syrien interessiert seien, auf die Verantwortung Russlands hinweisen. Doch es sei genauso wichtig, die Entscheidungsträger in Moskau davon zu überzeugen, dass sie die große Chance haben, ihren Einfluss auf das Assad-Regime zu nutzen.

Voker Perthes (Foto: Stiftung Wissenschaft und Politik)
Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: SWP

Die langen Schatten des Libyen-Konflkts

Ein zentraler Grund dafür, dass Russland im UN-Sicherheitsrat bislang eine härtere Gangart gegenüber dem Regime in Damaskus verhindert hat, ist die jahrzehntelange Partnerschaft mit dem letzten verbliebenen Kreml-Verbündeten im Nahen Osten. Doch was viel schwerer wiege, sei das Gefühl der Russen, nach ihrer Zustimmung zur entscheidenden Libyen-Resolution vom Westen über den Tisch gezogen worden zu sein, erklärt die Leiterin des Beiruter Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, Bente Scheller. Nachdem Russland den Weg frei gemacht habe zur Einrichtung von Flugverbotszonen zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung, seien die NATO und ihre arabischen Partner weit über das UN-Mandat hinausgegangen. Die Syrien-Expertin glaubt, dass es sehr schwierig wird, dieses verlorene Vertrauen Moskaus in den Westen wieder herzustellen. Sie hält es allerdings für möglich, dass die russische Blockadehaltung durch ein Kompensationsgeschäft mit dem Westen aufgebrochen werden könnte.

Regimegegner am 05.06. 2012 in Hama (Foto: Reuters)
Regimegegner am 5. Juni in HamaBild: Reuters

Die "drei Filme" der Moskauer Führung

Volker Perthes gibt die Seelenlage der Russen wieder, indem er einen russischen Freund zitiert: "Die Syrer zahlen den Preis für das westliche Verhalten in Libyen." Für Perthes gibt es aber noch zwei weitere "Filme", die gleichzeitig für die russische Führung ablaufen, wenn es um Syrien geht: "Da ist der Tschetschenien-Film: Man sieht islamische Radikale überall da, wo es Aufstände gibt gegen zwar autoritäre, aber immerhin säkulare Regime in orientalischen Gesellschaften." Das sei ein weiterer Grund, warum Russland so kompromisslos gegenüber dem Westen in der Syrienfrage auftrete.

Im "dritten Film" schließlich gehe es um die russischen Interessen in der Region. Die Nutzung des russischen Marinestützpunkts Tartus etwa könne Moskau auch mit einer Nachfolgerregierung in Damaskus verhandeln - davon ist Perthes überzeugt. "Hier stellt sich einfach die Frage, wann die russische Führung der Ansicht ist, dass es ohne Assad leichter sein wird, die eigenen Interessen durchzusetzen, als mit Assad."

Bente Scheller Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut (Foto: DW)
Bente Scheller, Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut

Jemenitische Lösung

Um den Syrien-Konflikt gemeinsam mit Russland zu lösen, müsste der Westen der Moskauer Führung vermitteln, dass sie nicht nur eine konstruktive Rolle haben könnte, sondern dass sie auch eine führende Rolle haben sollte, meint Perthes. "Man müsste ihnen signalisieren, dass man die russischen Interessen in Syrien respektiert und dass es auch in ihrem Interesse ist, eine verhandelte Transition auf den Weg zu bringen - und dass man sie dabei unterstützt." Im Klartext: Statt Russlands Unterstützung aggressiv einzufordern, müsste der Westen Russland seine Unterstützung bei einem friedlichen Machtübergang in Syrien anbieten.

Das Zauberwort dabei ist die "jemenitische Lösung": der Gang Assads und seiner engsten Getreuen ins Exil und die vorübergehende Übertragung der Macht auf einen Stellvertreter Assads. Danach würde nach einem von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga vermittelten Dialog aller politischen Gruppen in Syrien der Weg zu einer Neuordnung des Landes eingeleitet werden. Assad käme dann zwar straffrei davon - was die Kritiker einer solchen Lösung beklagen-, doch der Bürgerkrieg könnte beendet werden. Das hoffen jedenfalls die Unterstützer der jemenitischen Option, die nach Einschätzung von Volker Perthes immer zahlreicher werden, während es dagegen immer weniger Befürworter einer militärischen Intervention gebe.

Chinesische Gefolgschaft und nervöse Mullahs

Perthes ist erst vor wenigen Tagen von Gesprächen in Peking, die ihn unter anderem ins chinesische Außenministerium führten, nach Berlin zurückgekehrt. Die Haltung der Chinesen im UN-Sicherheitsrat charakterisiert er so: "Die chinesische Regierung sagt, wir haben keine partikularen Interessen in Syrien, aber wir stellen uns hier - auch weil Russland uns darum gebeten hat - hinter die russische Führung."

Zerstörter Panzer (Foto: dapd)
Zerstörter Panzer der Regierungstruppen in Ariha in der Provinz IdlibBild: AP

Am engsten mit dem Schicksal des Assad-Clans verknüpft ist der Iran. Über das Regime in Damaskus übten die Mullahs bislang ihren politischen Einfluss in der Region aus, denn über syrische Kanäle lief die Unterstützung der libanesischen Hisbollah. Und über die bis vor kurzem in Damaskus residierende Hamas reichte die Macht des Iran bis in die palästinensischen Autonomiegebiete. Volker Perthes unterstreicht die Bedeutung Syriens für Teheran: "Die iranische Führung ist ausgesprochen nervös, dass ihr Land den einzigen Verbündeten, den es in der arabischen Welt hat, verlieren könnte, wenn das Assad-Regime stürzt. Und deshalb haben sie ein großes Interesse daran, dass es nicht stürzt."

Der Poker um eine Lösung des Syrien-Konflikts geht also weiter, und Bente Scheller erklärt es sich so, dass derzeit kein Akteur so recht in die Offensive gehen will: "Solange Russland eindeutig signalisiert, dass es eine Aktion des UN-Sicherheitsrates hier nicht mittragen wird, ist es natürlich auch relativ bequem für alle anderen. Weil sie sich nicht realistisch der Frage stellen müssen, wie sie eine solche Intervention durchführen würden."