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Neues Massaker in Syrien?

Nils Naumann7. Juni 2012

Verkohlte Leichen, Kinder, die mit Messern massakriert wurden. Die syrische Opposition berichtet von einem neuen schweren Massaker mit mindestens 78 Toten. Eine unabhängige Bestätigung gibt es bisher nicht.

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Flammen vor Häusern einer syrischen Stadt (Foto: dapd)
Symbolbild Syrien TV SatellitenschüsselBild: dapd

Die Berichte klingen alarmierend: Angehörige einer regierungstreuen Miliz sollen am Mittwoch in dem kleinen Dorf Masraat al-Kubair mindestens 78 Menschen brutal massakriert haben. Laut Opposition beschossen Sicherheitskräfte die Ortschaft in der Provinz Hama mit Granaten. Dann seien Schabiha-Milizionäre von Haus zu Haus gegangen.

In New York hielt die Vollversammlung der Vereinten Nationen bei einer Sondersitzung eine Schweigeminute für die Opfer ab. Die Sitzung war aber keine Reaktion auf das Blutbad, sondern schon seit vergangener Woche geplant. Trotz aller internationalen Bemühungen werde die Situation im Land immer schlimmer, erklärte anschließend UN-Sondervermittler Kofi Annan. Die Gewalt nehme zu, das Land sei zerrissener denn je. Sein Friedensplan sei zwar angenommen, aber nicht umgesetzt worden.

Nach dem jüngsten Massaker habe Präsident Baschar al-Assad jede Legitimität verloren, sagte Ban Ki Moon. Laut dem UN-Generalsekretär wurden bei dem Angriff auch die UN-Beobachter beschossen. Den Beobachtern sei der Zugang zum Tatort verweigert worden. Dennoch hätten sie es versucht, dabei sei es zu dem Feuer aus Handfeuerwaffen gekommen. Ban sagte nichts über Verletzte.

Schwierige Informationslage

"Sie haben fast jede Person im Dorf exekutiert", erklärte ein Aktivist gegenüber der BBC, "nur wenige konnten fliehen. Die meisten wurden auf grausame Weise mit Messern abgeschlachtet." Einige der Opfer seien dann verbrannt worden. Unter den Toten sollen auch Kinder sein. Die Opposition veröffentlichte in der Nacht erste Videobilder. Sie zeigen mit Decken bedeckte Körper.

Eine unabhängige Bestätigung der Berichte gibt es bisher nicht. Ihre Überprüfung ist schwierig. Noch immer sind kaum ausländische Journalisten im Land. Die syrische Regierung verhindert die Berichterstattung.

Die einzige wirklich verlässliche Quelle sind die rund 300 UN-Beobachter vor Ort. Allerdings ist die Mission viel zu klein, um alle Schauplätze des Bürgerkriegs zu überwachen.

UN-Beobacher inspizieren einen Panzer der syrischen Armee (Foto: Reuters)
Schwierige Mission: UN- Beobachter in SyrienBild: Reuters

Dementis vom Regime

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana dementierte die Berichte der Opposition. Es habe kein Massaker gegeben. "Bewaffnete Terrorgruppen", eine Umschreibung für die Kämpfer der Opposition, hätten die Siedlung überfallen und neun Frauen und Kinder brutal ermordet. Die Opfer seien an Händen und Füßen gefesselt gewesen.

Die Bewohner der Ortschaft hätten daraufhin die Armee um Schutz gebeten. Bei dem anschließenden Gefecht seien mehrere Angreifer getötet worden. Die Berichte über das Massaker seien ein Versuch, die Weltöffentlichkeit im Sinne der Opposition zu beeinflussen.

Vor rund zwei Wochen, am 25. Mai, lösten Berichte über die Tötung von mehr als 100 Menschen in Hula internationale Empörung aus. UN-Blauhelme machten dafür die Armee verantwortlich. Die Soldaten hätten den Ort mit Panzern und Artillerie beschossen. Die UN-Beobachter forderten allerdings weitere Untersuchungen. Denn viele der Opfer von Hula wurden aus nächster Nähe mit Schuss- und Stichwaffen getötet.

Internationale Empörung

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle reagierte mit großer Besorgnis auf die Meldungen über das neue Massaker: Die Nachrichten, sollten sie zutreffen, seien schockierend und zeigten, "wie dringlich das Handeln der internationalen Gemeinschaft ist". Gleichzeitig kündigte der Minister eine Erhöhung der humanitären Hilfe für Syrien um 2,1 Millionen auf dann 7,9 Millionen Euro an. Westerwelle mahnte, das Sterben gehe weiter, "nicht nur dann, wenn wir davon erfahren".

Deutschlands Außenminister Westerwelle beim Treffen der Freunde Syriens in Istanbul (Foto: dpa)
Deutschlands Außenminister Westerwelle beim Treffen der Freunde Syriens in IstanbulBild: picture-alliance/dpa

Der britische Premierminister David Cameron forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, die Regierung von Präsident Baschar al-Assad für ihre Taten zu verurteilen. Sollten sich die Berichte bestätigen, sei dies ein "weiterer brutaler und abscheulicher Angriff", so Cameron. "Wir müssen mehr tun, um Syrien zu isolieren", fügte der britische Premierminister hinzu.

Auch US-Außenministerin Hillary Clinton forderte eine Verstärkung der diplomatischen Bemühungen. "Die Gewalt geht weiter, und wenn überhaupt, wird sie schlimmer. Wir waren bisher nicht erfolgreich", sagte sie. Clinton forderte Russland auf, einen Plan für eine geordnete Übergabe der Macht in dem arabischen Land zu unterstützen. Syrien könne kein friedliches, stabiles und demokratisches Land werden, solange Präsident Assad an der Macht sei.

Blockade im Sicherheitsrat

Russland und China lehnen allerdings ein schärferes Vorgehen gegen das Assad-Regime oder einen Militäreinsatz ab. Da beide Staaten Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat sind, geht ohne ihre Zustimmung nichts.

Die Alternative wäre ein Militäreinsatz ohne UN-Mandat. Doch das ist noch immer unwahrscheinlich. Selbst Frankreichs neuer Präsident François Hollande, der sich für eine militärische Intervention ausgesprochen hat, will nur mit Zustimmung der Vereinten Nationen in Syrien eingreifen. Und so wird die Forderung der syrischen Opposition nach einem bewaffneten Einsatz wohl auch weiterhin unerhört bleiben.