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Argentinien ist pleite

24. Dezember 2001

Die neue argentinische Regierung will ihre Auslandsschulden vorerst nicht mehr bezahlen. Die Gläubiger müssen einen Teil der Schulden abschreiben und niedrigere Zinsen für Anleihen hinnehmen.

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Argentinier protestieren gegen den harten Sparkurs der RegierungBild: AP

Dies kündigte der am Sonntag (23.12.2001) gewählte Übergangspräsident Adolfo Rodríguez Saá unmittelbar nach seiner Vereidigung im Kongress an. Mit den Gläubigern wolle man Gespräche über eine Neustrukturierung der Auslandsschulden führen. Diese belaufen sich derzeit auf rund 135 Milliarden US-Dollar. Davon kommen rund 79 Milliarden aus dem Ausland. Eine Abwertung des im Verhältnis eins zu eins an den Dollar gebundenen Peso schloss Rodriguez weiterhin aus. Argentinien wolle stattdessen eine dritte Währung einführen. "Der argentinische Staat wird die Zahlungen auf seine Auslandsschulden einstellen und die dafür vorgesehenen Mittel für Pläne zur Schaffung von einer Million neuen Arbeitsplätzen einsetzen", sagte Rodríguez weiterhin. Vor allem die Anleihegläubiger sollen die Zeche zahlen. Die Rede war von Abschlägen von 30 bis 50 Prozent auf den Nennwert der Anleihen, die sich im Besitz privater Anleger befinden. Auch die Zinshöhe soll neu und damit niedriger festgelegt werden.
Die Abwertung des Peso lehnte Rodríguez Saá weiterhin ab, offenbar aus Furcht vor weiterer Gewalt in der Bevölkerung. "Eine Abwertung würde bedeuten, den Arbeitnehmern erneut in die Tasche zu fassen", sagte er. Durch den teuren Peso sind derzeit argentinische Exporte auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. Womit eine dritte Währung gedeckt sein soll, verriet Saá zunächst nicht.

USA und IWF lehnten direkte Hilfe ab

US-Finanzminister Paul O'Neill hatte bereits im Vorfeld trotz der gewalttätigen Auswüchse der Krise in Argentinien und des Rücktritts von Präsident Fernando de la Rúa eine amerikanische Soforthilfe verweigert. Argentinien stehe nun vor schwierigen Aufgaben, denen es sich selbst stellen müsse, um seine Kreditwürdigkeit wieder zu erlangen, sagte er.
1995 hatte die US-Regierung unter Präsident Bill Clinton Mexiko in einer ähnlichen Lage mit einem Kredit von 20 Milliarden Dollar vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt. Die Washingtoner Regierung hatte Buenos Aires am Donnerstag (20.12.) aufgefordert, weiter mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammenzuarbeiten.

Währungsfonds in der Kritik

IWF-Direktor Tom Dawson betonte, Argentinien sei für die Wirtschafts- und insbesondere die Wechselkurspolitik selbst verantwortlich. Ohne sich genauer festzulegen betonte er, der IWF werde Argentinien weiter unterstützen. Auch jüngste Äußerungen von IWF-Chefvolkswirt Kenneth Rogoff bedeuteten keine Änderung dieser Haltung. Rogoff hatte Anfang der Woche fiskal- und währungspolitischen Maßnahmen der argentinischen Regierung zur Bekämpfung der Krise als untragbar bezeichnet.

Der IWF wies unterdessen Vorwürfe aus amerikanischen Gläubigerkreisen zurück, durch zu weit gehende Reformforderungen und eine zu großzügige Kreditvergabe die Krise mit verursacht zu haben. Erst im Dezember hatte der IWF schließlich die fällige Auszahlung einer weiteren Kreditzahlung in Milliardenhöhe gestoppt, weil die vereinbarte Schuldengrenze weit überzogen wurde.

Angesichts des wirtschaftlichen und politischen Ausnahmezustandes in Argentinien hat die internationale Rating-Agentur Moody's ihre Beurteilung für argentinische Anleihen in Fremdwährungen herunter gestuft. Argentinien böte derzeit nur eine extrem schwache finanzielle Sicherheit für Gläubiger, teilte die Agentur mit. Das Urteil von Moodys hinsichtlich der Kreditwürdigkeit von Staaten und Unternehmen ist weltweit als Maßstab anerkannt. Urteil Gleiches gilt für Bankeinlagen in Fremdwährung.

Uneinigkeit über den rechten Weg

Die feste Kopplung des Peso an den Dollar ist unter Experten und im Land selbst umstritten. Dieser von Cavallo 1991 eingeleitete Schritt hatte zunächst Geldwertstabilität und Wirtschaftswachstum gebracht. In den vergangenen Jahren wurden jedoch die Exporte Argentiniens durch den immer stärker werdenden Dollar zu teuer. Die argentinische Regierung schlägt dem Parlament nun für das kommende einen gegenüber 2001 um fast ein Fünftel verringerten Haushalt vor.

Eine straffe Haushaltspolitik gilt als Voraussetzung für weitere Hilfen des IWF und anderer Finanzorganisationen, mit denen Argentinien die Schuldenkrise überwinden will. Sollten die jetzt gesperrten 1,3 Milliarden Dollar ausbleiben, kann das Land bereits in diesem Jahr seine öffentlichen Schulden nicht mehr begleichen.

Gläubiger zahlen die Zeche

Mit immer neuen Einzelmaßnahmen versuchte die argentinische Regierung, dem Defizit in Teilbereichen mit einschneidenden Sparmaßnahmen zu begegnen. Dazu gehören unter anderem das Aufheben von Steuerersparnissen für Unternehmen und eine 13-prozentige Kürzung der Bezüge von Beamten. Hauptposten der Sparmaßnahmen ist jedoch die nun angekündigte Umschuldung bei den internationalen Gläubigern der Staatsanleihen. Diese boten in der Vergangenheit äußerst hohe Zinsen. Um die Zinszahlungen zu reduzieren, hatte bereits die zurückgetretene Regierung unter de la Rúa einen umfangreichen Schuldentausch eingeleitet. Ab Januar 2002 sollen neue und geringer verzinste, aber mit besseren Rückzahlungsgarantien versehene Staatsanleihen gegen alte Hochzinsanleihen getauscht werden. Ein entsprechendes Angebot an die Gläubiger wird derzeit erarbeitet. (dk)