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Politik

Corona-Tests als Allheilmittel?

10. April 2021

Die Osterferien enden. Familien kommen aus dem Urlaub, Kinder müssen wieder in die Schule. Damit steigt das Infektionsrisiko. Intensives Testen soll das verhindern, schafft aber auch Frust. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Symbolbild Corona Maßnahmen Corona Chaos
Bild: Frank Hoermann / SVEN SIMON/picture alliance

In ein paar Tagen werden Tülay und Mehmet Önal [Name geändert] aus der Türkei nach Deutschland fliegen. Ihr Sohn lebt dort, hat sein erstes Kind bekommen und will heiraten. Deswegen haben die frisch gebackenen Großeltern in der Pandemie ausnahmsweise ein Visum bekommen. Da die Türkei Corona-Risikogebiet ist, müssen die Önals zusätzliche Auflagen erfüllen. Die "digitale Einreiseanmeldung" des Bundesgesundheitsministeriums ist Pflicht. Zu den 15 Sprachen, die das System anbietet, gehört glücklicherweise auch Türkisch.

Türkei Flughafen in Istanbul
Am Tag vor ihrem Abflug wollen sich die Önals am Flughafen testen lassenBild: DW/A. Agac

Außerdem müssen die Önals - obwohl sie vor kurzem geimpft wurden - beim Check-in am Flughafen das negative Ergebnis eines PCR-Tests vorlegen, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Das Ehepaar ist ein wenig aufgeregt. "Wir machen uns schon ein bisschen Sorgen, dass wir am Ende nicht reingelassen werden", sagt Tülay Önal im Gespräch mit der DW.

Der negative Test reicht für die Einreise

Sorgen, die wohl unbegründet sind. Die Önals fliegen nach Köln/Bonn, landen also in Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind die Auflagen dort weniger streng. Einreisende aus Risiko- und Hochrisikogebieten müssen nicht in Quarantäne. In die muss nur, wer aus einem sogenannten Virus-Mutationsgebiet kommt. Für alle anderen reicht das mitgebrachte negative Testergebnis.

Auf einer Anzeigentafel am Flughafen werden Flüge aus Palma de Mallorca, Istanbul und anderen Destinationen angezeigt
Rund 40.000 deutsche Urlauber sind nach Mallorca geflogen und kommen jetzt zurückBild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Nach Bundesrecht müssen das seit Ende März ohnehin alle im Gepäck haben, die aus dem Ausland einfliegen. Eine Verpflichtung, mit der die Bundesregierung auf die zahlreichen Reisen nach Mallorca, aber auch in andere Urlaubsregionen reagiert hat. Die Baleareninsel gilt seit dem 14. März nicht mehr als Risikogebiet. Daraufhin boomten die Flugbuchungen. Vom 26. März bis 5. April zählte der spanische Flughafenbetreiber Aena mehr als 530 Flugverbindungen von und nach Deutschland. Trotz aller Appelle deutscher Politiker, die Ferien doch bitte zuhause zu verbringen.

Zurück in der Schule und am Arbeitsplatz

Nach und nach enden die Osterferien nun in ganz Deutschland. Eltern müssen wieder zur Arbeit, in einigen der 16 Bundesländer hat die Schule schon wieder begonnen. Die meisten folgen am 12. April, in einigen wenigen enden die Schulferien erst am 19. April. Einheitliche Vorgaben, ob die Schüler in den Schulen oder zuhause unterrichtet werden, gibt es nicht. Jedes Bundesland entscheidet selbst, abhängig von den Infektionszahlen.

Die zuständigen Kultusminister sind sich aber einig, dass es möglichst viel Präsenzunterricht geben soll. "Unverantwortlich" nennt das der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Bildung und Erziehung, Udo Beckmann. "Wir wissen: Seitdem die Schulen geöffnet sind, steigen im Alterssegment der Schülerinnen und Schüler, gerade bei Jüngeren, die Neuinfektionen rapide." 

Kann intensives Testen die Lösung sein?

Die Kultusminister wollen diese Entwicklung mit umfassenden Corona-Tests ausbremsen. "Die Testmöglichkeiten sollen so ausgebaut werden, dass allen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften und sonstigen an Schulen Beschäftigten zweimal wöchentlich die Möglichkeit für einen Selbsttest angeboten werden kann", erklärte die amtierende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).

In einer Sporthalle haben sich Schüler versammelt, um von geschultem Personal des Arbeiter-Samariter-Bundes auf eine Corona-Infektion getestet zu werden
An den wenigsten Schulen werden die Tests von Fachpersonal durchgeführt, wie hier in DresdenBild: Jens Schlueter/Getty Images

Eine Regelung, die in Berlin schon vor den Ferien auf den Weg gebracht wurde. Der Senat, wie die Landesregierung hier heißt, lieferte Tests an die Schulen aus, die dann an die Schüler weitergegeben wurden. Das lief nicht ohne Pannen ab. Statt der versprochenen zehn Tests pro Schüler gab es vielerorts nur sechs und bei denen wurden teilweise unbrauchbare Teststäbchen mitgeliefert, die dann wieder eingesammelt werden mussten.

Der Teufel steckt im Detail

Doch nicht nur solche Pannen lassen die Zweifel wachsen, dass die Test-Strategie erfolgreich sein kann. Fraglich ist, ob gerade junge Schüler überhaupt in der Lage sind, die Tests vorschriftsmäßig anzuwenden. Das müsse sich jemand ausgedacht haben, der noch nie in einer Schule gearbeitet hat, heißt es von Seiten der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. 

Doch wie kann eine Alternative aussehen? In manchen Schulen werden die Schüler morgens vor dem Unterricht von Fachpersonal getestet. Doch das kostet viel Zeit und ist auch viel teurer als die Ausgabe von Selbsttests. Nordrhein-Westfalen hat wohl auch wegen Schwierigkeiten mit den Tests nun erst einmal wieder Distanzunterricht für Schüler angeordnet - außer für Abschlussklassen.

Wie geht es weiter in den Unternehmen?

Lange spielten Infektionen in der Schule, aber auch am Arbeitsplatz eine untergeordnete Rolle. Das Robert-Koch-Institut stellte Mitte März in einem Bericht zur Infektionslage allerdings fest, dass es "zahlreiche Ausbrüche" nicht nur in Privathaushalten, Kitas und zunehmend auch in Schulen gebe, sondern auch im "beruflichen Umfeld". Erforderlich seien jetzt "massive Anstrengungen zur Eindämmung von Ausbrüchen und Infektionsketten".

Ein Mann montiert im Volkswagenwerk Zwickau ein Auto
Wer nicht zuhause arbeiten kann, soll regelmäßig auf eine Corona-Infektion getestet werdenBild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Die Bundesregierung drängt die Unternehmen daher darauf, mehr Home-Office zuzulassen und Mitarbeiter, für die das nicht möglich ist, regelmäßig zu testen. Anfang März unterschrieben die Arbeitgeberverbände eine Selbstverpflichtung, in der sie das zusagen. Doch kann sich die Politik darauf verlassen? "Es ist erstaunlich, wie viel erreicht wurde", lobte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dem die Selbstverpflichtung reicht, nach einem Treffen mit Wirtschaftsverbänden am Donnerstag. Es brauche aber eine weitere Steigerung.

Kommt die Testpflicht?

Nach einem gemeinsamen Monitoring kommen das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium zu dem Ergebnis, dass derzeit nur die Hälfte der Unternehmen ihren Mitarbeitern mindestens einen Test pro Woche anbieten. Weitere Unternehmen hätten das vor, so dass insgesamt 69 Prozent der Betriebe die Selbstverpflichtung jetzt oder in Kürze erfüllen würden.

Der Bundeskanzlerin reicht das nicht. "Wenn nicht der überwiegende Teil der deutschen Wirtschaft - und das muss in die Richtung von 90 Prozent gehen - seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Tests anbietet, dann werden wir mit regulatorischen Maßnahmen in der Arbeitsschutzverordnung vorgehen", kündigte Angela Merkel Mitte März im Bundestag an. Eine Entscheidung zur Testpflicht in Unternehmen wird voraussichtlich in der kommenden Woche fallen.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Bundesländer hoffen, dass sie mit einer deutlichen Intensivierung der Corona-Tests einen erneuten harten Lockdown wie im Frühjahr 2020 verhindern können. Ob das funktioniert, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Das türkische Ehepaar Önal wird dann nicht mehr in Deutschland sein. Zwei Wochen wird ihr Besuch dauern, dann fliegen sie wieder zurück nach Istanbul. Die Auflagen für die Rückreise sind genauso wie die Auflagen für ihre Einreise nach Deutschland. Sie müssen für das türkische Gesundheitsministerium ein Formular ausfüllen und sie müssen nach der Landung das negative Ergebnis eines Corona-Tests vorlegen. Das reicht auch in der Türkei aus, um nicht in Quarantäne geschickt zu werden.

Sabine Kinkartz
Sabine Kinkartz Reporterin und Autorin@SGCKi
DW Mitarbeiter l Burak Ünveren, DW-Journalist
Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.