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Arabische Blogosphäre

4. Dezember 2009

Was können Blogs tatsächlich bewirken? Mohammed Sahli, Blogger und Organisator der arabischen Blog Awards über Entwicklung und Zukunft der arabischen Blogosphäre sowie die gesellschaftliche Rolle von Blogs.

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Der Blogger Mohammed Sahli
Der Blogger Mohammed SahliBild: Mohammed Sahli

Die Geschichte der arabischen Blogosphäre beginnt denkbar unspektakulär: Die ersten Blogs behandelten vorrangig die eigenen persönlichen Interessen und Befindlichkeiten. Erst in der weiteren Entwicklung wandelten sie sich zu Medien der freien Meinungsäußerung und zu Symbolen eines gesellschaftlichen Wandels. Einige Unternehmen griffen sie als Marketinginstrument auf, und trugen so zu ihrer weiteren Verbreitung bei. Schließlich schafften es einige Blogger sogar mit ihrem Blog Geld zu verdienen. Doch wenn wir von der arabischen Blogosphäre sprechen, müssen wir auch feststellen, dass sie die Erwartungen und Hoffnungen der Bürger auf eine gesellschaftspolitische Veränderung in der arabischen Welt nicht erfüllt hat.

Blogs in arabischer Sprache entstanden nach und nach ab dem Jahr 2005. Ihre Zahl war zunächst sehr klein, und die Übersetzung des Wortes Blog war den meisten Menschen weder geläufig noch bekannt. Doch obwohl die Zahl der Blogger so beschränkt war, war die Qualität dieser Blogs sehr beachtlich.

Von Foren zu Blogs

In den folgenden Jahren begann die arabische Blogosphäre zu wachsen. Einige Blogger versuchten immer stärker die Rolle der Presse zu übernehmen, indem sie - wenn auch nur in einem beschränkten Maße - mehr Raum für freie Meinungsäußerung anboten. In der Folge gab es außerdem viele Portale, die eine freie und kostenlose Dienstleistung zur Einrichtung von Blogs anboten. Die Blogs, die im Rahmen dieser sogenannten "Online-Revolution" entstanden, unterschieden sich inhaltlich allerdings nicht nennenswert von den Online-Foren der arabischen Internetnutzer. Viele Nutzer kopierten einfach ihre Foreninhalte und stellten sie als Blog-Einträge ins Netz.

Im Jahr 2007 stieg die Zahl der arabischen Blogs weiter an, und wie ein Virus brachten sie das Chaos der arabischen Foren und deren Nachteile mit in die Blogosphäre. Dies führte dazu, dass die Blogs eine ebenso schlechte inhaltliche Qualität hatten wie die Foren vorher. Der Inhalt entsprach in keiner Weise der Erwartung der meisten Menschen, die eine Hoffnung auf gesellschaftlichen Wandel mit den Blogs verbunden hatten.

Blogplattformen in arabischer Sprache

In den ersten Jahren ihrer Verbreitung in der arabischen Welt wurden Blogs am häufigsten über den Google-Dienst Blogger.com erstellt. Aber weil diese Plattform auf Englisch war, konnten die meisten arabischen Blogger sie nicht nutzen, da sie der englischen Sprache nicht mächtig waren. Nach und nach gab es dann auch arabische Plattformen, auf denen man Blogs veröffentlichen konnte, so dass die Zahl der arabischen Blogs weiter anstieg. Der Inhalt dieser Blogs entsprach in der Qualität aber auch nicht den Erwartungen der Menschen.

Doch es gibt Ausnahmen. Viele Blogger haben sich auf die eine oder andere Weise von der Masse abgehoben und durchgesetzt. Sie haben ihre persönlichen Blogs eingerichtet, um ihr Wissen und ihre Kompetenz an andere weiter zu geben, und sind dadurch oft in Schwierigkeiten gekommen - bis hin zur Verfolgung durch staatliche Sicherheitskräfte.

Politische Bedeutung von Blogs

Im Jahr 2008 gab es in Ägypten eine Kampagne, die versuchte, die Menschen über soziale Medien zu mobilisieren. Eine Gruppe von ägyptischen Facebook-Mitgliedern rief am 6. April 2008 zu einem Generalstreik wegen der allgemeinen Preiserhöhung von Lebensmitteln auf. Viele Blogger haben diese Kampagne aufgegriffen und dazu beigetragen, die Leute zu motivieren auf die Straße zu gehen. Und tatsächlich war das Ergebnis erstaunlich: Der Streik war sehr erfolgreich! Dennoch bleibt hier die Frage zu beantworten, ob der Einsatz der Blogger für den Erfolg des Streiks ausschlaggebend war. Dies ist schwer einzuschätzen, obgleich die ägyptischen Blogger stolz darauf sind, gewissermaßen am "Thron von Ägypten“ gerüttelt zu haben.

In der Nacht vor dem Generalstreik hatte die ägyptische Regierung über die Medien eine Verlautbarung verbreiten lassen, in der sie den geplanten Streik vehement kritisierte. Damit hat die Regierung jedoch indirekt zum Erfolg des Streiks beitragen. Sie wollte die Bürger abschrecken und einschüchtern, und hat dabei das Gegenteil erreicht. Im folgenden Jahr ignorierte die Regierung die neuen Aufrufe der Blogger und Onlinenutzer einfach - daraufhin hatte der Streik keinen Erfolg.

Es gibt jedoch aber auch andere Beispiele die positiver verliefen. In Kuwait haben Blogger im Jahr 2006 durch die "Nabiha Khamsa"-Kampagne versucht, Veränderungen im Wahlsystem zu erreichen, namentlich die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren. Diese Kampagne hatte Erfolg, und ist in diesem Fall auf den Einsatz der Blogger zurück zu führen. Wohlgemerkt, die Zahl der kuwaitischen Blogger ist viel kleiner als die in Ägypten.

Was können Blogger wirklich verändern?

Ich will hier den Einfluss von Blogs nicht kleinreden; sie haben bei vielen Ereignissen eine Rolle gespielt und auch ihre Spuren hinterlassen. Doch die Medien haben ihre Einflussmöglichkeiten übertrieben dargestellt, so dass viele Blogger davon überzeugt waren, dass sie die arabischen Gesellschaften verändern und eine Demokratisierung herbeiführen könnten.

Bei der Beurteilung der Relevanz der arabischen Blogosphäre möchte ich folgende Fragen aufwerfen: Haben Blogger zur Rettung der Kinder im Gaza während des Krieges beigetragen? Haben sie zu einer Hilfe für die Bedürftigen beigetragen, so wie es die US-Blogger nach dem Hurrikan Katrina gemacht haben? Haben arabische Blogger die Korruption in den arabischen Ländern beendet oder zu Regierungswechseln geführt? Haben Blogs in der arabischen Welt zu tatsächlichen Veränderungen geführt? Die Antwort auf diese Fragen lautet: NEIN. Daher können wir nicht von einer Breitenwirksamkeit von Blogs in der arabischen Welt sprechen.

Die Zukunft der arabischen Blogosphäre

Bloggen in der arabischen Welt ist im Augenblick zumeist eine Tätigkeit von einzelnen Personen - aber die Besonderheiten der arabischen Gesellschaft verlangen eine Umwandlung dieser Aktivität von Einzelnen zu einer kollektiven Aktivität mit dem Ziel gemeinsamer und weitreichender politischer Veränderungen. Man kann die Kampagne in Kuwait als Vorbild nehmen und dieses Prinzip in anderen arabischen Ländern verbreiten. Dann können arabische Blogger in Zukunft zum Umbau der Gesellschaft beitragen - das ist natürlich keine leichte Aufgabe und braucht Zeit und Geduld.

Es sind viele Bedingungen zu erfüllen, damit Blogs in der arabischen Welt wirklich etwas bewegen können: Die Demokratisierung der Institutionen, die Erleichterung des Zugangs zu unabhängigen Nachrichtenquellen, die Reform der Justiz, die Meinungs- und Pressefreiheit, sowie der Ausbau und die Erleichterung des Internetzugangs. Ohne diese Voraussetzungen bleiben Blogs eine Plattform für kleine Diskussionen und erreichen keine gesellschaftliche Veränderung.

Der Autor Mohammed Sahli ist Buchautor und Blogger. Im Jahr 2009 startete er einen Wettbewerb für arabische Blogs (arabisk-award.com). Außerdem betreibt er die Internet-Agentur Kalima Press, die unter anderem Blog-Services zur Verfügung stellt. Sahli lebt und arbeitet in Marokko.

Autor: Mohammed Sahli / Zahi Alawi
Redaktion: Petra Füchsel