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'Das Schlimmste ist überstanden'

29. Januar 2010

Frank Appel ist Chef des weltgrößten Logistikkonzerns, Deutsche Post DHL. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE spricht Appel über Manager-Gehälter, die Wirtschafts- und Finanzkrise und seine Erwartungen für 2010.

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Frank Appel, Chef von Deutsche Post DHLBild: GMF

DW-WORLD.DE: Welche Lehren haben Sie aus der Wirtschafts- und Finanzkrise gezogen?

Frank Appel: Die Wirtschaft hat den Sinn, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, d.h. die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Und das ist in einigen Teilen der Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft, außer Kraft gesetzt worden. Da haben teilweise Menschen in einem System gearbeitet, die weder ihre Kunden gekannt noch Verantwortung für Mitarbeiter übernommen haben. Die Frage ist, wie kriegt man die Produkte der Finanzindustrie wieder näher an die Kundenbedürfnisse, so dass man nicht wie eine Maschine mit virtuellen Dingen handelt, die nichts mehr damit zu tun haben, was in der realen Wirtschaft passiert. Wenn das getan wird, dann sind wir wieder auf dem richtigen Weg. Wie das genau geschehen soll, ist schwierig zu beantworten.

Ihr Zukunftsmodell ist also eher das deutsche Modell der sozialen Marktwirtschaft, im Gegensatz zum puren Kapitalismus angelsächsischer Prägung?

Absolut. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ein Unternehmen nur dann langfristig Erfolg hat, wenn es hohe Kunden- und hohe Mitarbeiterzufriedenheit hat. Mitarbeiterzufriedenheit bemisst sich nicht nur daran, was die Menschen verdienen, sondern noch an vielen anderen Parametern.

Aber in der Wirtschafts- und Finanzkrise mussten Sie auch Mitarbeiter entlassen.

Wenn es einzelne Menschen betrifft, ist das immer hart. Aber dann muss man ihnen ehrlich sagen, warum man die Dinge tut, und man muss sie so sozialverträglich wie möglich gestalten. Wir befragen unsere Mitarbeiter regelmäßig, und ich bin sehr stolz darauf, dass die Mitarbeiterzufriedenheit im vergangenen Jahr gestiegen ist, obwohl wir signifikante Einschnitte vorgenommen haben. Man muss dabei Folgendes sehen: Wir haben 500.000 Mitarbeiter. Wie kann ich denen morgen noch einen sicheren Arbeitsplatz garantieren? Da ist es mitunter notwendig, auch Einschnitte vorzunehmen.

Wie beurteilen Sie das Fehlverhalten vieler Manager? Hohe Extravergütungen und Bonus-Zahlungen sind da nur ein Aspekt.

Geht es einem Unternehmen gut, dann akzeptieren die Menschen, dass gut verdient wird - unter der Voraussetzung, dass sie am Fortschritt beteiligt werden. Wir haben für das Jahr 2008 als Vorstand keinen Bonus bekommen, weil das Unternehmen einen Verlust gemacht hat. Ich gehe davon aus, dass der Aufsichtsrat beschließen wird, dass wir in diesem Jahr einen Bonus bekommen werden, weil wir das Unternehmen von einem Verlust wieder signifikant in die schwarzen Zahlen geführt haben. Das ist bei einem variablen Einkommen ein normaler Vorgang.

Aber könnten Sie sich auch vorstellen, weniger Einkommen zu bekommen? Also in schlechten Zeiten einen Malus hinzunehmen?

Das wird derzeit in vielen Unternehmen und Aufsichtsräten diskutiert und geprüft. In dieser Diskussion wird verglichen, was marktüblich ist. Sicherlich haben wir alle hohe Einkommen. Aber es ist, glaube ich, noch ein großer Unterschied zu dem, was teilweise in der Finanzindustrie oder bei Fonds bezahlt worden ist. Am Ende geht es darum, dass man Mehrwert schafft. Wenn das einem Vorstand gelingt, dann ist es auch angemessen, dass er vernünftig bezahlt wird.

Sie haben stark die Banker kritisiert. Unterscheiden Sie zwischen Bankern und Unternehmern?

Ich habe keine generelle Bankenschelte betrieben. Aber in den Finanzmärkten sind nicht mehr die Kundenbedürfnisse bedient worden. Wenn sie die zwanzigste Stufe sind, die ein Öl-Future hedgt oder wechselt, dann hat das nichts mehr mit Öl zu tun. Das ist nur noch eine virtuelle Welt, in der Geld getauscht wird, und aus der Arbitrage wird Profit gemacht. Wo wird da Mehrwert geschaffen?

Wie will die Deutsche Post DHL der Krise trotzen?

Ich glaube, dass das schlimmste überstanden ist. Wir sehen allgemein einen Anstieg der Geschäfte - natürlich auf niedrigerem Niveau. Für unser Unternehmen bin ich sehr zuversichtlich. Wir haben Einschnitte vorgenommen und haben unsere Marktsituation weiter verbessert. Ich bin optimistisch, dass dieses Jahr deutlich weniger wird als das letzte.

Dr. Frank Appel (49) ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post DHL, eines der größten Post- und Logistikkonzerne der Welt. Das Unternehmen hat 2008 mit rund 500.000 Mitarbeiter einen Umsatz von mehr als 54 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das komplette Interview sehen und hören Sie ab Samstag auf DW-TV und DW-RADIO.

Das Interview führte Manuela Kasper-Claridge, bearbeitet von Marco Vollmar

Redaktion: Andreas Becker