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Anti-syrische Mordserie

20. September 2007

Sechs Tage vor der Präsidentschaftswahl ist der Libanon von einem erneuten politischen Anschlag erschüttert worden. Antoine Ghanem ist der fünfte anti-syrische Politiker, der seit 2005 ermordet wurde.

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Zerbombtes Auto nach dem Anschlag, Foto: AP
Tödlicher Anschlag auf den anti-syrischen Politiker Antoine GhanemBild: AP

Antoine Ghanem von der christlichen Falange-Partei starb nach Angaben aus Sicherheitskreisen am Mittwoch (19.9.) zusammen mit fünf weiteren Menschen durch einen Sprengstoffanschlag in Beiruts östlichem Vorort Sinn al-Fil. Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden mindesten 30 weitere Menschen bei dem Attentat verletzt. Die Explosion in einem Wohnviertel führte den Libanesen, die im vergangenen Jahr den Krieg zwischen der schiitischen Hisbollah-Miliz und Israel durchlebt hatten, erneut vor Augen, dass ihr Land auch 17 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges weit davon entfernt ist, ein stabiler Staat zu sein.

Demonstration in Beirut für den ermordeten Minister Pierre Gemayel (Archiv 2006, Foto: DW)
Trauerumzüge für den ermordeten Gemayel wurden zu politischen KundgebungenBild: DW

Politische Verbündete des getöteten Politikers interpretieren das Attentat als Versuch ihrer Gegner, die Wahl mit Bomben zu entscheiden. "Das ist ganz eindeutig ein Attentat, mit dem man versucht, die Zahl der anti-syrischen Abgeordneten im Parlament zu reduzieren und dadurch die Präsidentenwahl zu blockieren", sagte Antoine Sahra, ein Abgeordneter der Mehrheitsfraktion.

Ghanem ist nur einer in einer inzwischen langen Kette von anti-syrischen Politikern, die in den vergangenen drei Jahren umgebracht wurden. Der prominenteste von ihnen war der frühere Regierungschef Rafik Hariri, der im Februar 2005 in Beirut einem Attentat zum Opfer gefallen war. Am 13. Juni 2007 waren ebenfalls zehn Menschen getötet worden, unter ihnen der anti-syrische Abgeordnete Walid Eido. Der Sohn des früheren Präsidenten Amin Gemayel, Industrieminister Pierre Gemayel, war am 21. November vergangenen Jahres ermordet worden.

Wahlen am Dienstag

Im Libanon liefern sich die pro-westliche Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora und die pro-syrische Opposition seit Monaten einen erbitterten Machtkampf. Im November vergangenen Jahres verließen sechs pro-syrische Minister, darunter fünf Schiiten, das Kabinett Sinioras. Seither bestreitet die Opposition die Legitimität der Regierung.

Am Dienstag (25.9.) soll das Parlament in Beirut zusammentreten, um einen neuen Staatschef zu wählen. Die 128 Abgeordneten müssen über den Nachfolger des pro-syrischen Staatschefs Emile Lahoud entscheiden, dessen Mandat am 24. November abläuft.

Unklar war allerdings schon vor diesem jüngsten Attentat, ob es tatsächlich eine Wahl geben wird, die von allen politischen Gruppen anerkannt wird. Denn nach der libanesischen Verfassung müssen bei der ersten Runde der Wahl mindestens zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sein. Die anti-syrische Fraktion verfügt aber nur über eine knappe einfache Mehrheit.

Wird die Wahl anerkannt?

Demnonstranten mit einem Bild des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri (Archiv, Foto: AP)
Rafik Hariri war 2005 ermordet wordenBild: AP

Bisher kandidieren für den Posten, der nach dem libanesischen Proporzsystem nur von einem maronitischen Christen besetzt werden darf, drei Kandidaten aus dem Siniora-Lager: Die Präsidentenwitwe Naila Moawad, der Abgeordnete Butros Harb sowie der ehemalige Abgeordnete Nassib Lahoud. Lahouds Kandidatur ist ein typisches Beispiel für die von Politiker-Dynastien dominierte libanesische Politik. Denn der 62-jährige Politiker ist ein Cousin des amtierenden Präsidenten Lahoud, der 2004 mit Hilfe Syriens im Amt bestätigt worden war.

Aus dem pro-syrischen Lager hat sich bislang nur ein Kandidat gemeldet: General Michel Aoun, dessen vorwiegend christliche Anhängerschaft sich im vergangenen Jahr mit der Hisbollah und der schiitischen Amal von Parlamentspräsident Berri gegen die Siniora-Fraktion zusammengetan hatte. Dass ausgerechnet Aoun für das pro-syrische Lager antritt, entbehrt nicht der Ironie. Schließlich war er erst nach dem Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon im Frühjahr 2005 aus dem Pariser Exil nach Beirut zurückgekehrt. (ina)