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Ujah: "Mainz kann dich verändern"

Jonathan Harding
5. Oktober 2018

Anthony Ujah ist wieder da. Zurück beim FSV Mainz 05. Dass er mit inzwischen mehr als 100 Treffern als Profi das Zeug hat, Mainz als Führungsspieler zu prägen, macht er auch im DW-Interview deutlich.

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Fußball: Bundesliga | FSV Mainz 05 - VfB Stuttgart | Torjubel (1:0)
Bild: picture-alliance/dpa/T. Frey

DW: Anthony Ujah, lassen Sie uns mit einer persönlichen Frage beginnen. Sie sind gerade wieder Vater geworden, dieses Mal ist es ein Junge. Wie fühlt sich das an?

Anthony Ujah: Das ist großartig, wirklich großartig. Die letzten Jahre waren - wie soll ich das sagen? Wir sind von einer Stadt in die nächste gezogen, von einem Land in ein anderes. Jetzt ist es ein tolles Gefühl, durchzuatmen und sich ein wenig zu Hause zu fühlen. Und die Vaterrolle macht mich ruhiger, ich fühle mich verantwortungsbewusster, und das hilft mir auch als Fußball-Spieler. Wobei: Es ist manchmal nicht so einfach, wenn wir erst spät ins Bett kommen, aber das wusste ich ja vorher. Das Wichtigste ist, dass du wirklich jeden Moment genießen kannst. Und wenn wir über Verantwortung sprechen, bedeutet das, etwas sorgsamer mit allem umzugehen und auch positive Energie daraus zu ziehen. Und dem Kleinen wirklich alles zu geben, was er braucht, um positiv aufzuwachsen.

"Viele tolle und positive Fans"

Aber es gab auch negative Erlebnisse in diesem Jahr für Sie: Im Januar sind Sie und Ihr Mannschaftskamerad Leon Balogun bei einem Spiel in Hannover unter anderem mit Affenlauten rassistisch beleidigt worden. Wie denken Sie heute darüber?

Als das in Hannover beim Warmmachen passiert ist, habe ich mir eigentlich nur Sorgen um einen kleinen Jungen gemacht, den ich im Publikum entdeckt habe und der offenbar viel Spaß hatte. Ich dachte: Nicht, dass der das jetzt auch noch imitiert! Aber zu Ihrer Frage: In die Bundesliga kommen immer mehr farbige Spieler, das macht die Liga doch interessant, und da können wir solche Vorfälle wie in Hannover überhaupt nicht gebrauchen! Ich bin ja schon eine ganze Weile in Deutschland gewesen und weiß daher, dass wir hier viele tolle und positive Fans haben. Und nach der Sache in Hannover habe ich viele Nachrichten und Unterstützung aller Art bekommen. Nein, wirklich: In Deutschland leben tolle Menschen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Das sind doch immer nur kleine Grüppchen, die etwas Negatives hereinbringen. Aber davon lasse ich mir meinen Blick auf Deutschland, auf die Bundesliga und auf seine Fans nicht verderben.

Fußball: Bundesliga | FSV Mainz 05 - VfB Stuttgart | Tor (1:0)
Ujah trifft im Mainzer Trikot im Spiel gegen den VfB StuttgartBild: picture-alliance/dpa/T. Frey

Jetzt sind Sie zurück in Mainz, wo ja alles begonnen hat. Was ist anders als beim letzten Mal?

Das System hier und die Mentalität der Leute sind mehr oder weniger unverändert. Aber es ist schon ein Unterschied, ob Sie als junger Spieler nach Mainz kommen, der nicht so sehr auf sich achtet, oder heute. Mainz kann dich verändern. Denn hier gibt es eine Reihe von Faktoren, die dich nicht nur zu einem besseren Spieler machen können, sondern auch zu einem besseren Menschen.

Was heißt das denn konkret?

Ein paar Beispiele: Wer zum Training kommt, muss sich eintragen. Man muss sein Smartphone rechtzeitig abgeben. Man hat ja sonst so viel Zeit, mit dem Handy herumzuspielen, aber dann ist es Zeit zum Arbeiten. Ich habe für andere Klubs gespielt, da kannst du mit dem Handy noch zehn Minuten vor dem Training herumdaddeln, und dann bekommst du eine blöde Nachricht, und schon ist der Fokus weg, vielleicht sogar vor einem wichtigen Spiel.

"Das Beste aus uns Spielern herausholen"

Sprechen wir über Sandro Schwarz. Was hat der Trainer unternommen, um Ihr Team und dessen mentale Stärke zu verbessern?

Als ich vergangene Saison mal hier war, konnte man feststellen, dass es nach einem Gegentor für Mainz schwierig war, zurück ins Spiel zu kommen. Heute sind wir sofort da, und selbst wenn wir uns ein Tor einfangen, macht uns das nicht schwächer, sondern noch stärker. Das konnte man zum Beispiel gegen Augsburg sehen. Da haben wir den Ausgleich erzielt und waren längst nicht satt. Wir wollten mehr! Es ist dieser Hunger und das Herz, mit dem wir spielen. Der Trainer schafft es, das Beste aus uns Spielern herauszuholen. Zum Beispiel die Fähigkeit, auch einmal den Gegner niederzuringen und nicht nur den langen Ball zu spielen und dann vielleicht um den nächsten Ball zu kämpfen. Nein, jetzt haben wir den Mumm, das durchzuspielen - vom Torwart bis ganz nach vorne in den Sturm. Das ist wirklich ein großer Schritt und eine deutliche Steigerung. Und hoffentlich zahlt sich das am Ende der Saison auch aus.

Anthony Ujah (27) ist Stürmer und nigerianischer Nationalspieler. In der Bundesliga spielte er für Mainz, Köln und Bremen, ehe es ihn für ein kurzes Intermezzo zu Liaoning Hongyun nach China zog. Seit dem 1. Januar 2018 steht er zum zweiten Mal in seiner Karriere beim 1. FSV Mainz 05 unter Vertrag. Dort gelangen ihm gleich in den ersten Spielen zwei wichtige Tore. 

Das Interview führte Jonathan Harding.