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Anonyme Attentäterin

25. September 2008

Der Film "Day Night Day Night" begleitet eine junge Selbstmord-Attentäterin zwei Tage und zwei Nächte lang – bis zum Times Square in New York, wo sie eine Bombe zur Explosion bringen soll.

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Eine junge Selbtsmordattentäterin und die zwei vermummten Organisatoren des Attenta
Die Selbtsmordattentäterin erhält letzte Anweisungen von den OrganisatorenBild: Peripher Filmverleih

Eine 19-jährige Frau (Luisa Williams) kommt nach New York. Sie hat keinen erkennbaren Akzent, ist weder hübsch noch hässlich, und keiner ethnischen Gruppe zuzuordnen - ein völlig normaler und unauffälliger Mensch. Sie hat sich jedoch einer Organisation als Selbstmordattentäterin zur Verfügung gestellt und ist jetzt in New York, um dort ihren Auftrag zu erfüllen: Im Herzen der Stadt, auf dem belebten Times Square, eine Bombe und damit auch sich selbst in die Luft zu sprengen.

Das Warum bleibt unbeantwortet

Luisa Williams im Film "Day Night Day Night"
Die Selbstmordattentäterin (Luisa Williams) alleine mit ihrer Rucksackbombe am Times SquareBild: Peripher Filmverleih

In 94 Minuten begleitet der Film die junge Frau zwei Tage und zwei Nächte lang auf Schritt und Tritt: Von den Organisatoren des Anschlags (Gareth Saxe und Nyambi Nyambi) wird sie vorbereitet, verliest eine Nachricht vor einer Videokamera, die sie aufzeichnet. Sie bekommt einen schweren gelben Rucksack angepasst, der die Bombe enthält. Dann beginnt die Aktion: Alleine begibt sich die 19-Jährige zum Times Square. Die vielen Menschen, die Lichter und der Lärm verstören und überwältigen sie. Schließlich erreicht die junge Frau den Platz, an dem sie die Bombe auslösen soll. Sie weiß, dass es eigentlich kein Zurück mehr gibt.

Lose an einen Bericht über eine tschetschenische Selbstmord-Attentäterin in Moskau angelehnt, reduziert "Day Night Day Night" die Geschichte auf ihren existentiellen Kern. Der Zuschauer bekommt die Bombe nie zu Gesicht. Er sieht nur einen Rucksack und ein Paar Kopfhörer, die den Zündmechanismus kaschieren sollen. Warum die junge Frau ihre Entscheidung getroffen hat, erfährt man nicht. Dass die 19-Jährige absolut an ihre Entscheidung glaubt, allerdings schon. Der Film handelt weniger von Terrorismus und seinen Ursachen, als von der Spannung zwischen Glauben und Versagen. Er gibt keine Antworten, sondern wirft Fragen auf.

Keine säuberlich verpackte Politikstunde

Porträt Julia Loktev
Die Regisseurin Julia Loktev wanderte mit ihrer Familie im Alter von neun Jahren in die USA ausBild: Peripher Filmverleih

Seine Premiere hatte der Film bereits 2006 auf den Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Dort erhielt er den Preis "Regard jeune". "Day Night Day Night" ist der erste Spielfilm der 1969 in St. Petersburg geborenen Regisseurin Julia Loktev. Loktev sagt, sie habe sich bewusst entschieden, das Warum nicht zu erklären. Sie habe vermutet, dass dies eine Kontroverse ausgelöst hätte, was nicht ihre Absicht gewesen sei. Sie habe einen Film über etwas Zerbrechliches, etwas schwer Greifbares machen wollen, den Zusammenstoß einer moralischen Gewissheit mit einer Welt, die einfach nicht kooperieren wolle.

"Das Warum bleibt außerhalb der Leinwand. Und außerhalb der Leinwand ist die Welt. Es gibt sehr reale, komplexe soziologische und politische Hintergründe von Selbstmordanschlägen - der Film will das auf keinen Fall bestreiten", sagt die Regisseurin und fügt hinzu, dass das Warum sofort zu der Frage führe: "Ist ihre Handlung gerechtfertigt?" Das letzte was sie aber gewollt habe, sei es gewesen, die Handlung der Protagonistin zu rechtfertigen, indem sie ihr eine Hintergrundgeschichte gebe, die alles erkläre. Es sei nicht ihre Aufgabe, eine säuberlich verpackte Politikstunde anzubieten. (san)