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Angriff auf die "Mövenpick-Partei"

19. Januar 2010

Die Haushaltsdebatte nutzen einige Parteien zu einer Generalabrechnung vor allem mit der FDP. Nach einer Spende eines Hoteliers wird ihr Klientelpolitik vorgeworfen. Andere Themen gerieten dabei in den Hintergrund.

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Krähen über der Kuppel des Berliner Reichstags(Foto: AP)
Ort der Etatverhandlungen: der deutsche BundestagBild: AP

Generalabrechnung im Deutschen Bundestag: Die Oppositionsparteien warfen zu Beginn der viertägigen Haushaltsdebatten am Dienstag (19.01.2010) der schwarz-gelben Regierungskoalition Klientelpolitik vor. Vor allem die FDP musste nach dem Bekanntwerden einer Großspende aus der Hotelbranche verbale Breitseiten der Opposition einstecken. Mehrmals wurde sie nach der Spende in Zwischenrufen als "Mövenpick-Partei" tituliert.

Die FDP hatte seit 2008 von der Düsseldorfer Substantia AG 1,1 Millionen Euro erhalten, die in drei Teilbeträgen gezahlt wurden. Die Spende wurde ordnungsgemäß beim Bundestag angezeigt. Bei der CSU gingen im September 2008 vor der bayerischen Landtagswahl zwei Großspenden von insgesamt 820.000 Euro ein. Das Geld kam von zwei Münchner Firmen, hinter denen - wie auch hinter der Substantia AG - August Baron von Finck steht. Er gilt mit einem Vermögen von rund 5,2 Milliarden Euro als der fünftreichste Deutsche. Seine Familie wiederum ist Miteigentümer der Mövenpick-Gruppe mit 14 Hotels in Deutschland.

Die Grünen forderten zu Beginn der Haushaltsdebatten eine Höchstgrenze für Parteispenden. "Wir brauchen klare Obergrenzen, damit durch Großspenden nicht falsche Anreize für Parteien geschaffen werden", sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Die schwarz-gelbe Koalition hatte die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zum 1. Januar 2010 von 19 auf sieben Prozent gesenkt.

"Melodie von der gekauften Republik"

Eine rote Ampel vor dem Essener Mövenpick-Hotel (Foto: dpa)
Umstrittene Spende: ein Miteigentümer der Mövenpick-Gruppe zahlte beträchtliche Summen an FDP und CSUBild: picture alliance / dpa

Zu Beginn der Haushaltsdebatte forderten Grüne und SPD die FDP auf, das Geld zurückzuzahlen. Ein Eilantrag der Grünen, über die Rücknahme der Steuervergünstigung abzustimmen, wurde aber von Union und FDP abgelehnt. Der Grünen-Politiker Beck erklärte weiter, in der Öffentlichkeit entstehe der Eindruck, die schwarz-gelbe Regierung sei käuflich. Sein SPD-Kollege Thomas Oppermann sagte, die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel habe das allgemeine Wohl der Menschen aus den Augen verloren. Sein Parteikollege Poß setzte noch einen drauf: "Die Politik der Klientelregierung Merkel wird zur Bedrohung unserer Zukunft." Unter Hinweis auf frühere Spendenskandale sagte er: "Die Geschichte holt die Koalition ein. Die Melodie von der gekauften Republik ertönt wieder."

Die Regierungspolitiker verteidigten ihre Politik: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnete die Debatte über die Spende als "verzerrt". Er werbe dafür, "dass wir dieses Parlament und die demokratischen Institutionen nicht als käuflich darstellen", sagte er im Bundestag. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter, erklärte mit Blick auf Vorwürfe, die FDP-Spende stehe im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer-Entlastung für Hotels: "Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass sich die FDP im Bundestagswahlkampf von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen."

FDP will Spendengelder behalten

Westerwelle mit kritischem Blick vor einem FDP-Logo (Foto: AP)
In der Kritik: die FDP und ihr Vorsitzender Guido Westerwelle (Archivbild)Bild: AP


Die FDP wies Forderungen zurück, die von der Substantia AG erhaltenen 1,1 Millionen Euro zurückzuzahlen. "Wenn Parteien Positionen vertreten, die aktiv und öffentlich aus der Zivilgesellschaft unterstützt werden, ist das positiv", sagte Generalsekretär Christian Lindner. Für ihn ist klar: Die Frage, ob es zwischen dem Substantia-Eigner August Baron von Finck und der FDP ein Gespräch über die Mehrwertsteuer-Senkung für Hotelübernachtungen gegeben habe, stelle sich nicht.

Wegen der umstrittenen Millionenzahlung an die FDP werden unterdessen auch außerhalb des Parlaments Forderungen nach einer Begrenzung von Parteispenden lauter. Eine Obergrenze würde auch dem Selbstschutz der Parteien dienen, erklärte Christian Humborg, der Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, am Dienstag in einem Gespräch mit dem Sender n-tv.

Dagegen erklärten zahlreiche Staats- und Verwaltungsrechtler, dass die Spende ordnungsgemäß deklariert und deshalb rechtmäßig sei. Aus Sicht der Experten sei die politische Bewertung jedoch etwas anderes. Für den Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis ist der Imageschaden für die FDP "immens". Gerade die FDP sei bei Parteispenden "besonders angreifbar, weil sie nun einmal die Interessen bestimmter Gruppen besonders vehement vertritt", sagte der Experte dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Schavan erhöht die Bildungsausgaben

Eine Lehrerin schreibt den Stundenplan für die Schüler an die Tafel (Foto: dpa)
In Deutschland wird mehr Geld in die Bildung investiertBild: dpa

Bei dem Krach um Parteispenden rückte die inhaltliche Auseinandersetzung um den Haushaltsentwurf (fast) in den Hintergrund. Als erstes wurde der Etat für das Ressort Bildung und Forschung beraten. Dabei bekräftigte Ministerin Annette Schavan, dass die Bildungsausgaben langfristig auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen sollen. Bereits jetzt werde die Finanzierung aufgestockt, betonte sie. Insgesamt sollten die Ausgaben in diesem Jahr um sieben Prozent erhöht werden.

Auch hier hegt die Opposition Zweifel: Der SPD-Abgeordnete Hagemann kritisierte das Zahlenwerk. Die notwendigen Einsparungen würden auch den Bereich Bildung betreffen, zeigte sich Hagemann überzeugt.

Ebenfalls im Fokus: der Etat von Ilse Aigner. Die Bundeslandwirtschaftsministerin kündigte bei der Vorstellung ihres Haushaltsentwurfs mehr Ausgaben für den Verbraucherschutz an. Das Vertrauen müsse durch mehr Information gestärkt werden. Der Entwurf für den Gesamthaushalt 2010 sieht Ausgaben von mehr als 325 Milliarden Euro vor. Das wären rund 10,5 Prozent mehr als 2009.

Autor: Marcus Bölz (apn, dpa)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot

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