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Politik

Angela Merkel zeigt sich kämpferisch

Kay-Alexander Scholz
27. November 2019

Zuletzt wurde immer häufiger über eine Amtsmüdigkeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel spekuliert. Das hat sich mit der Generaldebatte im Bundestag erledigt. Merkel äußerte sich klar - ebenso die Opposition.

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Berlin Bundestag Rede Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Fliegt die deutsche Regierungskoalition aus konservativer CDU/CSU und sozialdemokratischer SPD vorzeitig auseinander? Darüber wird in Deutschland viel spekuliert. Ein Unsicherheitsfaktor: Die SPD will im Dezember den Parteivorsitz neu besetzen und über die Fortsetzung der Koalition entscheiden. Ein anderer: Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte bereits vor der nächsten regulären Wahl 2021 abtreten.

Die traditionelle Generaldebatte in der Haushaltswoche des Bundestags nutzte Merkel nun, um ihre Meinung dazu zu sagen - und zwar pointiert ganz am Schluss. Als sie mit dem Rede-Manuskript fertig war, klappte sie die Leder-Redemappe zusammen und sagte: "Ich bin dabei! Wir sollten die Legislaturperiode weiterarbeiten." Vieles sei angefangen worden, vieles müsse nun weitergemacht werden. 

Von der SPD im Bundestag kam im Anschluss ein Lob, dass die Regierung gut arbeite. Auch das war ein Signal, weiter zu regieren. Zumindest wollte Fraktionschef Rolf Mützenich die labile Lage nicht noch anheizen. Er betonte einige sozialpolitische Maßnahmen in der ersten Hälfte der auf vier Jahre angelegten Koalition, die von der SPD durchgesetzt wurden.

Erst einmal viel Außenpolitik

In ihrer Rede wirkte Merkel alles andere als amtsmüde. In kämpferischem Tonfall machte sie zunächst Positionen in zentralen außenpolitischen Fragen deutlich. Zwei Botschaften gingen in Richtung Paris. Der Erhalt der Nato sei in unserem "ureigensten Interesse" - mindestens so wichtig wie in Zeiten des Kalten Krieges, hob Merkel hervor. Das klang ganz anders als das Urteil von Emmanuel Macron, der die Nato jüngst als "hirntot" bezeichnet hatte. Ein anderer deutsch-französischer Streitpunkt ist die Frage, ob die EU neue Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkan-Staaten aufnehmen soll, hier vor allem mit Albanien und Nordmazedonien. Paris blockiert das derzeit, Merkel sprach sich explizit für zumindest gemeinsame Gespräche aus.

Außenpolitisch umstritten ist innerhalb der Regierungskoalition die Frage, wie viele Rüstungsgüter Deutschland exportieren darf. Die SPD-Fraktion hat sich gerade erst in einem Positionspapier für weniger Exporte ausgesprochen. Merkel hielt dagegen. Deutschland könne sich nicht verweigern, wenn es darum geht, Streitkräfte gegen den Terrorismus zum Beispiel in Afrika auszurüsten. Ansonsten würden es China, Russland und Saudi-Arabien machen. Auch bei den Verteidigungsausgaben soll nicht gespart werden. Bis Anfang der 2030er-Jahre werde Deutschland seine Militärausgaben auf zwei Prozent des BIP erhöhen, versprach Merkel.

Von der Linkspartei wurde das scharf kritisiert. Der Verteidigungshaushalt sei in Wahrheit ein "Aufrüstungshaushalt", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die Ausgaben seien zu hoch. Deutschland brauche "Wohnungen statt Waffen".

Streitpunkt Energiewende

"Wer, wenn nicht wir, soll zeigen, dass es geht, dass man dem Klimawandel etwas entgegensetzen kann", antwortete Merkel auf ihren Vorredner Alexander Gauland von der rechtspopulisten "Alternative für Deutschland" (AfD). Dieser hatte fast seine ganze Rede dazu genutzt, der Regierung einen gescheiterten "deutschen Sonderweg in der Energiewende" vorzuwerfen. Sie setze zum Beispiel in der Auto- und Maschinenbauindustrie "alles aufs Spiel" und ruiniere sie dadurch. Viel wichtiger sei es, die Geburtenexplosion in Afrika in den Griff zu bekommen. Die AfD hat das Thema Klimapolitik erst vor kurzem zu einem zentralen Thema erklärt. Als einzige Partei im Bundestag zweifelt sie daran, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist. Diese Haltung hat Gauland nun noch einmal aufgewertet, indem er die klassischen AfD-Themen - Migration und Euro - gar nicht erwähnte.

Berlin Bundestag Rede Bundeskanzlerin Angela Merkel
Die Generaldebatte ist traditionell ein Höhepunkt im Kalender des BundestagsBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Merkel scheint bewusst, dass die kritische Haltung der AfD zur Energiewende durchaus Resonanz findet. Deshalb sprach sie Probleme an. Sie warnte vor einer Stadt-Land-Spaltung auch in der Energiewende. Die Lebenswelten seien sehr unterschiedlich. Den Menschen in ländlichen Gegenden müsse erklärt werden, was sie von der Windkraft haben, "außer eine 220 Meter hohe Windmühle neben sich". Im Streit um einen Mindestabstand, der in den meisten Bundesländern 1000 Meter beträgt, sagte sie eine Lösung voraus, so wie es die Koalition jüngst auch bei der Frage einer Grundrente geschafft habe.

Wie umgehen mit der Wirtschaftsflaute?

Die Liberalen griffen die Regierung wegen wirtschaftlicher Tatenlosigkeit an. Merkel habe in ihrer Rede viel zu wenig über die Wirtschaft geredet. Die deutsche Wirtschaft wächst derzeit nur gering. Die Regierung würde "schlafwandlerisch auf eine drohende Wirtschaftskrise zugehen", sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. "Wer die Wirtschaft links liegen lasse, dürfe sich über Probleme von rechts irgendwann nicht wundern." Damit spielte Lindner auf die hohen Zustimmungswerte der AfD hin. Bundesweit liegt die Partei seit geraumer Zeit bei rund 15 Prozent.

Zum umstrittenen Wirtschaftsthema Huawei machte Merkel einen Vorschlag. Sie plädierte für eine "europäische Zulassungsagentur", um zu klären, ob die chinesische Firma Zugang beim Aufbau des 5G-Netzes bekommen soll. Ganz generell müsse die EU ihre Haltung zu China klären und zu einer gemeinsamen Position finden. Würde jeder seine eigene China-Politik machen und damit unterschiedliche Signale setzen, wäre das "verheerend - nicht für China, aber für uns".

Die Grünen forderten einen härteren Kurs gegenüber China. Das Land entwickle sich immer mehr zu einer "autoritären Diktatur", sagte Anton Hofreiter. "Leisetreterei" verbiete sich.

Zur Frage, ob zusätzliche Investitionen nötig seien, zeigte sich Merkel vorsichtig. Sie verteidigte ihren jahrelangen Kurs, ohne neue Schulden auszukommen. Sie könne nicht verstehen, dass manche im Bundestag darüber "abfällig" redeten. Auch von den Grünen war zuletzt die Forderung gekommen, mehr Schulden aufzunehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. 

Berlin Bundestag Bundeskanzlerin Angela Merkel
Olaf Scholz (SPD) und Angela Merkel (CDU): Sie wollen mit ihrer Koalition weiter machenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Neue Koalitionen?

Auch die Oppositionsparteien äußerten sich zur Frage, ob die Koalition weiter regieren soll. Der Chef der Linken forderte in Fußball-Sprache "Spielabbruch und neue Mannschaften". Gauland von der AfD kündigte an, weiter gegen die Regierung und ihr "falsches Zukunftsbild" ankämpfen zu wollen.

FDP und Grüne machten versteckte Koalitionsangebote, sollte die jetzige Koalition platzen. Lindner betonte das wirtschaftliche Profil der FDP. Die Grünen wollten "auf alle zugehen, die bereit sind für Veränderung", sagte Hofreiter. Rechnerisch zumindest wäre ein Dreierbündnis aus CDU/CSU, Grünen und FDP möglich.