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Angela Merkel: Moderatorin statt Frontfrau

Das Gespräch führte Steffen Leidel 1. März 2006

Die schlimmen Befürchtungen zur Politik einer großen Koalition haben sich nicht bewahrheitet. Stattdessen läuft alles harmonischer als erwartet - noch. Der Parteienforscher Klaus Detterbeck blickt zurück und nach vorne.

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Erhielt mehr Lob als Tadel: Angela MerkelBild: AP

DW-WORLD: Die erste Schonfrist - die ersten 100 Tage - der Großen Koalition sind vergangen: Und man hat das Gefühl, sie hat einen besseren Eindruck hinterlassen als erwartet?

Klaus Detterbeck: Das sehe ich auch so. Die Umfragewerte für Angela Merkel und die CDU sind dabei sehr gut. Es gibt da zwei Ursachen für den relativ guten Start der großen Koalition. Zum einen: Es gibt Erfolge wie die Auftritte von Frau Merkel in den USA, in Russland und beim EU-Gipfel, sowie eine insgesamt doch positive wirtschaftliche Entwicklung. Zum anderen: Es gibt bei der Bevölkerung einen Vertrauensvorschuss, die Menschen sind noch bereit, dieser Koalition Zeit zu geben, sich einzuarbeiten. Die Menschen haben mehrheitlich das Gefühl, jetzt ist wieder eine handwerklich solide Mannschaft am Ruder im Gegensatz zu der letzten Schröder-Regierung.

Stehen bei dieser Regierung also weniger die einzelnen Personen im Vordergrund, sondern eher das "Team" als Ganzes?

Ja, das kann man sagen. Das hängt mit Frau Merkels Rolle als Moderatorin zusammen. Sie ist nicht die große Frontfrau, die alles bestimmt, sondern sie ist eher die Moderatorin in einem Team. Das hebt sie ab von Schröder, der als Showman auf der politischen Bühne getanzt hat.

Trotz der Lorbeeren: Ist das Land wirklich vorangekommen bei der Bewältigung seiner Probleme?

Es sind in der Tat noch wirklich keine großen Entscheidungen gefallen. Es gibt diesen positiven Eindruck, eine positive Grundstimmung, aber die wirklichen Grundlagen für eine neue Politik sind noch nicht gelegt. Über die Föderalismusreform muss noch verhandelt werden, auch sonst sind keine großen Reformprojekte angepackt worden.

Angela Merkel genießt Sympathien bei Journalisten aller Lager, sie wird respektiert von ausländischen Staatschefs? Was ist an ihr anders als vorher?

Sie wirkt als jemand, der solide seine Arbeit macht und sich nicht in den Vordergrund drängt, sondern der versucht, für das Wohl des Landes gute Politik zu machen. In der Großen Koalition betreibt sie eine integrative Politik. Das wird ihr sehr positiv angerechnet.

Wird Sie mit dieser Strategie weiter erfolgreich sein, auch dann, wenn es ans Eingemachte geht?

Ihr persönliches Verdienst ist es, dass sie fähig ist, die beiden großen Lager zusammenzuhalten. Dieser Vorteil könnte ihr aber in der Tat, wenn es um harte Entscheidungen geht, zum Nachteil werden, wenn sie nicht ihre Richtlinienkompetenz einfordern wird, sondern eher versuchen wird, im Konsens Entscheidungen zu treffen.

Die SPD hat in der Wählergunst verloren. Hat sie den falschen Parteivorsitzenden oder die falsche Strategie?

Die SPD hat ein Doppelproblem. Sie hat zum einen "unangenehme" Ministerressorts, Müntefering mit Arbeit und Steinbrück mit den Finanzen. Andererseits weiß man immer noch nicht, wofür diese Partei jetzt steht. Ist es die Reformpartei, wie wir sie in den vergangenen Jahren unter Schröder gesehen haben. Oder geht man zurück in eine eher traditionelle, sozialdemokratisch gewerkschaftlich orientierte Richtung. Das ist nicht klar. Platzeck ist noch nicht in der Lage zu vermitteln, wohin es gehen soll. Darunter leidet die Partei.

Schauen wir auf die Opposition. Ist die überhaupt noch vorhanden und kann die sich noch Gehör verschaffen?

Es ist tatsächlich so, dass die Oppositionsparteien Probleme haben, sich Gehör zu verschaffen. Die Linke ist sehr stark mit sich selbst beschäftigt, die Grünen haben ihre Richtung noch nicht gefunden und die FDP hat Probleme, sich zu profilieren. Es sind schwere Zeiten für die kleinen Parteien. Wir werden bei den Ende März anstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg sehen, wie sie abschneiden werden.

Klaus Detterbeck Bundestagswahl 05 Experte Porträtfoto

Der Politologe und Parteienforscher Klaus Detterbeck (Jahrgang 1966) lehrt und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg.