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Todesschütze plante seine Tat minutiös

24. Juli 2016

Er machte Fotos in Winnenden - wo sich einer der schlimmsten Amokläufe abspielte. Und er schrieb ein "Manifest" zu seinem eigenen Verbrechen. Jetzt teilt die Polizei noch weitere schockierende Details mit.

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Polizeikräfte am Freitag nach dem Amoklauf in München (Foto: dpa)
Polizeikräfte am Freitag nach dem Amoklauf in MünchenBild: picture-alliance/dpa/S. Babbar

Die Waffe, mit der der Amokläufer von München neun Menschen tötete und sich selbst erschoss, beschaffte sich der 18-Jährige im sogenannten Darknet - dem dunkelsten Teil des Internets, wo es von illegalen Angeboten zu Sex, Drogen, gestohlenen Identitätsdaten und Waffen nur so wimmelt.

Diese Angaben bestätigte Robert Heimberger, der Präsident des Landeskriminalamtes Bayern, am zweiten Tag nach dem Angriff am Olympia-Einkaufszentrum im Nordwesten der Stadt. Die Glock 17, eine 9-Millimeter-Pistole, war unschädlich gemacht worden, damit sie gefahrlos im Theater eingesetzt werden konnte. Doch später wurde die Waffe verbotenerweise reaktiviert. Die Pistole trug ein Prüfzeichen aus der Slowakei.

Er drückte fast 60 Mal ab

57 Mal hat der Deutsch-Iraner gefeuert. Alle 57 Patronenhülsen konnten eindeutig der Tatwaffe zugeordnet werden. Mutmaßungen zu einer Langwaffe oder auch zu weiteren Tätern, nach denen erst gesucht worden war, könne die Polizei nun "definitiv ausschließen", so Heimberger.

LKA-Präsident Robert Heimberger (links) und Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch (Foto: Reuters)
LKA-Präsident Robert Heimberger (links) und Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-KochBild: Reuters/A. Wiegmann

Eine 58. Patronenhülse stammt von einem Polizeibeamten, der - ohne zu treffen - auf den Täter schoss. Der 18-Jährige führte zwei Magazine mit sich, die jeweils 17 Patronen fassen, und 300 Schuss Munition. Demnach muss er während des Amoklaufs nachgeladen haben, vermutlich auf dem Parkdeck, das in einigen Videos von der Tat zu sehen ist. Woher die Patronen stammen, ist noch unklar.

Tat-Tag war kein Zufall

Die Ermittler wissen inzwischen, dass der Schütze seinen Angriff seit dem Sommer 2015 minutiös geplant hat. Im vergangenen Jahr fuhr er nach Winnenden, wo ein 17-Jähriger im Jahr 2009 zwölf Menschen tötete, ehe er auf der Flucht drei Passanten und sich selbst erschoss. Dort, am Schauplatz eines der schlimmsten Amokläufe in Deutschland, machte er Fotos und beschäftigte sich intensiv mit dieser Tat.

Sein eigener Amoklauf startete nicht zufällig am 22. Juli - es war der fünfte Jahrestag der Anschläge, die der Massenmörder Anders Behring Breivik in Norwegen verübte. Auch mit diesem Verbrechen beschäftigte sich der Münchner Schütze detailliert. Auf seinem Computer wurde ein "Manifest" gefunden, in dem er seine Tat vorbereitete und sich schriftlich damit auseinandersetzte. Vor der realen Gewalttat schoss er immer wieder virtuell: Regelmäßig spielte der 18-Jährige gewaltverherrlichende Videospiele, sogenannte Ego-Shooter-Spiele wie "Counterstrike".

Köder, um möglichst viele zu töten

Um am Tag des Angriffs möglichst viele Menschen zu ermorden, richtete er einen gefälschten Facebook-Account mit gestohlenen Bildern und Identitätsdaten einer anderen Person ein - es war also kein gehackter Account, wie es früher geheißen hatte. Dort versprach er, Passanten eine Kleinigkeit am späteren Tatort, einem Schnellrestaurant, auszugeben. Potenzielle Opfer sollten damit angelockt werden. Das Facebook-Profil wurde ebenfalls schon vor längerer Zeit, im Mai, eingerichtet.

Kerze mit der Aufschrift "Warum?" in München (Foto: Reuters)
Trauer und Fassungslosigkeit in MünchenBild: Reuters/A. Wiegmann

Während der Amoklauf genau vorbereitet war, suchte der Mann seine Opfer - sechs männliche und drei weibliche Personen - nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler nicht gezielt aus. Bis auf ein 45-jähriges Opfer waren alle zwischen 15 und 20 Jahre alt. Bisher sind 35 Verletzte bekannt, zehn von ihnen wurden schwer verletzt, vier durch Schüsse. Die anderen kamen etwa bei Panik an mehreren Orten zu Schaden.

"Aufgesetzter Schuss, linksseitig

Was die Fahnder bisher nicht wissen: Warum gerade das Olympia-Einkaufszentrum als Tatort gewählt wurde. Der Schütze kannte aber die Gegend und war dort öfter unterwegs. Gegen Ende des Amoklaufs entstand das Video, das den Täter auf einem benachbarten Parkdeck zeigt. Kurz darauf tötete er sich in einer Stichstraße nahe dem Einkaufszentrum durch einen "aufgesetzten Schuss, der linksseitig den Schädel durchschlagen hat", wie Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch sagte. Der Mann war Linkshänder.

jj/wl (dpa, afp, rtr)