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Amnesty kritisiert Ausweitung von Folter

Helle Jeppesen25. Mai 2005

In Berlin ist der Jahresbericht 2005 der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vorgestellt worden. Die Ergebnisse sind erschreckend. Viele Länder sind auch weiterhin Lichtjahre von einem Rechtsstaat entfernt.

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Demonstration in Hongkong: Protest gegen die Todesstrafe in ChinaBild: AP

Für Generalsekretärin Barbara Lochbihler von Amnesty International in Deutschland sind die Foltervorwürfe gegen die US-Regierung im Irak und in Afghanistan auch im Jahresbericht 2005 Grund zu großer Besorgnis. Die USA haben sich laut diesen Vorwürfen nicht an das Völkerrecht gehalten. "Das schwächt natürlich die Vereinten Nationen", warnt Lochbihler, "und gibt den anderen Regierungen Vorschub, sich jetzt auch nicht mehr daran zu halten. Beziehungsweise alle Menschenrechtsverletzungen gegen missliebige Personen in ihrem Land als Anti-Terror-Maßnahme zu deklarieren."

Todesstrafe: China traurige Spitze

Für den Jahresbericht 2005 hat Amnesty die Menschenrechtsverletzungen in 149 Staaten dokumentiert. Demnach wird in vielen Ländern gefoltert; zudem werden unter dem Deckmantel der Terror-Bekämpfung Menschenrechte verletzt und rechtsstaatliche Prinzipien ausgehöhlt. Viele Staaten sind auch weiterhin Lichtjahre von einem Rechtsstaat entfernt. China beispielsweise ist Weltmeister im Verhängen der Todesstrafe. Allein hier hat Amnesty 3.400 vollstreckte Hinrichtungen dokumentiert: "Das tatsächliche Ausmaß dieser staatlichen Tötungen ist weit höher. Dazu kommt, dass chinesische Behörden sehr repressiv gegen Medien und gegen Internet-Nutzer vorgehen, und dass Menschenrechtsverteidiger, die sich für Reformen dort einsetzen, pauschal beurteilt und verurteilt werden. Ihnen wird vorgeworfen, Staatsgeheimnisse weiterzugeben. Das sind Entwicklungen, die wir hier sehr kritisieren."

Weltöffentlichkeit nimmt wenig Notiz

In vielen Ländern der Welt werden Menschen inhaftiert, umgebracht oder regelrecht hingerichtet, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon Notiz nimmt. Amnesty Deutschland hat sich in diesem Jahr Guatemala ausgesucht, um auf die grausamen Menschenrechtsverletzungen dort besonders aufmerksam zu machen. Lochbihler verweist insbesondere darauf, dass neun Jahre nach dem Ende des blutigen Bürgerkriegs eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen zu beobachten sei. "Hier werden Menschenrechtsverteidiger, die sich dafür einsetzen, dass die Kriegsverbrechen von damals aufgeklärt werden, von kriminellen Gruppen bedroht, ja getötet." Es ist laut Lochbihler wichtig, die internationale Gemeinschaft anzusprechen und genau nach Guatemala zu schauen. Nur so könne man die Vergangenheit auch aufarbeiten, und dadurch adäquat in der Gegenwart antworten.

Kritik auch an Deutschland

Auch Deutschland wird im neuen Jahresbericht angeprangert Vor allem wegen der verschärften Asylpolitik. So beabsichtigen mehrere Bundesländer, Flüchtlinge nach Afghanistan, Togo oder in den Kosovo abzuschieben. "Wir kritisieren immer wieder, dass Personen in Länder abgeschoben werden, wo ihnen Menschenrechtsverletzungen drohen. Wir finden es skandalös, dass es jetzt wieder Bestrebungen in verschiedenen Bundesländern gibt, Menschen in den Kosovo abzuschieben, hier insbesondere Roma und Sinti", betont Lochbihler.

Schwerste Menschenrechtsverletzungen im Sudan

Besonders scharf kritisiert Amnesty die Lage in Darfur im Westen des Sudan. Es sei eine der schlimmsten Menschenrechtskrisen der Gegenwart, in der die internationale Gemeinschaft, speziell der UN-Sicherheitsrat eklatant versagt habe. Im Berichtszeitraum, so der Amnesty-Bericht, machten sich die von der sudanesischen Regierung bewaffneten und bezahlten Janjaweed-Milizen in Darfur massenhaft der Vergewaltigung von Frauen und Mädchen schuldig. Mord und Hinrichtungen seien an der Tagesordnung. Die Waffen würden von allen großen Waffenherstellern und -händlern bereitwillig in die Krisenregion verkauft. Und trotz der entsprechenden UN-Resolutionen habe die internationale Staatengemeinschaft angesichts von mehr als 1,5 Millionen Flüchtlingen nichts unternommen. Im UN-Sicherheitsrat war es nicht möglich, ein Mandat für ernstzunehmende internationale Friedenstruppen zu bekommen, wie Lochbihler betont: "Die internationale Gemeinschaft hat zu lange zugeschaut. Die Eigeninteressen der Sicherheitsratsmitglieder China und Russland standen im Vordergrund. Man hat sehr lange sehr gleichgültig diesen schwersten Menschenrechtsverletzungen zugesehen. Und letzten Endes ist es für sehr viele Menschen zu spät gewesen."

In einem Punkt wagt Amnesty vorsichtigen Optimismus. Die Reformbestrebungen der UN könnten zur Wahrung der Menschenrechte doch noch Positives beitragen. So begrüßt Amnesty, wie Barbara Lochbihler betont, ausdrücklich den Vorschlag, die UN-Menschenrechtskommission durch einen UN-Menschenrechtsrat zu ersetzen: "Das wäre eine sehr große Aufwertung, weil dieses Gremium das ganze Jahr über tagen könnte. Und es könnte auch die Ergebnisse anderer UN-Gremien, die mit Menschenrechten arbeiten, in ihre Arbeit aufnehmen."