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AmMann: Dede

4. Oktober 2007

Er ist Dortmunds Dauerläufer und treueste Seele. Seit neun Jahren ununterbrochen bei demselben Verein. Aber nicht nur deshalb ist er der deutscheste Brasilianer der Bundesliga-Geschichte: Leonardo De Deus Santos.

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Bild: DW-TV

DW-TV:
Und dein Spitzname Dede, wo kommt der her?

Dede:
In Brasilien gibt es ein Küchenputzmittel das heißt Dede. Ich habe damit immer meine Brüdern geärgert, sie bespritzt. Und dann haben meine Brüder zu mir gesagt, da kommt Dede, da kommt Dede.

Also im Grunde heißt du wie ein Putzmittel.

Genau!

Was sind den so Deine ersten Erinnerungen an Fußball?

Das war auf der Straße, ich habe auf Straße das erste mal gespielt. Auf der Straße haben wir barfuß 4 gegen 4 gespielt. Mit 7 Jahren war ich in meinem ersten Verein.

Ich habe gelesen, du hast als Jugendlicher in 4 Vereinen gleichzeitig gespielt.

Ja!

… wie geht das?

Ich habe in 4 Vereinen gespielt - in Amateurvereinen. Ein Spiel war Samstagmorgens und dann eins Samstagnachmittag. Sonntagmorgens das nächste und noch eins Sonntagnachmittag. Das hat immer Spaß gemacht. Abends habe ich dann noch mit Kollegen weiter Fußball gespielt.

In den Favelas in Brasilien ist der Fußball oft das einzige was die Kinder haben.

Meine Liebe war immer Fußball zu spielen, und mein Vater hat mich dabei immer unterstützt. Das war eine super Zeit. Es gab kein Geld, das war eine Herzenssache und ich habe viele Freunde in den Favelas kennengelernt, die bis heute immer noch gute Freunde sind.

Ein Drittel der Brasilianer lebt unter der Armutsgrenze. Kriminalität gehört zum Alltag.

Ich gehe immer noch in die Favelas und besuche meine Freunde. Die Menschen sprechen da viel über Kriminalität - aber meine Freunde und meine Familie in Brasilien haben damit glücklicherweise nie Probleme gehabt.

Ich habe auch gelesen, dass Du arme Menschen in Brasilien unterstützt, wie kann man sich das vorstellen, was machst du da?

Ich war auch arm als ich ein Kind war und jetzt mache ich das, weil es mir Spaß macht. Die Menschen haben da teilweise nix zu Essen und zum anziehen, und es macht mir Freude, wenn ich helfen kann. Ich kriege von den Menschen nix zurück, ich mache das, weil es mir wichtig ist. Wir helfen da 600 Leuten, 1000 Leuten, 1000 Familien und das macht mir auf jeden Fall Spaß.

Trotz schwierigster Umstände sind die Menschen lebensfroh.

Wie war es denn damals, ´98 bist Du nach Deutschland gekommen, hattest Du auch Angst?

Angst hatte ich nicht. Es war nicht einfach, ein ganz anderes Land, andere Sprache, anderes Wetter. Schlimm für mich war, dass ich weit weg von meiner Familie, und es war das erste Mal, dass ich von meiner Familie weg war. Wir waren immer zusammen, meine Brüder, meine Mutter, meine Vater und die Freunde. Das war für mich eine schlimme Sache. Man kann sagen, dass auf dem Platz war alles super gelaufen ist, aber außerhalb hatte ich viele Probleme. Mit Rechnungen vom Telefon, und die Polizei war fast viermal die Woche bei mir zu Hause, weil die Musik war zu laut war. Das war nicht einfach und ich habe fast jeden Tag geweint. Aber mein Vater und meine Mama haben immer gesagt: Komm Du schafft das. Es war eine harte Zeit, aber ich habe viele Sache gelernt, Gott sei Dank. Ich bin heute noch hier in Deutschland, weil ich mich wohl fühle. Es ist wie meine zweite Heimat und es macht Spaß hier in Deutschland zu wohnen, und bei Borussia Dortmund Fußball zu spielen.

Sein erstes Tor für Borussia war für Dede ein ganz besonderer Augenblick: 34. Spieltag der Saison 1999/2000, 21.05.2000, 89. Minute, das 3:0 bei Hertha BSC

Die Borussia übertrifft für mich alles. Ich habe hier so schöne Zeit erlebt, auch richtig schlechte Zeiten, mit Abstiegskampf, der Verein hatte Geldprobleme, eine neue Mannschaft wurde aufgebaut und neue Trainer kamen. Für mich war das sehr schwer, aber ich habe mich immer wohl gefühlt. Ich habe einfach die Identifikation mit dem Verein.

Der Meisterschaft 2002 folgten Jahre, in denen die Borussia finanziell und sportlich am Boden war.

Die Fans, kann man sagen, die sind die Nummer eins. Das ist eine große Familie hier, die Leute lieben Fußball. Ich habe schon in so vielen Stadien gespielt und Fans erlebt, aber ich habe ich nie solche Fans wie die von Borussia gesehen - die Fans von Borussia Dortmund machen den Unterschied.

80.000 bei jedem Heimspiel. Dede weiß genau, weshalb er Dortmund nie verlassen und sich für Deutschland entschieden hat.

Als Du den deutschen Pass bekommen hast, hast Du gesagt, das ist so wichtig wie eine Meisterschaft gewinnen.

Auf jeden Fall. Nicht jeder kriegt einen deutschen Pass. Das verdient nicht jeder Brasilianer. Deswegen ist das eine der besten Sachen die in meinem Leben passiert. Das ist ein tolles Gefühl.

Pünktlichkeit, Genauigkeit, das sind so die deutschen Tugenden, die Du auch gerne angenommen hast - was ist denn jetzt noch Brasilien bei Dir - viel und wichtig, und was ist viel Deutscher und auch genau so wichtig?

Wie meinst Du?

Ja, Du hast ja auch brasilianische Eigenschaften, die Du auch bestimmt nicht ablegen willst und wirst. Welche Eigenschaften sind Dir da am wichtigsten?

Für mich das ist der Spaß. Die Leute sind arme Leute, die haben fast nix zu essen, zum anziehen und die lachen jeden Tag. Die lachen jeden Tag und versuchen Arbeit zu bekommen, versuchen Arbeit zu kriegen und nehmen sich immer Zeit um Spaß zu haben. Ich glaube, jeder Brasilianer trägt die Sonne im Herzen. Und das ist eine Sache, die mir kein Mensch nehmen kann.

Sind die Deutschen ein bisschen zu ernst, zu wenig Spaß?

Auf jeden Fall. Ich glaube, ich will nicht sagen jeder, aber viele Leute sind so. Jeden Tag beobachten die das Wetter, ich höre jeden Tag, heute ist gutes Wetter oder heute ist schlechtes Wetter - scheiß Regen oder so was. Meiner Meinung nach sollten die Deutschen mehr Spaß haben.

OK, Dede, das war’s, schönen Dank!

Kein Thema!

Tschüss, mach’s gut!

Tschüss!