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Amerikas Staatsfeind Nummer eins ist tot

2. Mai 2011

In einer Blitzaktion hat eine US-Eliteeinheit El-Kaida-Chef Osama bin Laden erschossen. Sein luxuriöses Versteck in Pakistan wurde verwüstet, wie US-Fernsehsender zeigten. Der Coup dürfte US-Präsident Obama stärken.

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Osama bin Laden (Archivfoto: AP)
Der meistgesuchte Terrorist der Welt, El-Kaida-Chef Osama bin Laden, ist totBild: AP

Knapp zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verkündete der amerikanische Präsident in Washington den Tod des meistgesuchten Terroristen der Welt. Eine Spezialeinheit sei Osama bin Laden in Pakistan auf die Spur gekommen. "Der Gerechtigkeit ist Genüge getan", sagte Barack Obama in einer Fernsehansprache. Und er betonte: "Bin Laden war kein muslimischer Führer, er war ein Massenmörder von Muslimen."

Der gewagte, aber erfolgreiche Kommandoeinsatz im Nordosten Pakistans am Montag (02.05.2011) könnte Obamas Chancen auf eine Wiederwahl im kommenden Jahr erhöhen. Im Wahlkampf werden es die Republikaner nun schwer haben, ihm weiter fehlenden Mumm beim Schutz der nationalen Sicherheit anzukreiden.

US-Präsident Barack Obama während seiner Ansprache vor den Fernsehkameras (Foto: AP)
Der vielleicht wichtigste Fernsehauftritt von US-Präsident Obama: Bin Laden ist totBild: AP

Gewagt, aber erfolgreich

Vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich Tausende Amerikaner. Sie schwenkten Sternenbanner und bejubelten den Tod bin Ladens. Ähnliche Szenen spielten sich am Ground Zero in New York ab, dem Standort der 2001 zerstörten Zwillingstürme des World Trade Centers.

Der stark gesicherte Gebäudekomplex Osama bin Ladens im pakistanischen Abbottabad (Foto: AP)
Die stark gesicherte Residenz bin Ladens - eigens für ihn gebaut?Bild: dapd

Obama hatte den Einsatzbefehl gegeben, nachdem sich Hinweise auf den Aufenthaltsort bin Ladens verdichtet hatten. Die Spezialkräfte spürten ihn in der wohlhabenden Stadt Abbottabad auf – nur eine Autostunde von der pakistanischen Hauptstadt Islamabad entfernt. Dort lebte der Gründer und Chef des Extremisten-Netzwerks in einem speziell erbauten, festungsartig gesicherten Gebäude praktisch unter den Augen des pakistanischen Militärs, das in der Nähe seine Akademie unterhält. Der eigentliche Zugriff dauerte dann weniger als 40 Minuten.

Welche Rolle spielte Pakistan?

US-Regierungsbeamte gaben Einzelheiten der dramatischen Operation bekannt. Demnach landeten die Soldaten mit zwei Hubschraubern an dem Anwesen. Bin Laden setzte sich zur Wehr, und bei dem anschließenden Feuergefecht wurden drei weitere Männer getötet. Dabei soll es sich um einen Sohn Bin Ladens und zwei Brüder handeln, die als Kuriere gearbeitet hatten und als wichtige Verbindungsleute des Terror-Chefs galten. Auch mehrere Kinder und Frauen hielten sich auf dem Anwesen auf. Eine der Frauen wurde den Angaben zufolge als menschlicher Schutzschild missbraucht und starb, zwei weitere Frauen sind verletzt. Keiner der Einsatzkräfte kam zu Schaden. Allerdings fiel einer der beiden Helikopter wegen einer technischen Panne aus, und das gesamte Team musste mit dem verbliebenen Helikopter ausfliegen. Vorher zerstörten die US-Soldaten das zurückgebliebene Fluggerät.

Karte von Pakisten und seinen Nachbarländern - die Städte Abbottabad und Islamabad sind hervorgehoben (DW-Grafik: Per Sander)
Nur eine Autostunde von der Hauptstadt entfernt: Bin Ladens Unterschlupf in Pakistan

Unklar ist, ob der US-Einsatz gegen bin Laden auf pakistanischem Gebiet mit Wissen und Beteiligung der pakistanischen Behörden durchgeführt wurde. Ein US-Regierungsvertreter sagte, die Pakistani seien erst nach Abschluss der Kommandoaktion unterrichtet worden. Dagegen sprach der pakistanische Geheimdienst ISI von einer gemeinsamen Operation mit den US-Kräften. Pakistans Premierminister Yousuf Reza Gilani sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe keine Kenntnisse über die Einzelheiten des US-Einsatzes.

Warnung vor Racheakten

Dass bin Laden mitten unter pakistanischen Militärs lebte, dürfte die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den Regierungen in Washington und Islamabad belasten. Das beiderseitige Verhältnis ist durch US-Drohnenangriffe gegen Kämpfer der El Kaida und der mit ihnen verbündeten Taliban im Westen Pakistans gestört. Die USA werfen der Regierung vor, nicht entschieden genug gegen die Extremisten vorzugehen. Deutlicher äußerten sich Pakistans Nachbarstaaten: Indien warf seinem verfeindeten Nachbarn erneut vor, ein Rückzugsort für Terroristen zu sein. Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte, Bin Ladens Tötung in Pakistan sei ein Beweis dafür, dass der Krieg gegen den Terror an seinen Ursprungsorten geführt werden müsse.

Menschen feiern vor dem Weißen Haus (Foto: AP)
Menschen feiern vor dem Weißen HausBild: AP

In den amerikanischen Jubel über bin Ladens Tod mischen sich aber auch Stimmen, die vor Racheakten warnten. Dieser Tag markiere nicht das Ende der Anstrengungen gegen den Extremismus, sagte Obama. "Es gibt keinen Zweifel, dass El Kaida weitere Anschläge gegen uns plant. Wir müssen und werden zu Hause und im Ausland wachsam sein." Obamas Vorgänger George W. Bush, in dessen Amtszeit die Anschläge von 2001 fielen, sprach von einem "Sieg für Amerika". Er hatte versprochen, bin Laden "tot oder lebendig" zu fassen.

"Im Einklang mit islamischer Tradition"

Regierungsvertreter in Washington bestätigten inzwischen, dass Bin Laden bereits im Meer bestattet wurde. So wollte die US-Regierung augenscheinlich verhindern, dass eine Pilgerstätte für Extremisten entstehen könnte. Zuvor hatte ein amerikanischer Beamter vor Journalisten erklärt, es werde sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche "im Einklang mit islamischen Praktiken und islamischer Tradition" stehe. Das sei "etwas, dass wir sehr ernst nehmen, und deshalb wird das in einer angemessenen Weise gehandhabt". Nach den Vorschriften des Islam muss die Leiche eines Muslims von männlichen Glaubensbrüdern gewaschen und möglichst innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod bestattet werden. Für gewöhnlich wird der Leichnam in ein weißes Tuch gehüllt, auch bei einer Seebestattung.

Autor: Rolf Breuch (afp, dpa, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel