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Jochen Kürten17. September 2004

Erstklassig besetzt ist der Hitler-Film "Der Untergang". Er ist ein weiterer Versuch, dieses Kapitel deutscher Geschichte für den Kinosessel aufzubereiten. Darüber, ob das gelungen ist, sind die Meinungen geteilt.

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Leben im FührerbunkerBild: 2004 Constantin Film, München

Die letzten zwölf Tage des Adolf Hitler. Leben im Führerbunker in Berlin. Davon erzählt der neueste Film des Produzenten Bernd Eichinger. "Der Untergang" kommt am 16. September 2004 in die deutschen Kinos und hat eine alte Debatte neu losgetreten.

Lassen sich die Schrecken des nationalsozialistischen Terrors überhaupt vermitteln? In Fernsehen und Kino, in Literatur und Theater? Lassen sich die grausamen Verbrechen so darstellen, dass der Betrachter, der Zuschauer etwas ahnt von der Brutalität dieser Verbrechen, etwas mitbekommt vom Leid der Menschen, vom qualvollen Sterben? Oder anders gefragt: Lässt sich Auschwitz mit Hilfe der Kunst darstellen? Die Frage ist nicht neu. Ob sich über Auschwitz überhaupt schreiben lässt, fragten schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem die Schriftsteller.

Haupttäter im Mittelpunkt

Film über Untergang des NS-Regimes mit Bruno Ganz als Hitler
Bruno Ganz als Adolf Hitler in 'Der Untergang'Bild: dpa

Und: Kann man die nationalsozialistische Terrorherrschaft auf die Leinwand bringen, ohne das Sujet zu verharmlosen, ohne nur zu "unterhalten"? Diese Diskussion ging in Deutschland spätestens nach der Ausstrahlung der Hollywood-Serie "Holocaust" los, lebte dann noch einmal auf, als Roberto Benignis humoristische Auschwitz-Variante "Das Leben ist schön" zum Welterfolg wurde. "Der Untergang" von Eichinger handelt nicht von Konzentrationslagern. Und auch nicht explizit von Verfolgung und ganz direkt ausgeführten Repressalien. Aber er behandelt doch ein entscheidendes Kapitel nationalsozialistischer Politik und vor allem: Er stellt die Haupttäter in den Mittelpunkt, die Psyche der Verantwortlichen. Und daran ist er gescheitert.

Nicht, weil er - wie so viele frühere deutsche Spielfilme über den Nationalsozialismus - handwerklich bieder in Szene gesetzt ist. Nein, die Schauspieler agieren brillant, die Pyrotechniker haben ganze Arbeit geleistet. Sitzt man im wohlig weichen Kinosessel, kann man sich an den fantastischen Darstellerleistungen erfreuen, Bruno Ganz als Hitler ist ganz außerordentlich gut, Ulrich Noethen als Heinrich Himmler ist Furcht einflößend ebenso wie Corinna Harfouch als Magda Goebbels.

Nicht näher gekommen

Aber dieses "Unterhaltende" ist auch das Problem des Films. Man sieht eben den großen Menschendarsteller Ganz, der Hitler spielt oder Noethen, der den Himmler gibt. Und alle anderen auch: Die erste Garde der deutschen Kinoschauspieler spielt die erste Garde nationalsozialistischer Verbrecher - und das außerordentlich gut. Doch dem Wesen, dem Kern der Dinge sind sie und der Regisseur damit nicht näher gekommen.

"Der Untergang" ist Film und arbeitet doch nur mit den Mitteln des Sprechtheaters. Mit den sorgsam in Szene gesetzten Auftritten der Stars in den Kostümen der Schurken ist "Der Untergang" nicht mehr als ein brillant gemachtes Puppentheater, "Talking Heads" nennt man das im Fachjargon. Wie so viele andere Leinwandwerke vor ihm ist auch "Der Untergang" an der Nichtdarstellbarkeit des Schreckens gescheitert. "Zuviel zeigen", alles genau so darzustellen, wie man es rekonstruieren kann, damit kommt man dem Wesen der Dinge nicht näher.

Am Rande der Historie

So ist "Der Untergang" wieder ein Beispiel dafür, dass man im Grunde mit den Mitteln des großen Unterhaltungskinos über den Nationalsozialismus kaum erzählen kann. Dass vielmehr immer etwas anderes hinzukommen muss, etwas Dokumentarisches oder etwas scheinbar Nebensächliches, eine Episode am Rande der Historie oder gar etwas Komödiantisches wie bei Benigni oder Charlie Chaplin mit "Der große Diktator". "Der Untergang" ist direkt ins Zentrum vorgedrungen und kratzt doch nur an der Oberfläche.