Altkleider-Recycling in Deutschland
In fast jedem deutschen Ort stehen sie: Altkleidercontainer. Die Sammlung ausgemusterter Textilien ist ein lukratives, aber nicht unumstrittenes Geschäft. Ihre Wiederverwertung schützt aber auch wertvolle Ressourcen.
In Deutschland werden jährlich etwa eine Million Textilien ausgemustert (etwas) aus|mustern hier: etwas (z. B. Kleidung) aussortieren, das nicht mehr gefällt oder kaputt ist . In der Regel werden sie in Säcken entweder in sogenannte Altkleidercontainer Container, - (m., aus dem Englischen) hier: eine sehr große Kiste; eine große Tonne gesteckt oder sie landen in sozialen Einrichtungen, die Kleiderkammern unterhalten, und Kaufhäusern, die Secondhand Second Hand (f., nur Singular) aus dem Englischen: gebraucht; aus zweiter Hand -Ware verkaufen. Einer der deutschen Marktführer für die Herstellung von Altkleidercontainern ist die Firma JO·BA in Bremen. Dabei hatte 1972 eigentlich alles mit anderen Produkten begonnen, erzählt Geschäftsführer Kai-Uwe Jobst, der 2004 in den Betrieb seines Vaters einstieg ein|steigen hier: sich beteiligen :
„Wir kommen eigentlich ursprünglich aus dem landwirtschaftlichen Bereich. Wir haben Güllebehälter gebaut, wir haben Siloanlagen gebaut, Beregnungstechnik – alles, was für die Agrarwirtschaft wichtig war. Und in den [19]80er Jahren gab’s dort ’n großen Einbruch, Höfe-Sterben.“
Als in den 1980er-Jahren immer mehr Bauernhöfe aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben mussten, ein Höfe-Sterben einsetzte, hatte JO·BA kaum noch Abnehmer für seine Produkte. Dazu gehörten Behälter für Gülle, den flüssigen Dünger aus Ställen, für Siloanlagen, Behälter für Getreide oder Futtermittel, und für Maschinen zur Bewässerung, Beregnung, der Felder. Und dann, so Kai-Uwe Jobst kam die Frage eines Altkleidersammlers gerade richtig:
„Er hat gesagt: ‚Könnt ihr uns nicht mal so ’nen Behälter bauen?‘ Früher war halt die Straßensammlung vorherrschend. Mittlerweile ist es ja so, dass 90 Prozent über das Sammelsystem ‚Altkleidercontainer‘ gesammelt wird, die Straßensammlungen sind komplett eigentlich aus dem Straßenbild verschwunden. Und da hat mein Vater einen Behälter bauen lassen bei uns im Betrieb – und so ist das eigentlich langsam losgegangen.“
Das war 1984. War es bis dahin üblich, Säcke mit Altkleidern vor die Haustür zu stellen, wo sie abgeholt wurden, landeten diese nun in Containern. Die halten in der Regel fünf bis acht Jahre; dann müssen sie ausgewechselt werden, weil Schweißnähte Schweißnaht, -nähte (f.) eine Stelle, an der ein Teil mit einem anderen durch Anwendung von Wärme und Druck verbunden ist brechen, Container gewaltsam geöffnet oder in Brand gesetzt werden.
Aber die Altkleider-Branche kämpft nicht nur gegen mutwillige mutwillig in böser Absicht; leichtsinnig Zerstörung an, sondern mittlerweile auch um ihren Ruf: Häufige Kollektionswechsel von Textilherstellern haben dafür gesorgt, dass Kunden schnell mal was Neues kaufen, was dann genauso schnell wieder entsorgt wird. Die Folge: Viele Container quellen über über|quellen so, dass etwas wegen Überfüllung über den Rand von etwas (z. B. eines Behältnisses, Gefäßes) hinausragt und sorgen so für ein ungepflegtes Straßenbild. Auch müssen sich die Entsorgungsunternehmen den Vorwurf gefallen lassen, mit den Alttextilien, die ins Ausland – etwa nach Afrika, Asien oder Osteuropa – verkauft werden, die dort heimische Textilindustrie dort zu ruinieren.
Das Geschäft ist lukrativ lukrativ so, dass man mit etwas viel Geld verdienen kann und hart umkämpft. Es gibt gewerbliche Recyclingbetriebe, die sich auf Altkleider spezialisiert haben, karitative karitativ gemeinnützig; so, dass es für die Gesellschaft nützlich ist Einrichtungen wie das Deutsche Rote Kreuz, die mit dem Verkauf Projekte finanzieren, aber auch immer mehr Kommunen Kommune, -n (f.) eine Gemeinde; ein selbstständiger Ort , die mit der Textilsammlung Geld verdienen wollen. Nicht eindeutig gesetzlich geregelt ist, wer ein Recht auf Altkleider hat. Doch was würde geschehen, wenn es kein Recycling-System gäbe? Martin Wittmaier, Leiter des Instituts für Energie und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Bremen, meint:
„Dann hätten wir vielleicht noch viel, viel mehr Restmüllaufkommen. Es ist auf keinen Fall ’n Argument gegen das Recycling. Ressourcenschutz, Klimaschutz ist ’n hohes Gut. Wir haben in weiten Bereichen gute Erfahrungen damit gemacht. Und ich glaube, man ist schlecht beraten zu sagen, die Restabfallmengen sind gar nicht besonders dramatisch gesunken, obwohl wir verwerten, und da können wir das Verwerten auch lassen, weil, wenn man die verwerteten Mengen da noch draufschlagen würde, [würde es] sicherlich noch düsterer aussehen.“
Das deutsche Konzept der Mülltrennung wurde anfangs belächelt, hat sich aber bewährt und fand international Nachahmer. Würde es beispielsweise kein Altkleiderrecycling geben, würden die Textilien und Schuhe in der Mülltonne, dem Restmüll, landen. Sie würden das Gesamtmüllaufkommen erhöhen, würden dort draufgeschlagen. Außerdem würden wertvolle Ressourcen, Rohstoffe, verschwendet, wenn sie entweder auf einer Mülldeponie landen oder in einer Müllverbrennungsanlage verbrannt werden. Der Ressourcenschutz ist jedoch, so Martin Wittmaier, ungemein wichtig, ein hohes Gut. JO·BA-Geschäftsführer Kai-Uwe Jobst sieht das genauso. Eine witzige, bildhafte Gestaltung der Container soll darauf hinweisen:
„Kleider hat auch was mit Zukunft zu tun, hat was mit Wiederverwertung zu tun, mit Umweltschutz, und da gibt’s halt unterschiedliche Designs. Einige arbeiten viel mit Kinderbildern, andere arbeiten dann aber auch mit witzigen Bildern. Also, die Leute sollen dann schon so ’n bisschen darauf gucken und sagen: ‚Mann, das ist witzig‘ – und es ist nicht ’n Müllbehälter, der da in der Ecke steht.“
Denn Altkleider sind kein Müll, sondern wurden mal aus wertvollen Ressourcen produziert. Und wenn die Menschen jedem Kleidungstrend folgen, vergrößert sich das Altkleideraufkommen noch mehr. FairWertung, der Dachverband von gemeinnützigen Organisationen in Deutschland, die Altkleider sammeln, hat mal eine Rechnung aufgemacht: 62.000 LKW würden für das Altkleideraufkommen in Deutschland benötigt. Würden sie alle hintereinandergestellt, ergäbe das eine Schlange Schlange, -n (f.) hier: eine lange Reihe von Fahrzeugen von fast 1.100 Kilometern. Sie würde von Flensburg in Norddeutschland bis nach Innsbruck in Österreich reichen.
Altkleider-Recycling in Deutschland
(etwas) aus|mustern — hier: etwas (z. B. Kleidung) aussortieren, das nicht mehr gefällt oder kaputt ist
Container, - (m., aus dem Englischen) — hier: eine sehr große Kiste; eine große Tonne
Second Hand (f., nur Singular) — aus dem Englischen: gebraucht; aus zweiter Hand
ein|steigen — hier: sich beteiligen
Schweißnaht, -nähte (f.) — eine Stelle, an der ein Teil mit einem anderen durch Anwendung von Wärme und Druck verbunden ist
mutwillig — in böser Absicht; leichtsinnig
Kommune, -n (f.) — eine Gemeinde; ein selbstständiger Ort
über|quellen — so, dass etwas wegen Überfüllung über den Rand von etwas (z. B. eines Behältnisses, Gefäßes) hinausragt
lukrativ — so, dass man mit etwas viel Geld verdienen kann
karitativ — gemeinnützig; so, dass es für die Gesellschaft nützlich ist
Schlange, -n (f.) — hier: eine lange Reihe von Fahrzeugen