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Alte Idee bekommt neuen Schwung

Bernd Riegert, Brüssel23. November 2004

Die EU hat beschlossen, militärische Einsatztruppen zur Intervention in Krisengebieten aufzustellen. In diesen "battle groups" kann man die Keimzelle für eine wirkliche europäische Armee sehen, meint Bernd Riegert.

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Bernd Riegert

Mit der offiziellen Einrichtung der 13 Einsatztruppen hat die Europäische Union einen weiteren Schritt hin zur Gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik (GASP) gemacht. Die Befürworter der GASP - die als Grundsatz in der neuen Verfassung steht - jubeln: Europa bekomme nun endlich die notwendigen Muskeln, um sich in der Welt auch durchsetzen zu können, wenn die Diplomatie versagt.

Die Idee zu einer eigenständigen europäischen Armee ist alt, fast so alt wie die Europäische Union selbst, deren Vorgänger ja bereits in den 1950er Jahren geboren wurde. Nach dem Kalten Krieg, in dem NATO und Warschauer Pakt das militärische Denken in Europa bestimmten, bekam die Idee wieder neuen Schwung. Nachdem die Europäer im ehemaligen Jugoslawien zu einem eigenständigen Eingreifen sowohl politisch als auch militärisch nicht in der Lage waren, sondern die USA und die nordatlantische Allianz brauchten, wuchs die Einsicht, dass Europa sich in diesem Bereich neu organisieren müsse.

Mit Polizei-Missionen in Mazedonien, der Übernahme der SFOR-Truppe in Bosnien-Herzegowina im kommenden Monat und der kurzen ARTEMIS-Mission im Kongo im Sommer 2003 will die Europäische Union beweisen, dass sie militärisch an Kompetenz gewonnen hat.

Unter dem Eindruck des US-amerikanischen Angriffs auf den Irak trafen sich Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg 2003 zum inzwischen berühmt-berüchtigten "Pralinen-Gipfel" in Brüssel. Das von den USA heftig kritisierte Treffen, auf dem engere militärische Zusammenarbeit vereinbart wurde, sorgte für neue Dynamik in der Debatte. Im Laufe des letzten Jahres kam dann auch Großbritannien mit an Bord. Allerdings wurden dafür die Ziele der "Pralinen-Mächte" - etwa ein eigenes EU-Hauptquartier - wieder abgeschwächt. Großbritannien, Frankreich und Deutschland verständigten sich auf "battle groups", die jedoch auf "geliehene" NATO-Strukturen zurückgreifen.

Militärisch geführt werden die Missionen von einer kleinen EU-Zelle im NATO-Hauptquartier SHAPE. Der stellvertretende Oberbefehlshaber der NATO kommandiert gleichzeitig die EU-Truppen. Peinlich genau wird darauf geachtet, dass keine Doppelstrukturen entstehen. Da auch die NATO eine Eingreiftruppe aufbaut, ist ein kompliziertes Rotationsmodell notwendig, damit nicht die gleichen nationalen Einheiten sowohl der Allianz als auch der Europäischen Union als einsatzbereit gemeldet werden.

In den "battle groups" kann man die Keimzelle für eine wirkliche europäische Armee sehen, in der in der Zukunft die nationalen Armeen irgendwann aufgehen. Die Vision aus der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg könnte Realität werden. Rechtliche Grundlage für die Einsätze ist der Vertrag von Amsterdam von 1998, der bereits Blauhelm-Einsätze vorsieht, die so genannten "Petersberg-Missionen". Die EU-Verfassung sieht robustere Mandate bis hin zur präventiven Konfliktverhütung vor.

Für den tatsächlichen Einsatz sind aber zwei hohe Hürden vorgesehen: Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten und ein Mandat der Vereinten Nationen. Praktische Hürden kommen hinzu: Für den schnellen Transport ihrer Truppen fehlen den Europäern schlicht die Flugzeuge.

Nur Großbritannien verfügt über vier geleaste Großraumtransporter. An Hubschraubern herrscht chronischer Mangel. Maschinen, die etwa für die NATO in Afghanistan gebraucht werden, stehen für die EU-Armee natürlich nicht zur Verfügung. Seit Jahren geloben die EU-Verteidigungsminister, hier nachbessern zu wollen. Auch die Finanzierung der "battle groups" ist umstritten. Erst zögerlich setzt sich bei den Sicherheitspolitikern die Einsicht durch, dass militärische "Muskelspiele" auch Geld kosten.