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Politik

Alltag im Iran: "Wir haben Angst"

Shabnam von Hein
6. Juli 2018

Nach dem US-Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran wollen Europa, Russland und China auf einem Außenministertreffen in Wien den Atomdeal retten. Die Menschen im Iran sind verzweifelt und die Regierung ungeduldig.

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Iran Bildergalerie Basar in Teheran
Bild: Mahsa R.S

"Das wichtigste Gesprächsthema bei Taxifahrten durch Teheran: die Sanktionen", sagt Azam. Die 51-jährige Hausfrau aus Teheran ist wütend. Und sie hat Angst. "Ich kann nur sagen, dass die Stimmung sehr bedrückend ist. Wir glauben nicht, dass unsere Politiker uns durch diese Krise führen können."

Azams Vater ist 75 Jahre alt. Er hat Probleme mit dem Kreislauf und ist auf das Medikament Warfarin angewiesen. Der gerinnungshemmende Wirkstoff ist in der Hauptstadt Teheran aber inzwischen Mangelware. "Seit ein paar Wochen muss ich täglich kreuz und quer durch die Stadt fahren und in verschiedenen Apotheken nach seinem Medikament fragen."

Medikamente in einer Apotheke im Iran
(Archiv) Eine Apotheke im IranBild: ATTA KENARE/AFP/Getty Images

Mangel an Importwaren

Für die normalen Menschen im Iran sind das die Folgen der Sanktionen, denn der Iran kann Warfarin selber nicht herstellen. Das Medikament wird importiert und ist nun - wenn überhaupt - nur in begrenzten Mengen erhältlich. Und es ist inzwischen viel teurer geworden.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass das Land selbst in einer Wirtschaftskrise steckt. Seit US-Präsident Donald Trump im Mai das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigte, hat die iranische Währung viel an ihrem Wert gegenüber dem Dollar eingebüßt. Die US-Währung wird nun im Iran offiziell mit circa 43.000 Rial gehandelt. Vor einem Jahr waren es noch 32.000. Auf dem Schwarzmarkt ist heute ein Dollar unter 85.000 Rial nicht zu kriegen.

Mit dem Austritt aus dem Atomabkommen und den angedrohten Sanktionen nicht nur gegen den Iran selbst, sondern auch gegen Unternehmen, die im Iran Geschäfte machen, versuchen die USA, den Iran wirtschaftlich in die Knie zu zwingen.

Marktschwankungen des US-Dollars im Iran
(Archiv) Wechselstube im IranBild: Poolnews.ir

Geldhahn wird zugedreht

Zu den wirksamsten US-Instrumenten gehören die Sanktionen im Bankensektor. Der Iran und seine Geldinstitute sollen vom globalen Kapitalmarkt abgeschnitten werden, zu dem sie nach Jahren der Sanktionen durch das Atomabkommen erst wieder Zugang erhalten hatten. Ende Juni haben die meisten europäischen Banken ihren Zahlungsverkehr mit dem Iran eingestellt. Die Folge: Europäische Unternehmen können nur schwer mit dem Iran abrechnen.

"Das ruiniert unsere Geschäfte und unser Leben", sagt Esmael, ein 38-jähriger Geschäftsmann aus Teheran. Er steht am Rand einer viel befahrenen Straße unweit des Teheraner Bazars. "Wir haben Rohani gewählt, weil er mit den Westen Frieden schließen wollte. Wir halten am Abkommen fest. Aber warum sollen wir bestraft werden, weil sich die USA plötzlich alles anders überlegt haben?"

Esmael war letztes Jahr zweimal in Deutschland. Er hat hier Industriemessen besucht. Er wollte deutsche Lebensmittelverpackungsmaschinen importieren, die im Iran wegen ihrer Zuverlässigkeit einen guten Ruf haben. Nun liegen seine Pläne auf Eis. "Europa kann uns unterstützen und dabei auch noch profitieren. Der Iran ist ein großes und stabiles Land im Nahen Osten. Was hat Europa davon, wenn wir im Chaos versinken?"

USA wollen Systemwechsel im Iran

Die USA arbeiten offensichtlich im Iran darauf hin, dass das autoritäre Regime zu Demokratie wechselt. Deswegen appellieren auch die USA an ihre Handelspartner, ab dem 4. November 2018 jegliche Öl-Einfuhren aus dem Iran zu stoppen. Südkorea als US-Alliierter in Asien folgt dem Aufruf beispielsweise schon im Juli. Der Ölexport ist die wichtigste Einnahmequelle des Iran.

Zwar wünscht sich auch der 19-jährige Teheraner Saeed ein freies und demokratisches Land. Die US-Politik aber findet der Student falsch: "Der Druck von außen hilft uns nicht. Unter der Wirtschaftskrise leiden die einfachen Menschen wie meine Eltern. Sie machen sich Sorgen, dass ab nächstem Semester die Studiengebühren steigen. Und sie haben Angst vor einem Krieg."

Wien Hassan Rohani, Präsident Iran & Sebstian Kurz, Bundeskanzler
Rohani mit Österreichs Bundeskanzler KurzBild: Reuters/L. Niesner

Enttäuschende Europareise

Der iranische Präsident Hasan Rohani war diese Woche in Europa zu Besuch. Hauptthema: Rettung des Atomdeals. Nach seinen Gesprächen in der Schweiz und Österreich, das nun den EU-Ratsvorsitz innehat, war Rohani selber enttäuscht. "Das von der EU vorgeschlagene Paket enthält keine konkreten und praktischen Lösungsvorschläge", kritisierte Rohani.

In einem Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bemängelte Rohani auf der offiziellen Webseite des Präsidialamts, dem Angebot fehle ein Aktionsplan oder ein klarer Fahrplan für die Fortsetzung der Zusammenarbeit. Der Iran werde zu dem Deal stehen, aber nur "unter der Voraussetzung, dass wir von dem Abkommen profitieren können", so Rohani.

"Ich werde nie vergessen, wie wir vor Freude auf den Straßen getanzt haben, als das Abkommen unterzeichnet wurde", sagt die 38-jährige Schriftstellerin und Journalistin Pegah. "Wir haben Rohani und seine Politik unterstützt und er vertritt unsere Interessen. Der Ausstieg aus dem Abkommen durch die USA war wie eine Kriegserklärung an das iranische Volk. Die EU sollte nun auf unserer Seite stehen und unser Wunsch nach Frieden unterstützen."

Europäer, China und Russland stehen zum Iran-Deal

Die verbliebenen Länder im Atomabkommen mit dem Iran wollen auch nach dem Ausstieg der USA an dem Deal festhalten. So soll Teheran trotz drohender US-Sanktionen weiterhin Öl, Gas und andere Energieprodukte ausführen dürfen. Beim Außenministertreffen in Wien erklärten China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland, sie blieben ihren wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran verpflichtet. Allerdings müssten die Beratungen fortgesetzt werden.

Heiko Maas
Bundesaußenminister Maas: "Wir suchen nach Möglichkeiten, den Zahlungsverkehr für den Iran offenzuhalten"Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Ziel sei es, dem Iran nach dem Ausstieg der USA deutlich zu machen, dass das Land "nach wie vor wirtschaftliche Vorteile durch dieses Abkommen hat", sagt Bundesaußenminister Heiko Maas. "Wir suchen jetzt nach Möglichkeiten, den Zahlungsverkehr für den Iran offenzuhalten, so dass auch der Iran keine Veranlassung sieht, sich aus diesem Abkommen zurückzuziehen."